Rede von Maik Außendorf Glasfaser-Überbau

Mail Außendorf MdB
17.03.2023

Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank zunächst an die Union für ihren Antrag als Beitrag zur Debatte zum leidigen Thema Überbau. Ich möchte aber gleich zu Beginn, bevor zu viel Harmonie aufkommt, einen Punkt aus Ihrem Antrag strikt zurückweisen. Sie behaupten, wir hätten dem Überbauproblem nicht die angemessene Priorität eingeräumt. Das ist schlichtweg falsch: Schon in der Gigabitstrategie hat die Bundesregierung das Thema adressiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die ganze Zeit immer schon thematisiert!)

Was ist überhaupt problematisch am Überbau? Das Problem ist: Fast drei Viertel der Haushalte in Deutschland haben überhaupt noch keinen Glasfaseranschluss; manche, wie in Gablingen, aber vor allen Dingen in den Ballungsgebieten und Großstädten, kriegen bald zwei. Die Berichte häufen sich, dass nicht nur, aber vor allem die Telekom auch dort Glasfaserleitungen verlegt, wo andere Unternehmen schon ausbauen oder ausgebaut haben. Das ist genauso überflüssig, wie zwei Wasser- oder Stromleitungen ins Haus zu legen. Es ist, im Gegenteil, sogar gemeinwohlschädlich; denn dringend benötigte Tiefbaukapazitäten werden hier aufgewendet, um Zweitanschlüsse zu verlegen, während andernorts Wohnungen, Häuser, Gewerbegebiete oder Schulen noch gar nicht angeschlossen sind, noch kein schnelles Internet haben. Hier werden Ressourcen mehrfach verbraucht; es ist zudem klimaschädlich.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Ökologisch ist anders!)

Wenn wir uns mit den Branchen und mit den Firmen unterhalten, werden immer wieder die mangelnden Tiefbaukapazitäten als der Faktor, der den Ausbau verzögert, genannt. Das ist der Flaschenhals beim Ausbau; das verzögert jetzt insbesondere den Ausbau in der Fläche und unterläuft die Ziele der Gigabitstrategie der Bundesregierung. Denn unser Ziel ist es ja gerade, die weißen Flecken, also die Gegenden, in den noch kein schnelles Internet verfügbar ist, schnell auszubauen, um einheitliche Standards im ganzen Land herzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Karamba Diaby [SPD] und Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Was passiert stattdessen? Gerade in den Städten werden die Straßen ein weiteres Mal aufgerissen – zum Ärger der Anwohner/-innen; denn einen zusätzlichen Nutzen haben sie durch die neuen Glasfaserleitungen nicht.

Doch damit nicht genug: In dem Maße, wie sich Berichte bezüglich Überbau häufen, hat das potenziell Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft der vor allem kleineren und regionalen Wettbewerber. Überbau gefährdet die Umsätze, und im Worst-Case-Szenario führt das dazu, dass manche Projekte zu risikoreich erscheinen und vielleicht ganz aufgegeben werden. Das ist ein Riesenproblem, und deswegen müssen wir dagegen vorgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Wie können wir das machen? Was müssen wir tun? Die Union hat ja richtigerweise erst mal festgestellt, dass Überbau an sich nicht richtig und nicht hinreichend genau definiert ist. Es wäre ja gar kein Problem, wenn sich hier und da mal einzelne Ausbaugebiete leicht am Rand überlappen; das lässt sich netztopologisch auch gar nicht immer vermeiden. Aber das Problem entsteht eben, wenn es sich häuft, über die Einzelfallberichte hinaus, wie etwa in Köln. Dort hat die Telekom angekündigt, 100 000 Haushalte anzuschließen, in deren Häusern bereits Glasfaser liegt.

Der Branchenverband BUGLAS führt aktuell eine Erhebung durch. Es gibt erst mal nur Zwischenergebnisse; aber danach gibt es Berichte über Überbauaktivitäten aus 30 Prozent der Postleitregionen im abgefragten Bereich.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist verdammt hoch!)

Aber klar ist: Wir brauchen hier verlässliche und genauere Informationen. Daran arbeitet ja das BMDV auch bereits.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Johannes Schätzl [SPD] und Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Da uns diese Informationen aber fehlen, wechsele ich jetzt hier mal in den Konjunktiv. Im Falle signifikanter Überbauaktivtäten müssen wir alle möglichen Optionen in Betracht ziehen. Ich begrüße es daher auch ausdrücklich, dass der Vizepräsident der Bundesnetzagentur sich zu dem Thema sehr klar geäußert hat – nämlich in dem Sinne, dass gegebenenfalls Bundesnetzagentur und Kartellamt hier tätig werden – mit dem Zitat: Die Agentur hat Zähne. – Danke, Herr Eschweiler, für diese klaren Worte.

Zu den Optionen gehört dann auch, die gesetzgeberischen Möglichkeiten auszuloten, wobei ganz klar ist: Markteingriffe sind die Ultima Ratio und müssen im Fall der Fälle juristisch wasserdicht sein. Aber davor, bevor wir so weit sind, gibt es ja auch noch Zwischenschritte. Das BMDV hat ja bereits angekündigt, im nächsten Quartal einen Workshop mit beteiligten Stakeholdern abzuhalten, um das Thema Überbau anzugehen, einschließlich Definition, Erhebung und dem Erarbeiten weiterer Maßnahmen.

Eins muss ich auch mal klar sagen: Die einfachste Lösung liegt ja auf der Hand: Die Telekom unterlässt einfach den weiteren Überbau; dann müssten wir uns im Parlament und in den Ministerien nicht weiter mit der Problematik befassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP] – Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Wer ist denn der größte Einzelaktionär?)

– Genau, Frau Domscheit-Berg, dazu komme ich nämlich jetzt. – Es ist ja immer noch so, dass der Bund mit über 30 Prozent den größten Anteil hält. Da würde ich doch erwarten – das würde eigentlich jedes Unternehmen so machen –, dass man, wenn ein großer Anteilseigner deutlich Wünsche formuliert, auch darauf hört. Deswegen bin ich auch so froh, dass wir uns hier über die Fraktionsgrenzen hinweg einig sind und klar unseren Wunsch gegenüber der Telekom äußern. Aber was ich in der Öffentlichkeit wahrnehme, ist, dass die Telekom hier eher versucht, wie der Schwanz mit dem Hund zu wedeln.

(Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Christian Lindner hat halt andere Interessen!)

Ein anderer Ansatz – der wurde auch schon angesprochen – ist Open Access, also das Öffnen der Netze für die Angebote von Mitbewerbern. Für den geförderten Breitbandausbau gilt das ja auch schon. Es ist gut, dass im Gigabitforum der Bundesnetzagentur die Ansätze aus der Branche zum Open-Access-Standard unterstützt werden.

Wenn Sie sich jetzt aber fragen: Warum machen wir Open Access dann nicht gleich für alle verpflichtend? Johannes Schätzl hat es ja schon angesprochen: Wir unterliegen den EU-Vorgaben zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur als Regulierer und können hier eben nur innerhalb sehr enger Grenzen agieren. Aber ich kann hier ganz klar sagen, dass ich Open-Access-Vorgaben wie auch Roamingvorgaben im Mobilfunkbereich für eine sehr gute Idee halte, um den Ausbau zu beschleunigen und die Ressourcen effizient und damit auch klimaschonend zu nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Ich komme zum Schluss noch mal auf Ihren Antrag zurück. Der Antrag führt etliche Punkte auf, die wir in den Koalitionsvertrag und in die Gigabitstrategie aufgenommen hatten oder an denen Bundesnetzagentur und BMDV ohnehin schon arbeiten. Zuallererst brauchen wir eine bessere Datenlage, und dann können wir im Digitalausschuss das Thema weiter beraten. Darauf freue ich mich; denn das ist hier heute klar geworden: dass wir uns alle der Probleme bewusst sind und gemeinsam an Lösungen arbeiten werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Herr Kollege Außendorf. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Anke Domscheit-Berg, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)