Rede von Stefan Gelbhaar Haushalt 2022 - Generaldebatte Bundeskanzleramt (Epl. 04)

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01.06.2022

Stefan Gelbhaar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun soll es noch einmal um den Haushalt des Ostbeauftragten gehen. Ich möchte Sie eingangs auf eine Merkwürdigkeit hinweisen. Sie alle kennen die „Süddeutsche Zeitung“, Sie alle kennen die Radiowellen des Norddeutschen Rundfunks oder den Westdeutschen Rundfunk, WDR. Was Sie nicht kennen, ist ein ostdeutscher Rundfunk oder eine ostdeutsche Zeitung. Das ist schon für sich genommen bemerkenswert.

Gleichwohl fordere ich hier nicht die Neugründung einer Zeitung oder eines Rundfunks. Aber: Explizite und ausdrückliche Begegnungs- und Diskussionsräume fehlen im Osten. Mit dem Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation wird ein solcher Ort geschaffen, und das ist auch notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Dürr [FDP])

Warum? Noch immer lässt sich das Gebiet der DDR in thematischen Karten gut erkennen, etwa wenn es um die ältesten Regionen in Deutschland geht oder um die Höhe des Aufkommens aus der Erbschaftsteuer, Impfquoten, Einkommen und Vermögen, die Zustimmung zu Waffenlieferungen, die ärztliche Versorgung und vieles, vieles mehr.

Ja: Auch daran wird von der Ampelkoalition gearbeitet, etwa mit der Erhöhung des Mindestlohns oder der Finanzierung des Härtefallfonds.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Christian Dürr [FDP])

Aber die Baustellen sind nicht weniger geworden. Die Debatte um die Entindustrialisierung des Ostens ist geschichtlich hochrelevant: War das ein planvoller DDR-Scherbenhaufen oder ein planloses Verscherbeln der Treuhand? Ich verrate Ihnen was: Daran haben beide – allerdings unterschiedlichen – Anteil. Politisch aktueller aber sind die folgenden Fragen: Wie konnten zum Beispiel die Solar- und die Windbranche im Osten in den letzten Jahren so zugrunde gehen – Conergy, SKET, jetzt Nordex in Rostock? Wie steht es um die Repräsentanz, um die Durchsetzung legitimer Interessen? Explizit ostdeutsche Reflexionsräume werden gebraucht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])

Denken Sie auch an die Außenpolitik. In Ostdeutschland wird das Sicherheitsgefühl von Putin deutlich stärker beeinträchtigt. Aber dann muss doch die Störung des Sicherheitsgefühls von Polen oder Litauen umso mehr wahrgenommen werden – und die Zerstörung der Ukraine.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ja! – Zuruf des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Für diese notwendigen Debatten über die Rolle der Bundesrepublik in Europa, insbesondere in Osteuropa, braucht es Räume.

Da sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht, aber nicht nur die. Wirksame Sanktionen fordern, aber ein Ölembargo ausschließen – das muss man erst einmal in einem Satz unterbringen, Frau Mohamed Ali!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Da sitzen Sie dann in einem Boot mit Orbans Ungarn und Teilen der Ost-CDU. Ich frage mich: Ist das wirklich links?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Frau Schwesig! – Christian Görke [DIE LINKE]: Wirklicher Schwachsinn, was Sie da erzählen! Gehen Sie mal in den Osten! Kommen Sie mal nach Schwedt! Ich lade Sie gern ein!)

Unser Wirtschaftsminister hat da einen klaren Kurs. Wir brauchen neue Aufgaben für PCK in Schwedt oder auch in Leuna, etwas mit erneuerbaren Energien. Das ist der Weg.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Dürr [FDP])