Sara Nanni
16.11.2023

Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Diese Koalition hat sich für die Bundeswehr viel vorgenommen. Schon im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, dass wir auch die Gleichstellung in der Bundeswehr stärken wollen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Und auch mehr Geld im Einzelplan 14?)

Dass das nötig ist, zeigt ein Blick in die Zahlen:

Während im Sanitätsdienst – der Bereich, der zuerst für Frauen geöffnet wurde – bereits 2010 ein Anteil von über 30 Prozent und im letzten Jahr sogar über 45 Prozent Frauen im Dienst sind, sieht es in den übrigen Bereichen ganz anders aus. Rechnet man die Sanität heraus, dann kommen wir selbst 2022 nicht mal auf einen Frauenanteil von 10 Prozent in der Bundeswehr.

In Führungspositionen ist der Anteil noch viel geringer. Dieser geringe Anteil an Frauen – Herr Kollege Droßmann hat es gerade eindrücklich geschildert – ist historisch gewachsen. Ich würde aber auch sagen: Er ist nicht herausgewachsen.

Und ja, die Bundeswehr hat sich spät, zu spät für Frauen geöffnet. Erst als eine Frau im Jahr 2000, also vor 23 Jahren, sich durch die Instanzen klagte, wurden alle Laufbahnen für Frauen geöffnet. Aber dass wir 23 Jahre später immer noch bei einer so absurd niedrigen Quote sind, sollte uns doch zum Nachdenken und vor allem zum Handeln bewegen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Nils Gründer [FDP])

vor allem, weil die Bundeswehr eigentlich ein sehr breites Spektrum an Karrierechancen bietet. Junge Frauen können bei der Bundeswehr nicht nur Schießen lernen, sondern auch Ingenieurin werden, IT-Fachkraft, Fahrerin, Ärztin, Objektschützerin, Avionikerin, sich mit elektronischer Kampfführung beschäftigen oder als Truppenpsychologin arbeiten und vieles mehr. Eigentlich ist für jeden und jede was dabei. Trotzdem: Frauen bewerben sich seltener.

Woran liegt das also? Eine These: Militär wird leider in unserer Gesellschaft als etwas angesehen, das irgendwie männlich ist. Es ist eine Aufgabe nicht nur für die Bundeswehr,

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

sondern für uns alle: zu zeigen, dass das heute, 2023, eben nicht mehr so ist und dass Sicherheit und Verteidigung alle was angeht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])

Eine andere These. Frauen haben es in der Bundeswehr nicht leicht. Sie werden dort diskriminiert, und zwar mehr als an anderen Orten. Das spricht sich herum. Wenn man den Bericht der Wehrbeauftragten liest, wenn man sich mit jüngeren Soldatinnen austauscht, dann gewinnt man diesen Eindruck und leider auch, wenn man selbst auf Besuch bei der Truppe ist und der Spieß die einzige Soldatin in der Einheit ziemlich eindeutig behandelt,

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

vielleicht väterlich lieb gemeint, aber definitiv nicht auf Augenhöhe.

Dritte These. Frauen sind immer noch häufiger für Sorgearbeit in der Familie zuständig. Der Dienst in der Bundeswehr stellt Menschen mit familiären Verpflichtungen vor zu hohe Hürden.

Was also tun? Die Frauen, die jetzt schon in der Bundeswehr sind, müssen wissen und spüren, dass sie willkommen sind. Deswegen ist es richtig, bei den Vorgesetzten anzufangen. Sie sollen in Zukunft besser geschult werden. Wir können und werden weiter daran arbeiten, wie die Bundeswehr das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“ bearbeitet. Es wird zum Beispiel leichter, Betreuungskosten, die aufgrund des Dienstes außerplanmäßig anfallen, beim Dienstherrn abzurechnen. Es wird auch leichter, flexibel zu arbeiten. Die Auswahlverfahren werden überarbeitet. Dienstliche Benachteiligungen werden abgebaut. Wir können und wir müssen dringend daran arbeiten, dass auch eine andere Personalpolitik im Haus gemacht wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es auch richtig, dass die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt wird. Gleichstellungspläne werden erarbeitet und dann Einspruchs- und Klagerecht eingeführt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wird nicht immer jedem gefallen, und genau deswegen ist es richtig.

Alle Frauen, die jetzt schon da sind, und die, die überlegen, zu kommen, müssen wissen, dass sie willkommen sind. Und noch etwas: Wir brauchen sie alle, alle Soldatinnen und Soldaten und die, die es vielleicht einmal werden wollen. Wenn wir verteidigungsfähig sein und die Zeitenwende umsetzen wollen, braucht es neben der materiellen Einsatzbereitschaft auch eine personelle Einsatzbereitschaft. 203 000 Soldatinnen und Soldaten will die Bundeswehr bis 2031 einsetzen. Aktuell sind wir bei 183 000. Fast 16 Prozent der militärischen Dienstposten sind heute unbesetzt, rund 19 000 Stellen fehlen. Das führt zu starker Mehrbelastung und zu Überstunden bei allen, die da sind, und zwar in einem Beruf, der ohnehin schon viel abverlangt. Ja, die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere, aber sie wirbt doch um die gleichen Leute wie jeder andere. Der Wettbewerb in der und mit der freien Wirtschaft ist hart. Die Bewerbungszahlen der Bundeswehr gehen leider zurück, die Demografie tut ihr Übriges.

Die Wehrbeauftragte erklärt, es sei fraglich, ob wir diese 203 000 Soldatinnen und Soldaten bis 2031 schaffen. Aktuell sind nur 13,5 Prozent der Soldatinnen und Soldaten Frauen. Wenn wir diese Zahl erreichen wollen, dann können wir auf keinen Fall bei der Verteilung der Geschlechter bleiben, wie wir sie heute bei der Bundeswehr sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die Gruppe der Frauen ist schlicht diejenige, wo wir das größte Potenzial liegen lassen. Das können und sollten wir uns nicht mehr leisten.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist also ein bedeutender Schritt für mehr Gleichstellung. Aber er ist auch ein Schritt, die Bundeswehr zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu machen. Es ist gut für die Frauen in der Bundeswehr, für alle, die in Familien Verantwortung tragen, und auch für die Einsatzbereitschaft.

Ich wünsche Minister Pistorius viel Erfolg bei der Umsetzung und bitte um eure Zustimmung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Hannes Gnauck.

(Beifall bei der AfD)