Rede von Claudia Müller Handwerk stärken

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12.12.2019

Claudia Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gemeinsamen Ziele sind uns klar: Stärkung des Handwerks, Aufwertung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, Sicherung von Fachkräften. Hier herrscht Einigkeit. Ich gehe davon aus, dass wir uns auch darin einig sind, dass mit dieser Novellierung der Handwerksordnung und der Rückführung von zwölf Berufen in die Anlage A nicht die Antwort auf all diese Probleme gegeben wird. Aber diese Novellierung und die Rückführung sind gewünscht. Die Gefahrengeneigtheit bei den zwölf gewählten Berufen ist durchaus vorhanden, und die Rückführung ist daher in einigen Punkten durchaus sinnvoll.

Aber es bleiben weiterhin Hürden bestehen, und teilweise werden sogar neue aufgebaut. Der Zugang zur Meisterausbildung ist weiterhin nicht barrierefrei. Er ist weiterhin mit hohen Kosten verbunden: pro Prüfung und Prüfling im Durchschnitt 6 600 Euro, dazu der Zeitaufwand von durchschnittlich 1 445 Stunden; das entspricht 180 vollen Arbeitstagen. Zur Stärkung der Meisterausbildung wäre es daher sinnvoller gewesen, erst einmal die gebührenfreie Meisterausbildung – das umfasst die Meisterprüfung und Vorbereitung darauf – einzuführen. Denn das wäre eine echte Gleichbehandlung von Studium und beruflicher Aus- und Weiterbildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das würde allen Gewerken, ob mit oder ohne Meisterpflicht, helfen. Denn Meisterinnen und Meister fehlen an allen Ecken und Enden.

Ich möchte zu den Punkten kommen, die ich tatsächlich ernsthaft an dieser Novelle kritisiere. Erst einmal grundsätzlich zur Methodik: Basierend auf freiwilligen Informationen von interessierten Verbänden, haben Sie die Entscheidung zur Wiedereinführung der Meisterpflicht getroffen. Das heißt, Gewerke aus der Anlage B1, die kein Interesse daran hatten, wurden erst gar nicht bewertet. Ich finde das vom Grundansatz her schwierig. Sie machen Politik nach dem Motto „Vorschriften nur für die, die Lust darauf haben, und für alle anderen nicht“. Das kann eigentlich nicht unser Ansatz sein. Wenn eine Prüfung erfolgt, dann muss sie für alle gleich erfolgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Aspekt, der als Motivation für die Novellierung genannt wird, ist der Fachkräftemangel; auch Herr Altmaier hat das wieder genannt. Der Grund dafür ist ebenfalls benannt worden: die starke Abwanderung aus dem Handwerk hin in die Industrie und in andere Bereiche. Ja, einer der Hauptgründe ist weiterhin das niedrigere Lohnniveau. Um hier einen echten Schritt nach vorne zu gehen, brauchen wir die Stärkung der Tarifbindung im Handwerk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das hat selbst Frau Dr. Merkel jüngst betont. Allgemeinverbindliche Tarifverträge können dazu beitragen, Dumpingpreise und unfairen Wettbewerb im Handwerk zu verhindern. Der Hinweis auf eine weitere Novelle ist schön, aber wir hätten diese Frage schon mit dieser Novelle angehen sollen und können. Wir haben hier mehrfach Änderungen vorgeschlagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen weiteren Sachverhalt, den ich wirklich für problematisch halte – Herr Todtenhausen hat ihn schon angesprochen –: Wir haben Bestandsschutz für die Betriebe ohne Meister in den zwölf jetzt betroffenen Gewerken. Wenn diese aber jetzt eine Gesellschafterin hinzunehmen, erlischt dieser Bestandsschutz. Wir haben eine Übergangsfrist von sechs Monaten. Sechs Monate können in vielen Fällen zu wenig sein. Denn wenn ich jetzt ungeplanterweise einen Betrieb abgeben muss – das kann aus den verschiedensten Gründen der Fall sein –, finde ich am Markt aktuell nicht die Meisterin oder den Meister, die oder der diesen Betrieb übernehmen kann. Das heißt, ich habe hier ein echtes Risiko für möglicherweise gut gehende Betriebe, dass diese aus der Handwerksrolle gelöscht werden und möglicherweise Arbeitsplätze und Fachkräfte verloren gehen.

Deswegen haben wir hier eine deutlich längere Übergangsfrist von bis zu fünf Jahren gefordert. Sie werden fragen: Wieso so lange? Ja, es muss möglich sein, die Meisterausbildung in Teilzeit neben der Betriebsführung zu machen. Auch Mutterschutz und Elternzeit sollten als mögliche Faktoren eingerechnet werden. Denn wenn wir junge Menschen für das Handwerk gewinnen wollen, und ja, wenn wir Frauen für das Handwerk gewinnen wollen, dann müssen wir diese Aspekte bei allen Punkten mitdenken. Das wird hier nicht getan. Wir brauchen diese längere Übergangsfrist. Denn wir möchten wirklich allen die Möglichkeit geben, diese Ausbildung zu machen, um diese Qualifikation zu erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen bitte ich Sie, unserem Änderungsantrag zu diesem Punkt zuzustimmen. Das schiebt die Novellierung ja nicht hinaus, sondern die Änderung würde die Novellierung in diesem Punkt verbessern. Es würde einen besseren Bestandsschutz für die Betriebe bedeuten, die am Markt sind; denn wir können es uns aktuell nicht leisten, gute Handwerksbetriebe zu verlieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Noch ein Satz zu dem Punkt, den Sie Evaluation nennen. Evaluation ist gut und wichtig, aber eine einmalige Evaluation nach fünf Jahren ist uns zu wenig. Und nein, eine Beantwortung von Anfragen zählen wir nicht als Evaluation. Auch hier fordern wir ganz klar: früher und regelmäßig und in allen Gewerken. Das muss uns das Handwerk wert sein. Wir müssen dauerhaft darauf schauen und frühzeitig erkennen, wo wir nachsteuern müssen. Deswegen brauchen wir eine regelmäßige und eine frühzeitige Evaluation. Eine Zustimmung zu unserem Änderungsantrag würde keine Verschiebung der Novellierung nach sich ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss will ich dann doch noch versöhnlich werden, es ist ja Vorweihnachtszeit. Es ist gut, dass wir uns hier im Bundestag so intensiv mit dem Handwerk auseinandersetzen, und es ist gut, dass diese Novellierung nicht den Schlusspunkt dieser Auseinandersetzung darstellt. Denn um das Handwerk zu stärken, müssen wir in die Zukunft blicken und dürfen nicht an einer scheinbar glorreichen Vergangenheit festhalten. Um den Fachkräftemangel wirklich anzugehen, brauchen wir Investitionen in Bildung und Weiterbildung, eine echte Gleichwertigkeit von akademischer und betrieblicher Ausbildung und attraktive Bedingungen für die heutigen und auch für die zukünftigen Beschäftigten.

Wir werden uns heute bei der Abstimmung über die Novelle enthalten; denn es gibt, wie gesagt, noch Punkte, an denen wir noch deutliche Kritik üben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Jens Koeppen für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)