Rede von Katharina Beck Gewinne von Energiekonzernen

Katharina Beck MdB
22.09.2022

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Seit wir diesen Antrag vor vier Monaten diskutiert haben, ist wahrlich viel passiert. Doch einige Dinge haben sich nicht verändert: Wir haben weiterhin eine sehr hohe Inflation, größtenteils aufgrund importierter Energiekosten, und wir haben auch weiterhin sehr hohe Gewinne in der Energiewirtschaft. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Gewinne von Unternehmen gehören ganz natürlich zu unserer Marktwirtschaft; denn sie sind ein Motor für Ideengenerierung, Experimentierfreude und Innovation für die Zukunftssicherung unseres Landes. Wichtig ist jedoch, dass Gewinne auf funktionierenden Märkten fair erwirtschaftet werden. Dafür braucht es Wettbewerb und gute Rahmenbedingungen.

Was passiert, wenn Märkte dysfunktional werden, haben wir in den letzten Monaten schmerzlich an den Energiemärkten gesehen. Wir haben es aber mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Arten von hohen Gewinnen im Energiebereich zu tun, die ich der Klarheit der Debatte wegen noch einmal kurz skizzieren möchte:

Erstens haben wir die Übergewinne von Mineralölkonzernen. Und ja, „Übergewinne“ kann man sehr gut definieren: Erstens fallen sie in einer Krise an, zweitens sind sie überhoch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Was heißt „überhoch“?)

und drittens sind sie leistungslos. Sie sind im Mineralölbereich Ergebnis eines dysfunktionalen Marktes aufgrund einer großen Marktmacht von wenigen Anbietern. Der Wettbewerb ist dort gestört. Aufgrund dieser hohen Marktmacht war es den Konzernen möglich, die Preise aktiv über die gestiegenen Rohölkosten hinaus anzuheben und somit ihre Gewinnmarge deutlich zu erhöhen. Auch heute noch ist die Marge beim Dieselpreis um 50 Prozent höher als vor der Krise, und das ohne eine substanzielle Veränderung der Nachfrage. Das ist leistungslos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Beispiel: Shell hat seinen Gewinn im ersten Halbjahr 2022 auf 25 Milliarden Dollar gesteigert, ein Plus von 180 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der wichtigste Aspekt daran ist: Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die unter dieser Marktsituation, diesen Übergewinnen und den daraus folgenden krassen Preissteigerungen leiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft den Strommarkt. Anders als bei den aktiv erzielten Übergewinnen auf dem Mineralölmarkt sind die hohen Gewinne hier durch die durch Putins Gaspolitik gestörte Preisbildung am Strommarkt entstanden und kamen daher für die Stromunternehmen tatsächlich eher zufällig zustande. So bleibt allein für Stromerzeuger in den Bereichen Atomenergie und Erneuerbare unter dem Strich ein geschätzter jährlicher Zufallsgewinn von circa 50 Milliarden Euro in Deutschland. Diese hohen Zufallsgewinne schlagen auch bei den deutschen Energiekonzernen deutlich zu Buche und haben wiederum einen sehr negativen Effekt für die Bürgerinnen und Bürger, die die hohen Preise zahlen müssen. Da gehen wir mit unserem Entlastungspaket ganz aktiv ran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Sören Pellmann [DIE LINKE]: Wo denn?)

Die Lösung dieser zwei sehr unterschiedlichen Probleme erfordert, anders als in diesem Antrag hier vorgesehen, auch unterschiedliche Maßnahmen. Die richtigen Maßnahmen wurden sowohl von unserer Regierung im Entlastungspaket als auch auf EU‑Ebene mit dem historischen Vorschlag vom 14. September angestoßen. Zur Lösung des Problems mit Zufallsgewinnen auf dem Strommarkt sind die beschlossene Zufallsgewinnabschöpfung, aber auch die Strompreisbremse kurzfristig die richtigen Schritte – am besten einheitlich auf EU-Ebene. Langfristig hilft uns hier aber vor allem der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien; denn sie sind die mit Abstand günstigsten, die wir haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die durch dysfunktionale Märkte ermöglichten Übergewinne am Mineralölmarkt liegen, wie gesagt, am Oligopol und an dem mangelnden Wettbewerb. Daher ist es richtig, hier endlich das Kartellrecht zu verschärfen. Ich danke dem BMWK und den beteiligten Kolleginnen und Kollegen hier für den guten Gesetzentwurf dazu.

Um rückwirkend seit Kriegsausbruch und bis zum Inkrafttreten eines wirkungsvolleren Kartellrechts die Übergewinne im Mineralölbereich abzuschöpfen, hat die Europäische Kommission die Einführung eines Solidarbeitrags beschlossen – ein wahrlich historischer Schritt! Doch damit diese Abgabe – 25 Milliarden Euro können dabei vielleicht erhoben werden – tatsächlich für die Krisenbewältigung genutzt werden kann, muss eine wesentliche Schwachstelle behoben werden – jetzt wird es technisch –: Es geht um die Bemessungsgrundlage. Diese sollte bei den adressierten internationalen Konzernen definitiv nicht die zu versteuernden Einkünfte sein; denn die in der EU erwirtschafteten Gewinne der Mineralölkonzerne werden größtenteils durch Steuergestaltung ins Ausland verschoben.

Schauen wir uns noch einmal das Beispiel Shell an. Während die Gewinnmarge des Öl- und Gaskonzerns in der EU für 2020 im Ganzen als negativ ausgewiesen ist, liegt sie allein für die Schweiz bei circa 50 Prozent. Das zeigt: Dort fallen zwar kaum Umsätze an; dennoch werden hohe Gewinne durch die Verlagerung aus anderen Ländern ausgewiesen. Die Solidaritätsabgabe könnte also großflächig umgangen werden, und das gilt es zu verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sollten wir einen umsatzbasierten Gewinnproxy verwenden, der den Gewinn auf der Basis von Eingangs- und Ausgangsumsätzen approximiert. Das ist fast genauso genau, und gleichzeitig können Umsätze – anders als Gewinne – nicht in andere Länder verlagert werden.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber es geht hier nicht um eine Umsatzbesteuerung, wie hier fälschlicherweise gesagt wird, sondern um eine Gewinnbesteuerung auf Basis der Umsatzsteuervoranmeldungen,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und die sind leicht und unbürokratisch zu erheben.

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Frau Beck, letzter Satz.

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Diese historische Solidaritätsabgabe sollte gut gemacht werden, damit sie kein zahnloser Tiger wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für Die Linke hat das Wort Christian Görke.

(Beifall bei der LINKEN)