Rede von Markus Tressel Haushalt 2019: Ernährung und Landwirtschaft

20.11.2018

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Geld für unsere ländlichen Räume, und es gibt es doch nicht. Das ist die Botschaft, die dieser Haushalt aussendet. Neben den Mitteln für BULE sind im Haushalt 150 Millionen Euro im Sonderrahmenplan eingestellt worden. Das ist ein klitzekleiner Anfang, Herr Haase; das ist aber kein großer Wurf. Wenn man sich anschaut, wofür Sie in diesem Haushalt viel größere Summen ausgeben: Hier hätte man für die Menschen in den ländlichen Räumen ein Zeichen setzen können, und zwar am besten ein Ausrufezeichen. Das haben Sie mit diesem Haushalt verpasst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch dazu ist unklar, Herr Staatssekretär, wofür genau Sie das Geld ausgeben. Das hat uns die Ministerin auch auf hartnäckiges Nachfragen immer noch nicht so richtig verraten können. Die Frage ist vor allem: Wird das Geld sein Ziel, also die ländlichen Räume, überhaupt erreichen – ohne Grundgesetzänderung und ohne Öffnung der GAK? Die hat die Koalition schon 2013 versprochen. 2018 haben Sie es wieder in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Wie es jetzt aussieht, werden Sie es in diesem Jahr wieder nicht klären können. Ich habe den Eindruck: Sie wissen aktuell scheinbar überhaupt nicht, wie Sie sinnvoll fördern sollen und können. Wichtig wäre es jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich bei Problemen, mit denen die Menschen vor Ort tagtäglich konfrontiert sind, zeitnah etwas verbessert.

Nehmen Sie beispielsweise das regionale Lebensmittelhandwerk. Was ist denn mit den Bäckereien und Fleischereien, die dort, wo es sie überhaupt noch gibt, oft die letzte Nahversorgungsquelle im Dorf sind? Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Diese Entwicklung ist dramatisch, nicht nur für die Nahversorgung. Wenn sich an den unverhältnismäßig hohen bürokratischen Belastungen nichts ändert, dann wird es dieses Lebensmittelhandwerk bald nicht mehr geben, und das wäre fatal; denn die Innovationskraft und das Know-how der handwerklich tätigen Betriebe im Lebensmittelbereich sind wichtig für einen Wandel in der Land- und Ernährungswirtschaft, und sie sind auch wichtig für den Erhalt der Lebensqualität vor Ort. Da erkenne ich Ihr Bemühen beim besten Willen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, zu Ihrer Land-Milliarde – Sie haben sich ja nur sehr knapp geäußert zum Thema „ländlicher Raum“ –: Wenn man genau hinguckt, sieht man: Das ist ja gar keine ganze Milliarde über die komplette Wahlperiode. Das ist vielleicht ein Anfang, aber es ist auch nicht mehr. Und das alleine wird uns nicht wirklich weiterbringen, zumal das Geld ja in der Form, wie es heute da ist, oft auch nicht abgerufen wird. Was wir da brauchen, ist ein Umbau – Stichwort: GAK-Öffnung – und vor allem eine Vereinfachung der Förderlandschaft. Kollegin Tackmann hat es ja angesprochen: Das Geld muss dort ankommen, wo es wirklich gebraucht wird. Davon sind wir heute noch ein ganzes Stück weit entfernt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ländlichen Räume sind divers und haben unterschiedliche Problemlagen. Sie haben jetzt eine Kommission eingerichtet, was wir ausdrücklich begrüßen. Da gibt es, in die Zukunft gerichtet, viel zu diskutieren. Trotzdem sind aber die Probleme doch lange bekannt, und konkrete Lösungsansätze wären auch ohne Kommission, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon längst greifbar gewesen. Deswegen darf man jetzt an dieser Stelle nicht auf die Kommission warten. Wir verlieren weiter wertvolle Zeit.

Um Lebensqualität auf einem gleichwertigen Niveau sicherzustellen, brauchen wir zeitgemäße Konzepte auch für Arbeit im ländlichen Raum. Wir brauchen gute Pflege und die Möglichkeit, sich auch wohnortnah mit dem Nötigsten zu versorgen. Wir brauchen Angebote für Familien mit Kindern und Mobilitätskonzepte für die ländlichen Räume, kurz: Wir brauchen einen Dreiklang aus einer „Willkommen zurück!“-Kultur, aus Familienfreundlichkeit und Lebensqualität. Das wuppen Sie nicht in diesem Tempo, mit dem Sie unterwegs sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir sehen, dass die Menschen oft ehrenamtlich vorangehen, wenn es darum geht, den ländlichen Raum zu erhalten, dann müssen wir auch diesen Menschen helfen. Wir dürfen sie nicht alleinlassen. Die fühlen sich aber mit dem hochkomplexen Fördersystem, das wir heute haben, oft alleingelassen. Wenn wir tragfähige Strukturen gerade auch im Bereich der Grundversorgung aufbauen wollen, dann muss es eine entsprechende Unterstützung geben, die gut zugänglich ist. Wir brauchen mehr als Projektförderung in diesem Bereich. Wir müssen Schluss machen mit der Projektitis, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wollen wir auch einen Teil der im Sonderrahmenplan neu eingestellten Mittel für den Aufbau einer dritten Gemeinschaftsaufgabe zur regionalen Daseinsvorsorge nutzen, also für ein gezieltes Unterstützungsangebot an die Länder und Kommunen, die Grundversorgung in strukturschwachen ländlichen Räumen langfristig zu sichern. Das wäre ein Fortschritt, aber – das muss man deutlich sagen – Sie reden bisher nur. Das ist außerordentlich bedauerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage auch das ganz deutlich – die Ministerin ist heute nicht da –: Die Hoffnung war ja groß bei dem einen oder anderen, die Enttäuschung wird es am Ende auch sein. Wenn Ihnen die ländlichen Räume wirklich so wichtig sind, wie Sie immer sagen, dann lassen Sie Ihren Worten jetzt Taten folgen, und zwar nachvollziehbar, auch ordentlich ausgestattet; denn sonst bleibt auch in diesem Haushalt wieder einmal nur die Botschaft, dass Sie den Menschen etwas versprechen, das Sie nachher nicht zu liefern bereit sind. Und das kann kein Mensch in dieser Situation gebrauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)