Rede von Katharina Beck Globale Mindestbesteuerung

Katharina Beck MdB
11.10.2023

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Heute starten wir im Bundestag mit der Beratung der globalen Mindestbesteuerung, und das ist ein historischer Anlass.

(Beatrix von Storch [AfD]: So viel Quatsch gab es noch nie! – Dr. Harald Weyel [AfD]: Alles on top!)

Ich mache jetzt seit 2008/2009 Finanzpolitik und arbeite im Finanzbereich. Nach der Finanzkrise ist deutlich sichtbar geworden, wie zentral funktionierende Finanzmärkte und auch eine gewisse Steuerfairness dafür sind, dass wir global gut vorankommen. Es ist heute ein historischer Schritt, dass dieses Thema endlich im Bundestag angekommen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Ich habe mal in Panama gelebt, und ich liebe Panama. Aber die Panama Papers haben es uns 2016 noch mal vor Augen geführt: Es wurden über 1 200 Briefkastenfirmen entdeckt, die unterstützt von deutschen Banken – leider – ihre Briefkästen in sogenannten Steuersümpfen aufgestellt hatten, um massiv Steuern einzusparen. Die globale Mindeststeuer hilft uns, an der Stelle eine Untergrenze hinzubekommen,

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie haben offensichtlich dem Glaser nicht zugehört! Er hat Ihnen gerade erklärt, dass das nicht so ist!)

damit wir zu einer faireren, solidarischeren globalen Steuerverteilung kommen.

Ich bin allen Akteurinnen und Akteuren sehr dankbar, die sich bei der OECD, der EU und auch hier in Deutschland für dieses Thema starkgemacht haben. Olaf Scholz ist an der Stelle aus meiner Sicht unfassbar glaubwürdig. Er hat sehr stark dafür gekämpft. Ich stehe hier nicht jeden Tag und sage: „Olaf Scholz ist der Großartigste“;

(Marianne Schieder [SPD]: Wäre aber nicht schlecht! – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: In der Ampel hört man immer Unterschiedliches dazu!)

aber an der Stelle erinnere ich mich stark daran, wie sehr ich mich gefreut habe, dass er sich beim G-7-Treffen 2021 so dafür eingesetzt hat. Dafür können wir, glaube ich, alle sehr dankbar sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der heutige Schritt ist auch deswegen eine gute Nachricht, weil er zeigt, dass wir in Zeiten geopolitischer Konflikte und dramatischer Krisen multilaterale Abkommen würdigen und sogar umsetzen können. Das ist gerade am heutigen Tag und nach diesem letzten Wochenende, wo die internationale Ordnung noch mal mehr infrage steht, einfach ein wichtiges Zeichen.

Um noch mal zum Thema zurückzukommen: fairer Steuerwettbewerb. Das ist nicht nur für die globale Steuergerechtigkeit wichtig, sondern auch für die kleinen Unternehmen und für den Mittelstand. Ich bemühe noch mal das Beispiel meiner eigenen Historie: Ich komme aus einer Handwerksbäckereifamilie. Da werden jeden Tag gesunde, köstliche Backwaren hergestellt, verpackt und verkauft. Umsätze – letztlich Gewinne – werden erwirtschaftet, auf die natürlich Steuern gezahlt werden, die wiederum für den Aufbau und Erhalt der Infrastruktur, gute Bildung und viele andere wichtige Dinge genutzt werden.

So funktioniert ein faires, solides Ertragsteuersystem für die große Mehrheit der circa 3,4 Millionen Unternehmen in Deutschland. Doch es gibt einige große multinationale Konzerne, die hier trotz hoher Geschäftsaktivitäten und Umsätze kaum oder gar keine Steuern zahlen, während andere fair ihre Steuern zahlen und sich am Gemeinwohl beteiligen. Wir alle fragen uns zu Recht: Wie kann das sein? Warum lassen wir das als Gesellschaft zu?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf machen wir deutlich: Nein, das möchten wir eben nicht weiter zulassen. Auch wenn eine grundsätzliche Frage – die Fachleute unter uns kennen sie als Säule eins der OECD – offen ist, nämlich die Frage der globalen und fairen Verteilung des Steueraufkommens, gehen wir heute gemeinsam einen großen und bedeutenden Schritt gegen Steuergestaltung und für mehr fairen Wettbewerb.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Armand Zorn [SPD])

International geht es wirklich um Geld, Geld, das vor Ort in die Stärkung der Strukturen fließen kann, um gegebenenfalls Orte, aus denen sich die Leute heute aufmachen müssen, zu stärken. Weltweit fehlen schätzungsweise jährlich 500 bis 650 Milliarden US-Dollar. Das ist insbesondere für Länder des Globalen Südens katastrophal; denn sie haben oft keine Spielräume mehr für die Finanzierung ihres Staatshaushalts. Und auch in Europa, auch in der EU, fehlen durch diese Steuergestaltung ungefähr 50 Milliarden Euro.

Nun ist die globale Mindeststeuer kein Allheilmittel; aber wir können damit spannenden Mechanismen begegnen. Ich möchte Sie da einmal mitnehmen. Eine solche Steuergestaltung erfolgt in der Regel durch eine Zahlung von Lizenzgebühren. In den nächsten Wochen werden die Themen „Lizenz“, „Lizenzschranke“, „Zinshöhenschranke“ immer mal wieder vorkommen. Es geht um Lizenzgebühren, oder es kommt die Zinshöhenschranke ins Spiel; die wurde schon genannt. Lizenzgebühren oder Zinsen werden an eine Schwestergesellschaft in einem Niedrigsteuerland gezahlt. Dabei nimmt ein Unternehmen in dem einen Land zum Beispiel fiktive Kredite bei einer ausländischen Gesellschaft desselben Konzerns auf – also untereinander –, überweist Zinsen an diese Gesellschaft und drückt dadurch seinen inländischen Gewinn und damit seine Steuerzahlungen.

Das kann man am Beispiel Shell gut sichtbar machen; denn der Mineralölkonzern ist seit einigen Jahren verpflichtet, ein sogenanntes Country-by-Country Reporting zu machen; die Feinschmecker/-innen werden sich auch an diese Debatte im Bundestag erinnern. Bei der Analyse der Unternehmensdaten sieht man, dass Shell seine Gewinne aus der EU offensichtlich gezielt in die Schweiz verschiebt, wo die Unternehmensteuern circa ein Drittel niedriger sind. Es wird dann zum Beispiel Geld für die Nutzung des Shell-Logos gezahlt. Dadurch ist der Gewinn höher als die Verkäufe an Kunden, und das ist einfach absurd.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden uns das Thema in diesen Debatten noch mal genauer anschauen. Wir setzen die Richtlinie jetzt einfach um. Es gibt noch Begleitmaßnahmen; da gibt es leider noch viele Mindereinnahmen, auch für Kommunen.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wie? Das Wenige wollt ihr auch noch kippen?)

Wir werden miteinander noch mal abwägen, ob diese Begleitmaßnahmen sinnvoll sind oder nicht. Aber ich freue mich sehr, dass wir heute – auch historisch – sagen können: In der globalen Gerechtigkeit und auch in der Gerechtigkeit zwischen kleinen und großen Unternehmen kommen wir einen deutlichen Schritt weiter.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Beck. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Janine Wissler, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)