Rede von Maria Klein-Schmeink Gute Pflege stabil finanzieren

Foto von Maria Klein-Schmeink MdB
27.04.2023

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende! Wir reden heute über ein Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetz. Das ist mehr als überfällig. Es ist höchste Zeit, dass dieser Gesetzentwurf jetzt in den Bundestag kommt, leider etwas verspätet. Ich muss auch sagen, dass die vielen Schleifen, die er seit Anfang des Jahres nehmen musste, diesem Gesetzesentwurf nicht unbedingt gut getan haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir mussten leider erleben, dass das, was wir uns vorgenommen haben, noch nicht so enthalten ist, wie es notwendig wäre.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insofern kündige ich schon einmal deutlich an: Es gibt Verbesserungsbedarf.

(Beifall des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Wir müssen die Lage in der Pflege einfach mal ernst nehmen. Wir haben fast 5 Millionen Pflegebedürftige. Mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt, entweder mit Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes oder – das ist sogar bei der Hälfte dieser Menschen der Fall – vollständig durch Angehörige. Wenn wir nicht dafür sorgen, dass diese Angehörigen das auch weiterhin stemmen können, dann stehen wir vor einem riesigen Problem.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU und der Abg. Heike Baehrens [SPD] und Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Dies gilt es zu vermeiden. Deshalb muss eines der ganz großen Themen sein: Wie stärken wir mit diesem Gesetz die häusliche Pflege ambulant, mit Hilfen durch die professionelle Pflege oder auch die Angehörigen, insgesamt? Das muss im Vordergrund stehen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann schreiben Sie es doch in den Gesetzentwurf!)

Das aber ist in diesem Gesetzentwurf noch nicht so enthalten, wie wir uns das wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist der Kabinettsbeschluss, den wir hier einbringen. Wir werden im weiteren Verfahren daran arbeiten, auf genau diesen Aspekt sehr stark einzugehen. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist: Leistungsverbesserungen können wir uns nur leisten, wenn die Pflegeversicherung funktionsfähig ist. Die Wahrheit, die man hier aussprechen muss, ist: Wenn die pandemiebedingten Kosten – Kosten für Maskenanschaffung, Hygiene, Testung – nicht zur Hälfte komplett aus den Mitteln der Pflegeversicherung bezahlt worden wären – etwa 5 Milliarden Euro stehen noch aus –, dann müssten wir heute überhaupt nicht über Beitragssteigerungen reden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das muss man sich klarmachen. Das zeigt sehr deutlich: Gesamtgesellschaftliche Aufgaben gehören durch Steuermittel finanziert. Das ist ein Signal, das wir auch in Richtung Regierung und Kabinett senden müssen.

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Die Pflege insgesamt braucht den Rückhalt des Parlaments, aber sie braucht auch den Rückhalt vonseiten des Kabinetts und des Finanzministers.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer meint, diese Themen aussetzen zu können, der muss sich einfach klarmachen: Wir werden es mit einer deutlichen Steigerung der Zahl der Pflegebedürftigen zu tun haben. Wir werden es mit einem enormen Fachkräftemangel zu tun haben. Insgesamt heißt das: Wir müssen die häusliche Pflege stärken. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass wir zukunftsfähige Pflegesettings hinbekommen, dass man in der Nachbarschaft, in der Kommune, im Quartier die Unterstützung erfährt, die nötig ist, damit man auch mit Pflegebedarf selbstständig zu Hause leben kann. Das sind die Zukunftsaufgaben, die wir zu stemmen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehört, dass wir natürlich die Kommunen miteinbeziehen müssen, dafür sorgen müssen, dass genau diese, die Pflegenden unterstützenden Settings da sind. Dem müssen wir uns stellen, genauso wie modernen Pflegearrangements, beispielsweise in Wohngruppen. Sie sind die legale Form einer 24-Stunden-Pflege – das muss man sich klarmachen –, und das heißt: Auch die müssen wir in den Fokus nehmen,

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

wenn wir über die Weiterentwicklung von Pflege und Unterstützung in diesem Bereich reden.

Insofern ist das eine essenzielle Zukunftsaufgabe. Das ist kein „nice to have“, es ist auch keine weitere Sozialbelastung, wie oft beklagt wird. Es geht vielmehr um die Zukunft dieser Gesellschaft. Es geht auch darum, ob diese Gesellschaft es schafft, das Versprechen einzulösen, dass ich in Deutschland in Würde altern kann, auch bei Pflegebedarf – das ist das eine –, und dass sich diese Gesellschaft dafür starkmacht, dass das gewährleistet ist. Insofern ist das eine gesamtgesellschaftliche, grundlegende Frage des Zusammenlebens.

(Beifall des Abg. Lars Lindemann [FDP])

Ich meine – für uns kann ich das sehr, sehr deutlich sagen –: Die Pflege gehört in den Vordergrund; wir müssen uns den Bedarfen stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

In dem Sinne wünsche ich mir weitreichende Änderungen im weiteren Verfahren. Ich hoffe da auf den Rückhalt des Kabinetts, des Finanzministers, des Kanzlers und aus dem Parlament.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Martin Sichert das Wort.

(Beifall bei der AfD)