Rede von Katja Dörner Grundgesetzänderung - Bildungsföderalismus

28.09.2018

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit der Einführung des sogenannten Kooperationsverbots in der Bildung wurde ein sehr schwerer Fehler gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE])

Es ist einfach an der Zeit, nicht nur diesen Fehler zu korrigieren; es ist auch Zeit, unseren Bildungsföderalismus auf gesunde Füße zu stellen. Es ist Zeit für einen modernen Bildungsföderalismus, in dem der Bund, die Bundesländer und die Kommunen im Sinne der Bildung, im Sinne der Kinder und Jugendlichen an einem Strang ziehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wir beraten heute eine Grundgesetzänderung. Das ist ja keine Lappalie. Wenn man das Grundgesetz ändert, dann sollte man es auch gut und richtig machen. Wir haben jetzt die große Chance, wichtige Weichen zu stellen und die Bildungspolitik in diesem Land ernsthaft zum Besseren zu bewegen.

Ich sage Ihnen: Ich habe es satt, in jedem Bildungsbericht, in jeder OECD-Studie, ja sogar in jeder dritten Pressemitteilung der Bildungsministerin zu lesen, wie eng der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in diesem Land ist. Dass wir beim Thema „Chancengleichheit in der Bildung“ weiter Schlusslicht sind, das muss ein Ende haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Ohne die Möglichkeit, dass Bund und Länder zusammenarbeiten, wird das kein Ende haben.

Deshalb sind wir als grüne Bundestagsfraktion – ich denke, das gilt auch für die FDP-Fraktion – sehr entschieden und sagen ganz klar: Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist zwar nie verkehrt; aber der kleinste gemeinsame Nenner von SPD und Union reicht an dieser Stelle nicht. Das ist nicht das, was diese Republik braucht. Nein, wir müssen jetzt das tun, was tatsächlich notwendig ist. Das heißt für den Bund, nicht nur in Beton, sondern in Köpfe zu investieren, nicht nur Schulklos zu sanieren oder Whiteboards aufzuhängen – –

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ronja Kemmer?

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne.

Ronja Kemmer (CDU/CSU):

Frau Kollegin, herzlichen Dank. – Ihre Kritik geht ja dahin, dass die Grundgesetzänderung nicht weit genug gehen würde. Jetzt wundere ich mich schon; denn da, wo die Grünen in den Ländern Verantwortung tragen, zum Beispiel in Baden-Württemberg, gibt es auch andere Stimmen. Ministerpräsident Kretschmann bezeichnet die jetzige Grundgesetzänderung als zu weit gehend, als Aushöhlung des Föderalismus. Da frage ich mich dann schon: Was ist denn jetzt die Position der Grünen? Zwischen Bund und Ländern scheint die ja nicht wirklich abgestimmt zu sein.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wissen Sie, es ist ja der Kern des Föderalismus, dass eine Bundestagsfraktion und ein Ministerpräsident eines Bundeslandes auch unterschiedlicher Meinung sein dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Notfalls sogar dauerhaft! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Den Satz müssen wir uns merken!)

Ich habe, glaube ich, die Meinung der Bundestagsfraktion an dieser Stelle sehr deutlich gemacht.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit zehn Jahren!)

Es darf eben nicht so sein, dass nur Schulklos saniert und Whiteboards aufgehängt werden, sondern es muss auch in die Ganztagsbetreuung investiert werden können, in die Inklusion. Unsere Lehrkräfte müssen fit gemacht werden für den digitalen Wandel. Das werden die Bundesländer nicht alleine wuppen können, und die Schülerinnen, die Lehrkräfte, die Eltern, alle, die mit Schule zu tun haben, wissen das auch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir müssen jetzt die Chance nutzen, Möglichkeiten zu schaffen, um wichtige Ziele auf einem vernünftigen Weg erreichen zu können. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ein Beispiel für einen unvernünftigen Weg. Es ist ein kompliziertes Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Konstrukt, das unter anderem versucht, die Nachhilfe für arme Kinder unter mühsamer Umgehung des Kooperationsverbots zu finanzieren – mit dem Effekt, dass ein Großteil der anspruchsberechtigten Kinder diesen Anspruch gar nicht wahrnimmt. Zu kompliziert, zu bürokratisch. Das ist doch absurd. Warum legt der Bund sich selbst Steine in den Weg? Warum kann er nicht unmittelbar in die Schulen investieren? Das ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Deshalb wollen wir einen mutigen Schritt bei dieser Grundgesetzänderung.

Wir wollen nicht nur den Artikel 104c ändern, damit der Bund dauerhaft und nicht nur befristet in die Infrastruktur investieren kann, sondern auch in Artikel 91b die Möglichkeit für Vereinbarungen zwischen Bund und Bundesländern im Sinne der Verbesserung der Qualität von Bildung schaffen. Ich sage es noch einmal, weil das ja hier in diversen Debattenbeiträgen ziemlich durcheinanderging: Wir wollen die Möglichkeit für Vereinbarungen zwischen Bund und Bundesländern schaffen. Der Bund soll den Ländern die Hand reichen können, um miteinander zu kooperieren. Sich dem entgegenzustellen, das ist für uns rundum nicht nachvollziehbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor exakt zehn Jahren hat die Union die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen. Unlängst rief Volker Kauder den Bildungsnotstand aus. Nach 13 Jahren CDU-Bildungsministerinnen und genauso langem Gewürge um dieses Kooperationsverbot muss ich sagen: Eine solche Äußerung ist einfach nur noch Realsatire.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben von kommunalen Lehrern gesprochen!)

Wir brauchen jetzt einen mutigen Schritt. Ich erwarte – ich denke, es ist an der Zeit –, dass die Regierungsfraktionen mit uns über diesen Schritt ins Gespräch kommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)