Rede von Claudia Roth Haushalt 2022 - Generaldebatte Bundeskanzleramt (Epl. 04)

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01.06.2022

Claudia Roth, Staatsministerin beim Bundeskanzler:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Krieg ist ein Zustand, bei welchem die niedrigsten und lasterhaftesten Menschen Macht und Ruhm erlangen.“ Das sagte Lew Tolstoi. In diesen düsteren Zeiten leben wir. Und so ringen wir um die richtigen Antworten. Unsere Koalition, das Parlament genauso wie die Menschen in unserem Land, wir alle ringen um richtige Antworten; denn genau das zeichnet eine demokratische Politik aus. Wir stellen uns den Aufgaben offen mit all unseren Zweifeln und mit den notwendigen Diskussionen; denn es gibt sie nicht, die einfachen Antworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

In diesen Zeiten haben wir dem Absolutheitsanspruch des Krieges etwas entgegenzusetzen: die demokratische Meinungsbildung und unser Unterscheidungsvermögen. Das ist auch Aufgabe der Kultur- und Medienpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich werde mich in zwei Wochen mit den Medienministerinnen und Medienministern der G 7 treffen. Wir wollen uns zu drei ganz zentralen Punkten verständigen: Was können wir tun, um für das Gesellschaftsmodell der Demokratie zu werben? Was können wir tun, um Propaganda und Desinformation entgegenzutreten? Und was können wir tun, um diejenigen zu schützen, die dem demokratischen Streit und der freien Meinungsbildung verpflichtet sind und genau deswegen aus ihren Herkunftsländern und besonders aus Russland fliehen müssen?

Journalistinnen und Journalisten sind Fachkräfte der Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Deswegen haben wir zusammen mit dem AA ein Programm zu ihrem Schutz aufgelegt und kämpfen mit anderen Ressorts gegen Desinformation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Was wir nicht brauchen, sind Kulturboykotte und die Kulturalisierung von Konflikten. Es ist Putins Krieg und nicht Puschkins Krieg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Die Freiheit von Kunst und Kultur zu verteidigen, das ist grundlegende Aufgabe von Kulturpolitik, und das sage ich auch und gerade mit Blick auf aktuelle Debatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich vier Beispiele benennen, wie wir den kulturellen Zusammenhalt in unserem Land stärken.

Erstens. Wir kümmern uns um die Künstlerinnen und Künstler. Erst vorgestern habe ich mich gemeinsam mit Hubertus Heil mit Kulturschaffenden ausgetauscht. Es geht jetzt um einen konkreten Arbeitsprozess, um ihre soziale Lage zu verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Von der Künstlersozialkasse über Formen der selbstständigen Beschäftigung, von Mindesthonoraren, dem Gender-Pay-Gap bis zur Altersvorsorge. Es ist wichtig, dass das Zukunftsprogramm „Neustart Kultur“ bis Mitte nächsten Jahres fortgesetzt werden kann, wichtig mit Blick auf die weiteren anhaltenden Risiken und Folgen der Coronakrise, mit denen die Kulturszene ja nach wie vor zu kämpfen hat.

Zweitens. Wir wollen eine breite, in die Zukunft gerichtete Erinnerungspolitik, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnert, die an das SED-Unrecht erinnert, die an den Kolonialismus erinnert und mit der Rückgabe von Benin-Bronzen richtige Zeichen setzen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Wir wollen aber auch eine Erinnerungspolitik in und für die Einwanderungsgesellschaft. Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus, sie zeigen doch ihre hässliche Fratze, von Mölln bis Solingen, von Halle bis Hanau. Eine lebendige Erinnerungspolitik muss und wird darauf Antworten geben müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)

Diese Erinnerungspolitik wird europäisch sein – deswegen habe ich meine erste Auslandsreise nach Frankreich unternommen –, und sie muss ein deutliches Zeichen gegen den Antisemitismus und für unsere Freundschaft mit Israel setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deswegen war ich auf meiner zweiten Reise in der vergangenen Woche in Israel und habe mit dem israelischen Kulturminister eine verstärkte Zusammenarbeit verabredet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Drittens. Wir wollen die Vielfalt von Kunst und Kultur und Medien in unserem Land fördern. Es geht um den Erhalt der Kinos, vor allem im ländlichen Raum,

(Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

um einen Preis für Plattenläden, um Bibliotheken und Museen als „dritte Orte“, um wichtige Institutionen der musikalischen Bildung. Es geht um den Filmfestivalverband QueerScope, um den Bundesmusikverband Chor & Orchester, um das Jugendballett und um so viel mehr. Nicht zuletzt geht es darum, die vielen Einrichtungen und Bauten in Ihren Wahlkreisen zu erhalten und zu sanieren und sie instand zu halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Viertens. Das alles wird nur gelingen, wenn wir Nachhaltigkeit als Voraussetzung von Freiheit verstehen. Ohne Nachhaltigkeit werden zukünftige Generationen keine Freiheiten mehr haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist also unsere Verantwortung. Auch in der Kultur- und Medienpolitik und mit Green Culture können wir einen entscheidenden Beitrag gegen die dramatische Klimakrise leisten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir wollen Kunst und Kultur mit allen und für alle ermöglichen, indem wir ihre Vielfalt und ihre Freiheit sichern und verteidigen.

All dies ist möglich dank Ihrer Unterstützung, liebe Kolleginnen und Kollegen: zum einen durch die Fachpolitiker/-innen – ich nenne stellvertretend für alle die Vorsitzende des Kulturausschusses, Katrin Budde – und zum anderen heute ganz besonders durch die Haushaltspolitiker, namentlich Otto Fricke, Dennis Rohde, Andreas Audretsch, aber eben auch Kerstin Radomski und Gesine Lötzsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ja, wir leben in düsteren Zeiten. Wir müssen uns darauf einstellen. Wir müssen Lösungen erarbeiten. Wir müssen handeln. Lassen Sie uns deshalb Kunst, Kultur und Medien in Freiheit, in Gerechtigkeit und in Nachhaltigkeit erblühen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die FDP-Fraktion hat nun Otto Fricke das Wort.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)