Rede von Stefan Gelbhaar Haushalt 2019: Verkehr und digitale Infrastruktur

20.11.2018

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Was genau macht einen guten Verkehrsminister aus? Das Grundwort „Minister“ bedeutet nichts anderes als „Diener“. So stellt sich die Frage: Wem dienen Sie, Herr Scheuer? Wem dienen Sie mit diesem Haushalt?

(Beifall der Abg. Ingrid Remmers [DIE LINKE])

Was Sie verkünden, ist das eine. Aber Haushalt ist Wahrheit. Dienen Sie den Menschen, die gute Luft zum Atmen brauchen? Abgase verursachen erhebliche Gesundheitsschäden. Ihre Reaktion: mehr Geld für die Straßen. Sie erzählen immer etwas anderes; aber de facto haben Sie die Mittel für den Straßenbau gegenüber 2013 vervierfacht – vervierfacht! Das ist purer Straßenbauwahnsinn, und das muss man auch so benennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marianne Schieder [SPD]: Sagen Sie den Leuten, was Sie vor Ort streichen wollen!)

Dienen Sie den Menschen, die auf der Straße sicher sein wollen? Schon der Autoverkehr verursacht jährlich über 200 000 Unfälle. Ihre Reaktion: ganze 5 Millionen Euro für Abbiegeassistenten. Das reicht nicht mal für 3 000 Lkw. Wo ist Ihre Strategie für sichere Kreuzungen, für sichere Straßen? Wir fordern 150 Millionen Euro. Von Ihnen kommt da nichts. Da müssen Sie ran, Herr Scheuer!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Scheuer, Sie könnten als Verkehrsminister in die Geschichte eingehen – aber nicht mit Autos; denn das konnte bisher jeder Verkehrsminister. Legen Sie ein Bundesmobilitätsgesetz vor, mit einem Fahrradteil, mit einem Fußgängerteil, mit neuen Regelungen für Bus, Bahn und, ja, auch für Autos, mit Vorrang für die Verletzlichsten im Verkehr, mit Angeboten für alle! Halten Sie nicht nur Sonntagsreden für null Verkehrstote, sondern nehmen Sie das Ziel „Vision Zero“ ins Gesetz auf und handeln Sie sofort danach!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Scheuer, dienen Sie den Menschen, die sich frei und leicht bewegen wollen! Wo sind die Angebote für sicheres Radeln? Wo sind die Regeln für E-Tretroller? Wo sind die Abkürzungen und Brücken für die Menschen, die zu Fuß unterwegs sind? Wo sind die Experimentierräume für die neuen Mobilitätsdienstleistungen? Konkret: Wo bleiben die seit einem Jahr versprochenen Millionen für den Radverkehr? Sie sagen: Da kommen jetzt 20 Millionen Euro mehr. Aber wo sind eigentlich die 25 Millionen Euro für die Radschnellwege aus dem Jahr 2017 hin? Die haben Sie einfach unterschlagen, sie sind weggekürzt.

(Gero Storjohann [CDU/CSU]: Die sind doch immer noch da!)

– Nein, für 2017 haben Sie die weggekürzt.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Bitte? Das stimmt überhaupt nicht!)

Das bedeutet im Klartext: 5 Millionen Euro weniger für den Radverkehr im Jahr 2019. Das ist haushaltswahr, und das ist eine Kürzung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Stimmt doch gar nicht! Haben wir doch fortgeschrieben!)

Kann sich jemand an frühere Verkehrsminister erinnern?

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Ich erinnere mich ab und zu an Günther Krause und Matthias Wissmann. Der eine besetzt inzwischen Einfamilienhäuser – völlig irre –, und der andere ist jetzt Ex-Cheflobbyist der Autoindustrie.

(Bernd Reuther [FDP]: Unfassbar!)

Wussten Sie, dass der zusammen mit Ihrem Staatssekretär Bilger in einem CDU-Ortsverein beim Bierchen sitzt?

(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Was?)

– Ah, er lächelt; Herr Bilger, er weiß das, okay.

(Sören Bartol [SPD]: Man darf doch mal ein Bierchen mit Leuten trinken!)

Die wollen jetzt zusammen der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit entziehen. Das ist die Methode Orban. Da frage ich noch mal: Wem dienen Sie nun, Herr Scheuer, wem dienen Sie?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich weiß, Herr Scheuer, Sie wären lieber Wirtschaftsminister, Buddy der Autobosse. Aber, Herr Scheuer, Sie sind nun mal Verkehrsminister. Und Sie haben meiner Auffassung nach das beste Amt in dieser Regierung: Sie können gestalten, und alle könnten das sehen.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ihre Rede würde auch als Trump-Rede durchgehen!)

Sie könnten zeigen, wie der Verkehr der Zukunft aussieht: frei und sicher, gesund und schnell, digital und ökologisch. Herr Scheuer, beginnen Sie endlich, dienen Sie endlich, fangen Sie endlich an, Verkehrsminister zu sein! Verstehen Sie Ihre Rolle! Wir brauchen keine zwei Wirtschaftsminister. Aber ein Verkehrsminister, das wäre schon mal was.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ha, ha, ha!)