Rede von Maik Außendorf Handelspolitik
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Maik Außendorf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Union, dass wir hier heute mal die Gelegenheit haben, über Handelspolitik zu reden. Das ist aber auch schon der einzig positive Aspekt an Ihrem Antrag; denn Sie beginnen Ihren Antrag direkt mit einer deutlichen Falschaussage.
Ja, es ist richtig: Das Abkommen zwischen der EU und Australien ist in den Verhandlungen gescheitert. Das ist bedauerlich. Wir hätten gerne die Rohstoffe gehabt. Wir hätten auch gerne die Märkte für unsere Maschinenbauexportindustrie gestärkt. Aber es lag nicht, wie Sie fälschlich behaupten, an Nachhaltigkeitskapiteln, sondern es lag vor allen Dingen an Uneinigkeiten zwischen Australien und Frankreich im Bereich der Landwirtschaft. Es ist unanständig, dass Sie das hier ins falsche Licht rücken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es gibt aber auch Erfreuliches zur Handelspolitik; denn im Sommer wurde das Abkommen zwischen der EU und Neuseeland ratifiziert. Das ist das erste Mal, dass wir bei Verstößen eines Vertragspartners – und das schließt uns ja auch ein – gegen das Pariser Abkommen, gegen Arbeitsnormen und andere Nachhaltigkeitskapitel sanktionsbewehrt vorgehen können. Und im Übrigen: Neuseeland wollte in dem Abkommen durchaus mehr Nachhaltigkeitsforderungen unterbringen als die EU-Kommission. Das zeigt: Andere Teile der Welt sind sogar noch weiter als wir.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Hat nur leider kaum Einwohner, dieses schöne Land!)
Wenn wir den Rahmen mal ein bisschen größer ziehen: Der geopolitische Rahmen und die Klimakrise erfordern faire, wertebasierte, unter Nachhaltigkeitskriterien ausgelegte Handelspolitik. Das heißt, wir müssen auf Augenhöhe mit unseren Partnern verhandeln, und zwar nicht zulasten der Menschen und nicht zulasten der Natur. Es geht um Diversifizierung. Diverse Handelsketten führen zu mehr Resilienz. Das ist der eigentliche Kernpunkt bei den Handelsbeziehungen. Wir müssen diese ausbauen, um hier unsere Resilienz und Versorgungssicherheit zu stärken.
Wenn wir das machen, dann machen wir das bevorzugt mit Staaten, die eine ähnliche Wertebasis wie wir haben. Das führt nämlich zu besonders stabilen Verhältnissen und dementsprechend auch zu stabilen Handelsbeziehungen. Vertiefte Beziehungen dienen auch der Stärkung der Zusammenarbeit der freien Welt – das ist hier auch noch mal hervorzuheben –, und zwar als Gegenpol zu autoritären Regimen, die sich auch miteinander verbünden. Das ist noch mal ein besonders starkes Argument, gerade mit Wertepartnern Handel zu treiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])
Über den weiteren Antragstext – Sie unterstreichen richtigerweise die Bedeutung von Handelsbeziehungen für unsere Exportwirtschaft – sind wir uns einig. Aber Sie stellen die falsche Forderung, auf Nachhaltigkeitskapitel zu verzichten. Das ist eindimensional und kurzfristig gedacht.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Wir sehen Verbesserungen. Als Beispiel nenne ich Kanada. Wie viele Handelsabkommen wurden eigentlich in Ihrer Regierungszeit ratifiziert? Null! Wir haben hier im Deutschen Bundestag letztes Jahr das Gesetz zur Ratifizierung von CETA verabschiedet, und zwar mit deutlichen Verbesserungen im Investitionsschutz, den wir auf direkte Enteignungen beschränken, und mit Verbesserungen bei den Nachhaltigkeitskapiteln. Im Übrigen wollte Kanada bei den Nachverhandlungen weiter gehen als die EU-Kommission. Auch das zeigt: Andere Teile der Welt sind längst weiter als wir.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen [FDP])
Worum geht es, wenn wir über Nachhaltigkeitskapitel reden? Wir verfolgen einmal das Ziel der regelgebundenen internationalen Ordnung. Wir wollen eine verlässliche und konsistente Politik, ein Verbot für Produkte aus Zwangsarbeit und auch das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Das ist wichtig, und zwar für die Menschen in den Ursprungsregionen, aber genauso für die Firmen, die hier ordentlich arbeiten. Die sind nämlich durch Firmen bedroht, die sich nicht an die Regeln halten. Deswegen ist dieses Gesetz so wichtig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Kurzum: Es geht darum, ein Level Playing Field zu etablieren, damit unsere Unternehmen, die hier sauber und ordentlich arbeiten, nicht mit Dumping konfrontiert werden.
Jetzt noch mal zu den Sektorleitlinien für die Exportkreditgarantien; Herr Spahn und Frau Klöckner hatten das hier angesprochen. Franziska Brantner hat im Ausschuss darauf hingewiesen – Frau Klöckner, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass im Saldo mehr gefördert und abgesichert wird –, dass etwa 17 Prozent der Geschäfte, die in den letzten 18 Monaten getätigt wurden, mehr Förderung bekommen hätten, weil es um besonders klimaneutrale Technologien ging. Für 80 Prozent hätte sich gar nichts geändert hat; da bleibt einfach alles so, wie es ist. Und nur für 3 Prozent, für fünf fossile Projekte, hätte es keine Exportkreditabsicherung gegeben. Herr Spahn, Sie haben beim Kongress des Verbandes des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus Fake News verbreitet und behauptet, es werde alles schlimmer werden, man könne keine Maschinen mehr exportieren, weil die Exportabsicherung wegfalle. Das ist schlichtweg falsch. Für 80 Prozent bleibt alles gleich, für 17 Prozent wird es besser. Nur die Fossilen werden durch internationale Verpflichtungen ausgebremst, und zwar zu Recht.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir können ja gucken in einem halben Jahr, was Sie angerichtet haben!)
Die Bundesregierung hat sich mit der Glasgow-Erklärung verpflichtet, Exportsubventionen für fossile Technologien einzustellen. Das ist schlichtweg die Umsetzung von internationalen Verpflichtungen.
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr macht den Laden hier echt kaputt!)
Jetzt noch mal etwas ganz Grundsätzliches, weil hier oft ein Widerspruch zwischen Werten und Interessen aufgemacht wird: Werte sind Interessen. Zu unseren Interessen gehört, die Exporte des Maschinenbaus und anderer Industriezweige zu stärken, Märkte zu sichern und saubere Rohstoffe zu importieren. Es gehört aber auch zu unseren Interessen, Werte wie Menschenrechte, Arbeitsnormen und gesunde Umwelt global zu etablieren, allein schon aus Verantwortung für die Menschen in der Welt, aber – im Umkehrschluss – auch für uns. Wir wollen unsere Menschen, die hier arbeiten, unsere Arbeitnehmer/-innen, vor Sozial- und Umweltdumping in aller Welt schützen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Manfred Todtenhausen [FDP] und Pascal Meiser [DIE LINKE])
Demokratie und stabile soziale Verhältnisse in unseren Partnerländern sind natürlich per se wichtig. Sie sind aber auch – im Umkehrschluss – für uns wichtig, um stabile und verlässliche Handelspartner zu haben. Das zeigt ganz klar: Werte sind Interessen. Wir müssen mehrdimensional und dürfen nicht wie Sie, liebe Union, nur in Exportkategorien denken.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Da klatscht ja nicht mal die eigene Fraktion!)
Ich komme zum Schluss.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, besser ist!)
Es geht darum, moderne Handelsabkommen abzuschließen, wie wir es mit Neuseeland gemacht haben; denn sie bieten erhebliche Chancen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, Export, sauberen Rohstoffen, Diversifizierung, der resilienten Gestaltung von Lieferketten und auch beim Umweltschutz. Sie sind ein zentrales Element, um unsere eigene Wirtschaft weiterzuentwickeln, nachhaltig, klimaneutral und stark. So sichern wir die Lebensgrundlagen und die wirtschaftlichen Wohlstandsteilhabemöglichkeiten für die Zukunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Präsidentin Bärbel Bas:
Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Die Linke Pascal Meiser.
(Beifall bei der LINKEN)