Rede von Beate Walter-Rosenheimer Haushalt 2021 - Einzelplan Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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10.12.2020

Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Mit einem neuen Bundeshaushalt lassen sich wichtige Impulse setzen für die kommenden Jahre. Wir haben bereits bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass genau diese neuen Impulse fehlen, zumindest was die Jugendpolitik angeht.

Frau Ministerin Giffey, Sie betreiben Flickschusterei, wo langfristige und wirkungsvolle Strategien nötig wären, gerade jetzt in der aktuellen Krise. Was Jugendpolitik angeht, gab es von Ihnen die ganze Wahlperiode über große Ankündigungen, aber leider haben Sie wenig Konkretes getan. Im Grunde haben Sie sich jugendpolitisch einen schlanken Fuß gemacht, auch jetzt im Haushalt. Gerade die Jugendlichen, die einen höheren Unterstützungsbedarf haben, werden vernachlässigt. Tun Sie doch endlich das Nötige, Frau Ministerin; denn jung sein in Deutschland ist keineswegs nur was für Hochglanzbroschüren; nein, es gibt sehr viele junge Menschen in diesem Land mit wirklich großen Problemen – aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Wir alle befinden uns mitten in der Pandemie, und es ist für uns alle, aber ganz besonders auch für junge Menschen, eine schwere und herausfordernde Zeit. Erst hieß es, Jugendliche seien die Treiber der Pandemie. Es gab ein regelrechtes Jugend-Bashing. Dann hat man festgestellt: Das war nicht richtig. Diese jungen Menschen verhalten sich durchaus verantwortungsvoll und auch in dieser Krise solidarisch. – Aber wo bleibt die Solidarität der zuständigen Ministerin?

Viele fühlen sich – das weiß ich aus Gesprächen, und das wissen wir aus Studien – von der Politik nicht gesehen, nicht gehört, nicht ernst genommen. Das sagen diese Jugendlichen. Hier muss man doch endlich einmal zum Handeln kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Pandemie beschäftigt uns seit März. Es ist so viel Zeit verstrichen und, ehrlich gesagt, auch verschlafen worden. Wo bleiben hier konkrete Konzepte für diese jungen Menschen? Es ist ja auch für Jugendliche eine schwierige Zeit. Praktika, Auslandssemester, Reisen fallen ins Wasser. Vorlesungen und Unterricht sind oft nur digital. Freunde treffen, Partys, Sport, was immer – Fehlanzeige. Es ist keine coole Zeit für junge Menschen. Ihnen wird schon sehr viel abverlangt. Und besorgniserregend ist, dass viele von ihnen – das haben Umfragen ergeben – sich total abgehängt fühlen in dieser Pandemie, abgehängt im Unterricht, aber auch beim Übergang Schule/Beruf. Das betrifft vor allem die jungen Menschen, die nicht über ein finanziell gutgestelltes Elternhaus verfügen, die eben nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Sie wollen wir doch besonders unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen, um zu verdeutlichen, was ich meine.

Wohnungslose Kinder und Jugendliche in unserem Land: Es sind mindestens 37 000. Auf der letzten Bundeskonferenz der Straßenkinder im Mai wurde Ihnen, Frau Giffey, eine Petition übergeben mit fast 11 000 Unterschriften, damit Sie für eine schnelle Soforthilfe im Hinblick auf Unterbringung und Notschlafstellen in der Coronakrise sorgen. Es ist ja schön, dass Sie mehr Geld für diese Onlineberatung gegeben haben. Aber wo sollen diese jungen Menschen schlafen? Sie müssen doch so untergebracht werden, dass sie optimal vor Corona geschützt werden können.

Kinder und Jugendliche mit psychisch kranken Eltern: Auch für sie und ihre Familien ist diese Krise eine totale Herausforderung mit Homeschooling und beengtem Aufeinandersitzen. Das schürt zusätzliche Konflikte. Seit Jahren fordern wir Grünen hier ausreichende Mittel, um die Situation zu verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und was ist geschehen? Wenig. Sie weigern sich jetzt sogar, Geld für die im einstimmigen Bundestagsbeschluss von 2017 geforderte Aufklärungs- und Entstigmatisierungskampagne zur Verfügung zu stellen. Dafür habe ich kein Verständnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie übergehen einfach den Beschluss dieses Hauses.

Die Pandemie darf nicht dazu führen, dass so viele Jugendliche ins Abseits gedrängt werden. Handeln Sie doch endlich, statt nur zu reden. So schwer – und vor allem auch so teuer – ist es ja nicht, diesen jungen Menschen eine ordentliche Zukunftsperspektive zu bieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Vielen Dank, Frau Kollegin, auch dafür, dass Sie die Redezeit exakt eingehalten haben. Vorbild für alle anderen!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Redner ist der Kollege Sönke Rix, SPD.

(Beifall bei der SPD)