Rede von Denise Loop Gleichstellungsbericht
Denise Loop (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Liebe Zuhörer/-innen! Wussten Sie, dass biometrische Identifikationssysteme weiße Menschen besser erkennen als Schwarze, dass promovierten Frauen der Zugang zur Umkleide im Fitnessstudio verwehrt wurde, weil das automatische Zugangssystem den Doktortitel ausschließlich Männern zuordnete, und dass Stellenausschreibungen für Lkw-Fahrer auf einer sozialen Plattform vorrangig Männern angezeigt werden, während Anzeigen für Erzieher vorrangig Frauen gezeigt werden? Diese Beispiele aus dem Dritten Gleichstellungsbericht zeigen: Algorithmen führen bestehende Geschlechterstereotype fort, und sie können sie sogar verstärken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch deshalb ist es ein großes Problem, dass nur 16 Prozent der Frauen in der Digitalbranche tätig, sie kaum in deren Führungspositionen vertreten und sie auch bei der Gründung von Start-ups deutlich unterrepräsentiert sind. In anderen Worten: Frauen sind an der digitalen Transformation in diesem Land nicht angemessen beteiligt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das hat Einfluss auf die Entwicklung von neuen digitalen Technologien; denn sie sind nie neutral, sie sind immer in gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Kontexten eingebettet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Digitalisierung hat Auswirkungen, und zwar ganz reale Auswirkungen im Alltag und auf die Teilhabechancen von Frauen und Mädchen. Das sieht man zum Beispiel an der Situation von Frauen im Homeoffice während der Pandemie. Auf der einen Seite kann das Arbeiten von zu Hause Chancen bieten, Erwerbs- und Sorgearbeit besser zu vereinbaren. Auf der anderen Seite zeigt sich aber, dass es gerade die Frauen sind, die unbezahlte Sorgearbeit im Homeoffice sehr viel stärker ausweiten als Männer. Das bedeutet: Auch hier muss bei der Erarbeitung von gesetzlichen Rahmenbedingungen die Perspektive von Frauen sehr viel stärker berücksichtigt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Eine weitere Realität ist: Frauen sind von digitaler Gewalt im Netz betroffen, insbesondere dann, wenn sie sich antirassistisch und queerfeministisch engagieren. Laut einer Studie – wir haben es heute schon mehrfach gehört – von Plan International Deutschland haben 70 Prozent der jungen Frauen in Deutschland im Internet bereits Bedrohungen oder Gewalt erlebt. Leider bestätigen auch aktuelle Zahlen, dass sie sich deshalb aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen. Das ist ein Problem für die Demokratie. Das müssen wir ändern. Frauen haben ein Recht auf eine gleichberechtigte und sichere Teilnahme am öffentlichen Diskurs. Digitale Gewalt müssen wir immer und überall bekämpfen; denn jede Form von Diskriminierung der Frauen begünstigt geschlechtsspezifische Gewalt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Aus dem Dritten Gleichstellungsbericht lässt sich ein klarer Auftrag für die Ampelkoalition ableiten. Deswegen bin ich unserer Parlamentarischen Staatssekretärin Ekin Deligöz sehr dankbar für ihre deutlichen Worte und ihre Bitte, diese wichtigen Themen auch im Haushalt zu verankern; denn wir brauchen dieses Geld, um die Handlungsempfehlungen des Berichts in der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie zu berücksichtigen, um die Digitalisierungsstrategie um eine geschlechtersensible Perspektive zu erweitern und um MINT-Programme zu fördern, damit Geschlechterstereotype und Zugangsbarrieren für Frauen und Mädchen in der IT‑Branche abgebaut werden. Alle diese Maßnahmen sind notwendig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Denn wir wollen doch alle in einer Gesellschaft leben, in der nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch die Menschen in ihrer gesamten Vielfalt berücksichtigt werden. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der sich alle unabhängig vom Geschlecht sicher, diskriminierungsfrei und gleichberechtigt an den digitalen Transformationsprozessen beteiligen, damit alle Menschen gleichermaßen von den vielen Chancen der Digitalisierung profitieren.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Dr. Katja Leikert für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)