Rede von Maria Klein-Schmeink Haushalt 2020: Gesundheit

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13.09.2019

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister, Sie haben gerade zu Recht etwas Wichtiges angesprochen. Es gibt in der Tat eine Vertrauenskrise hinsichtlich der Versorgungssicherheit bei Gesundheit und Pflege in Deutschland; das ist ganz deutlich zu spüren. Ganz deutlich sehen wir auch, dass die Menschen Ängste haben, ob tatsächlich in allen Regionen gewährleistet ist, dass sie Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung haben, ob gewährleistet ist, dass tatsächlich Pflegekräfte zu ihnen nach Hause kommen, und ob gewährleistet ist, dass das schwerstbehinderte Kind mithilfe eines häuslichen Krankenpflegedienstes tatsächlich zu Hause versorgt werden kann.

All diese Sorgen haben wir, und wir haben sie nach 15 Jahren CDU-geführter Regierung; das muss man ganz klar sagen. Wir haben sie, obwohl wir hier in eineinhalb Jahren bereits sieben Gesetzesvorhaben mit sehr umfangreichen Veränderungen beschlossen haben, und wir haben sie in einer Situation, in der wir draußen einen massiven Fachkräftemangel im Gesundheitswesen erleben, der sich gewaschen hat und von dem wir wissen, dass wir erst den Anfang erleben. All das zeigt: Es geht darum, Vertrauen wieder zurückzugewinnen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und tragfähige Lösungen vorzulegen, die zeigen, dass wir es wirklich schaffen, diese grundlegenden Probleme zu lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und da sage ich: Hier reicht es nicht, ein Feuerwerk von vielen Gesetzen zu zünden,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wenn diese Gesetze immer wieder nur mehr vom Gleichen

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und eben nicht die grundlegend neuen Strukturen schaffen, die wir brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne mal ein Beispiel: Bei der Versorgung von älteren und schwerstbehinderten Menschen gibt es einen komplexen Versorgungsbedarf vor Ort. Dabei geht es nicht nur darum, dem Facharzt einen zusätzlichen EBM zu geben, sondern auch darum, in tragfähige Versorgungsnetze zu investieren, die vor Ort wirksam und kooperativ die Versorgung sicherstellen. Darum muss es gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich das hinkriegen will, dann muss ich Anfangsinvestitionen tätigen und schauen, dass ich die Digitalisierung genau dafür tatsächlich nutzen kann. Ich muss dafür sorgen, dass es so etwas wie Netzwerkbildung gibt, die dann auch finanziert, bezahlt und begleitet wird, und ich muss dafür sorgen, dass in unserem Regelwerk, in unseren Kollektivverträgen, die Möglichkeit geschaffen wird, all diese neuen Versorgungsformen tatsächlich abzubilden. Herr Minister, hier muss ich sagen: Da sind Sie nach eineinhalb Jahren Gesetzgebung und auch mit den geplanten Gesetzen noch lange nicht. Das halte ich für einen sehr großen Fehler,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil: Wer jetzt nicht in die Versorgung von morgen investiert, der wird den Versorgungsnöten hinterherlaufen und es nicht schaffen, genau das zu tun, was Sie vorhin zu Recht angemahnt haben, nämlich Vertrauen in die Versorgungssicherheit.

Vertrauen in die Versorgungssicherheit können wir nur wiedererlangen, wenn wir das tatsächlich zu einem starken Thema machen. Nachdem Sie eine Kommission gebildet haben, die Vorschläge gemacht hat, um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Regionen sicherzustellen, bei all den vorgeschlagenen Maßnahmen aber Pflege und Gesundheit nicht einmal vorkommen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

frage ich mich: Wie wollen Sie dieses Vertrauen eigentlich zurückgewinnen? Wie wollen Sie das schaffen, wenn Sie die Dinge nicht in die Hand nehmen?

Zweites Thema. Wir sehen, dass wir einen massiven Pflegenotstand, aber auch einen Fachkräftenotstand in allen Gesundheitsberufen haben. Auch da sind wir gefordert, nicht nur eine leichte Anpassung und Modernisierung der Berufsgesetze vorzunehmen, sondern tatsächlich in Deutschland einen Perspektivwechsel hinzubekommen, indem wir von dem rein auf Ärzte zentrierten Gesundheitswesen wegkommen, indem wir dahin kommen, alle Gesundheitsberufe mit ihrem Kompetenzprofil in die Versorgung einzubeziehen. Das ist die Aufgabe, die wir vor uns haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich sehe, wie mühselig die Schritte bei der Hebammenausbildung gegangen werden, wenn ich sehe, wie mühselig die Schritte bei der Psychotherapieausbildung gegangen werden,

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Demokratie ist halt manchmal mühselig, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt!)

und wenn ich höre, dass Sie der Akademisierung bei den therapeutischen Gesundheitsberufen eine Absage erteilt haben, dann glaube ich: Sie haben die eigentliche Herausforderung, die sich in diesen Bereichen ergibt, noch nicht verstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne: Es geht darum, solide anzupacken, Vertrauen zurückzugewinnen, aber auch den Mut für entscheidende Reformen zu haben. Und der fehlt.