Rede von Dr. Tobias Lindner Haushalt 2021 - Einzelplan Ernährung und Landwirtschaft

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

08.12.2020

Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, an Herausforderungen hat es im Bereich „Ernährung und Landwirtschaft“ in den letzten drei Jahren dieser Legislaturperiode wahrlich nicht gemangelt. Da können wir über das Bienensterben, über drei Dürresommer, über das Tierwohl, über den Verbraucherschutz, über gesunde Ernährung und über Schulernährung sprechen.

Frau Ministerin Klöckner, wenn man in Ihren Haushaltsplan hineinschaut, dann finden sich diese Begriffe teilweise durchaus auch als Überschriften von Kapiteln oder Titeln wieder. Wenn man sich aber die Frage stellt: „Sind das denn wirklich Antworten auf diese Herausforderungen?“ – es wäre gerade jetzt, in dieser Situation, Zeit für Antworten –, dann muss man sagen: Sie geben mit diesem Haushaltsplan keine oder nur sehr kleine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in der Debatte schon angesprochen worden: Ihr Ministerium ist bei einer Sache, nämlich beim schlechten Abfluss der Haushaltsmittel, fast Spitzenreiter. Man könnte auch sagen: In diesem Haushaltsplan tauchen große Zahlen auf, aber wenn man sich dann anschaut, wer das Geld tatsächlich verwendet und für was es verwendet wird – das Stichwort „GAK“ ist an dieser Stelle schon gefallen –, dann sieht es durchaus dürftig und überschaubar aus.

An anderer Stelle, beim Thema Ernährung, setzen Sie auf das Prinzip Freiwilligkeit. Es ist gut, dass wir jetzt mit dem Nutri-Score eine Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln haben, die rechtssicher verwendet werden kann, aber Sie bleiben bei der Selbstverpflichtung. Sie bleiben beim Prinzip Freiwilligkeit für Unternehmen, die Produkte anbieten, die eben nicht gut für die Gesundheit sind und von denen man nicht zu viel essen sollte. Gerade über diese bräuchten die Verbraucherinnen und Verbraucher aber Informationen an der Ladentheke, um wirklich eine transparente und auch selbstbewusste Entscheidung treffen zu können. Ich sage Ihnen eines: Eine freiwillige Basis beim Thema „Nährwertampel für Lebensmittel“ öffnet dem Missbrauch und der Umgehung Tür und Tor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir über das Tierwohllabel sprechen, dann erinnert mich das ein bisschen an „Dinner for One“. Jedes Jahr in dieser Legislaturperiode diskutieren wir in den Haushaltsberatungen das Thema Tierwohllabel. Ich kenne niemanden hier im Haus, der ein solches Label schlecht findet; alle finden das irgendwie gut. Aber ganz im Ernst: Wann kommt es denn nun endlich? Und auch hier wieder: Eine freiwillige Basis an dieser Stelle wird Produzenten, die unter schlechten Haltungsbedingungen produzieren, natürlich die Möglichkeit für eine Umgehung eröffnen. Das kann nicht Sinn und Zweck eines Tierwohllabels sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Einzige, was wir feststellen können, wenn wir uns das Label anschauen, ist, dass bereits 50 Millionen Euro Steuergelder verausgabt worden sind – für eine Sache, von der ich gespannt bin, wie oft wir noch darüber reden.

Am Ende des Tages kommt dann immer das liebe Argument: Es muss EU-rechtskonform sein. – Ja, natürlich muss es EU-rechtskonform sein. Nur, die Bundesregierung hätte jetzt, während der Ratspräsidentschaft, erstens einige Monate Zeit gehabt, sich dafür einzusetzen, und zweitens: Wenn man kreativ an die Sache herangeht, das diskriminierungsfrei gestaltet und die niedrigste gesetzlich erlaubte Stufe der Haltung durch so ein Label abbildet, dann kann man das sehr wohl EU-rechtskonform umsetzen. Wo ein Wille ist, ist an dieser Stelle auch ein rechtskonformer Weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ja nicht nur schimpfen, sondern zumindest zwei Themen nennen, die Sie aufgegriffen haben, die wir Grüne auch seit Jahren fordern.

Sie haben jetzt in diesem Haushaltsplan ein Stallumbauprogramm drin. Das ist erst einmal eine gute Idee. Wenn wir von Bäuerinnen und Bauern erwarten, dass unter besseren Haltungsbedingungen produziert wird, dann brauchen wir am Ende des Tages natürlich auch Unterstützung, dann brauchen wir Mittel dafür. Dagegen habe ich nichts; das haben wir Grüne seit Jahren gefordert.

Die Mittel dafür sollten ursprünglich nur für ein Jahr bereitstehen. Sieht man nun in Ihren Haushaltsplan, dann stellt man fest, dass Sie das dankenswerterweise so umgebaut haben, dass das für zwei Jahre zur Verfügung steht. Für den Umbau eines Stalles braucht man eine Finanzierung und auch Baufirmen. Jeder von uns, der das Baurecht und die Genehmigungsdauern kennt, wird, wie ich, große Zweifel daran haben, dass diese Herkulesaufgabe in zwei Jahren wirklich zu bewältigen ist. An dieser Stelle springen Sie, ehrlich gesagt, mit diesem Stallumbauprogramm zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gleiche lässt sich zum Konjunkturpaket Wald auch sagen. Auch hier bräuchte man eine Mehrjährigkeit. Probleme, die über Jahre hinweg beim Wald aufgewachsen sind, wird man nicht in ein oder zwei Jahren lösen können.

Insgesamt kann man über diesen Haushalt sagen: Er mag nette Überschriften enthalten, aber Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet er nicht.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Tobias Lindner. – Nächste Rednerin für die Bundesregierung: Ministerin Julia Klöckner.

(Beifall bei der CDU/CSU)