Rede von Tabea Rößner Haushalt 2018: Justiz und Verbraucherschutz

17.05.2018

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Ministerin! In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, wir befänden „uns … in der Situation ‚David gegen Goliath’ – die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer gegen die geballte Wirtschaftsmacht“. Deswegen bräuchte es „den Rechtsstaat und den Verbraucherschutz, um das Machtgefälle auszugleichen“.

Aber wo sind denn nun die wichtigen Projekte in Ihrem Haushalt? Andere Ressorts haben bereits Schwerpunkte gesetzt und aufgestockt; aber Ihre Handschrift kann ich nicht erkennen. Das ist nicht nur bedauerlich, das ist angesichts immer neuer, teils aggressivster Geschäftspraktiken, gerade im Internet, geradezu fahrlässig.

Ihre Versprechen im Koalitionsvertrag sind eine Neuauflage von Vorhaben, die in der letzten Legislatur verschludert wurden. Einzig die Musterfeststellungsklage bringen Sie jetzt auf den Weg – viel zu spät. Und dann kürzen Sie den Verbraucherschutzorganisationen auch noch das Geld -ausgerechnet dem vzbv, der die Klage für die betrogenen Dieselhalter jetzt auf den Weg bringen muss. Das müssen Sie mir erst einmal erklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne ein anderes Beispiel: explodierende Mieten. Seit Monaten reden Sie davon, die Mietpreisbremse nachschärfen zu wollen. Konkrete Vorschläge: keine. Nicht einmal eine Infokampagne, die Mieter über ihre Rechte aufklärt, ist in Ihrem Haushalt vorgesehen. Und wo bleiben Ihre Initiativen, um Verbraucher gegen Abzocke im Bereich Inkasso oder vor unerlaubter Telefonwerbung zu schützen?

Eine weitere Leerstelle gibt es beim nachhaltigen Konsum. Da setzen Sie die erfolglose Politik der Runden Tische und der Eigenverantwortung der Wirtschaft fort. Das nützt den Verbrauchern nicht, und das nützt der Umwelt bzw. den Textilarbeiterinnen in Bangladesch schon gar nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der digitale Verbraucherschutz ist das Riesenthema, das ganz oben auf der Agenda stehen muss. In einer zunehmend digitalen Welt, in der unser Informations- und Konsumverhalten immer mehr durch Algorithmen bestimmt wird und Daten zur Währung werden, müssen die Rechte von Verbrauchern deutlich gestärkt werden. Sicher, es gibt lobenswerte Ansätze, mit denen Sie Hersteller intelligenter Haushaltsgeräte zu mehr Datenschutz verpflichten wollen; aber es braucht eben mehr: Transparenz, Interoperabilität und eine gestärkte Aufsicht. Das alles muss jetzt dringend angegangen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen wurde der Datenschutz jahrelang ausgebremst, die Vorratsdatenspeicherung – das wurde bereits erwähnt – eingeführt und weder gegen Sicherheitslücken noch gegen Scoring oder Tracking vorgegangen. Auch die Äußerungen der Kanzlerin zu Dateneigentum oder zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung bereiten mir da eher Sorgen. In Brüssel blockierten Sie die E-Privacy-Verordnung. Dabei wäre das doch ein scharfes Schwert gegen die Goliaths dieser Welt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Fall Cambridge Analytica hat gezeigt, wohin es führt, wenn man Internetkonzernen einfach so freien Lauf lässt. Missbrauch und Manipulation müssen verhindert werden, insbesondere bei der politischen Meinungsbildung. Das rührt nämlich an den Grundfesten unserer Demokratie. Und da hilft übrigens auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Es wurden bereits zahlreiche Beiträge unrechtmäßig gelöscht. Wir brauchen daher eine Überarbeitung, vor allem brauchen wir das Recht auf Wiedereinstellung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Datenskandal haben Sie sich, Frau Ministerin, enttäuscht gezeigt, dass Facebook die Datenschutz-Grundverordnung nun doch nicht weltweit anwenden will. Das darf Sie doch nicht wirklich verwundern. Das Einzige, was profitorientierte Konzerne wie Facebook in die Schranken weist, ist sicher nicht ein nettes Kaffeekränzchen, sondern knallharte Regulierung. Hier hat die Bundesregierung bisher leider total versagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich würde mich ja freuen, wenn Sie es anders machen würden als Ihre Vorgänger und Verbraucherrechte wirklich stärken würden. Das braucht Kreativität und Mut. Nur so kann David Goliath auch tatsächlich in die Knie zwingen. Daher gebe ich Ihnen gerne den Rat Hegels mit auf den Weg: „Die Wahrheit einer Absicht ist die Tat.“

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)