Rede von Kordula Schulz-Asche Gesundheitsversorgung
Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pflege ist gesellschaftsrelevant, und das nicht erst seit der Coronapandemie. Aber jetzt wissen viele Menschen, wo überall
professionelle Pflege stattfindet, und zwar an vielen Stellen in unserer Gesellschaft: in Krankenhäusern, in der Rehabilitation, in teilstationären oder stationären Einrichtungen, natürlich
auch zu Hause in den Familien und mancherorts auch schon in Schulen und am Arbeitsplatz. Pflege ist an vielen Stellen für immer mehr Menschen ein zentrales Thema ihres Lebens.
Der demografische Wandel in den nächsten Jahrzehnten erfordert heute eine Reform der Pflegeversicherung: eine Pflegereform, die die Bedürfnisse und Bedarfe der auf Pflege
angewiesenen Menschen in den Mittelpunkt stellt, eine Pflegereform, die die Qualifikation und Arbeit professioneller Pflege endlich aufwertet, eine Pflegereform, die Strukturen für Pflege
schafft, die im Stadtteil oder im Dorf eine gute Versorgung der pflegebedürftigen Menschen und die Unterstützung ihrer Familien erleichtert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was hier heute entschieden wird, ist keine Pflegereform, sondern aufgrund einiger Maßnahmen bestenfalls ein Pflegereförmchen. Ich möchte das anhand von zwei zentralen Punkten
darstellen.
Erstens. Natürlich ist es höchste Zeit für bessere Bezahlung von Pflegekräften. Es ist auch zu begrüßen, dass die Tarifbezahlung Standard werden soll. Aber dort, wo heute unter
Tarif bezahlt wird, wird das durch Schlupflöcher im Gesetz über Haustarife weiter der Fall sein. Meine Damen und Herren, notwendig als Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag wäre das
Niveau eines repräsentativen Flächentarifvertrags. Das, Herr Minister Heil, wäre das richtige Mittel. Das hätten Sie als Sozialdemokrat hier heute vorstellen müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Die veraltete Logik der Pflegeversicherung bedeutet, dass mit jeder Verbesserung – dazu gehören natürlich auch die Gehälter des Personals – die finanzielle Belastung
der Pflegebedürftigen durch den Eigenanteil an der Pflege steigt und dass dadurch immer mehr Menschen Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. Das Problem hat diese Regierung erkannt – wenn auch
spät. Aber Ihr Vorschlag ist nicht geeignet, die Verarmungsproblematik tatsächlich zu lösen. Was Sie vorschlagen, ist eine Entlastung durch einen 5-prozentigen Zuschlag im ersten Jahr. Aber
dieser wird verpuffen; denn gleichzeitig verzichtet diese Regierung auf die Dynamisierung der Leistungen. Deswegen wird es im ersten Jahr überhaupt keinen Effekt geben. Damit haben wir erst im
zweiten Jahr eine nennenswerte Entlastung, obwohl auch diese zu niedrig ist. Die volle Entlastung erfolgt erst ab dem vierten Jahr, und das wird mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen gar
nicht mehr erleben.
Meine Damen und Herren, das ist keine Pflegereform. Nein, Sie hinterlassen der nächsten Bundesregierung ein wirklich explosives Erbe. Wir brauchen eine demografiefeste Lösung
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
mit der doppelten Pflegegarantie, wie wir es vorschlagen, und mit einer Bürgerversicherung; denn gute Pflege ist eine Frage von Qualität, von Menschlichkeit und von
Solidarität.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:
Vielen Dank. – Das Wort geht an die CDU/CSU-Fraktion mit Karin Maag.
(Beifall bei der CDU/CSU)