Rede von Dr. Sebastian Schäfer Haushalt 2022 - Verteidigung (Epl. 14)

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01.06.2022

Dr. Sebastian Schäfer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitenwende ist in der Verteidigungspolitik angekommen. Wir beschließen heute den, gemessen am BIP und am Haushalt, größten Verteidigungshaushalt seit 1992. Die Friedensdividende kann leider nicht mehr fließen. Der brutale russische Großangriff auf die Ukraine vom 24. Februar stellt eine neue Eskalationsstufe dar.

Dieser Krieg läuft in unterschiedlicher Intensität seit 2014. Seitdem wussten wir, dass wir in Sachen Landes- und Bündnisverteidigung mehr tun müssen; der Einzelplan 14 ist auch sehr deutlich angewachsen. Es ist aber trotz der mehr als 50 Milliarden Euro, die zusätzlich ausgegeben wurden, also trotz eines halben Sondervermögens, nicht gelungen, den Investitionsstau aufzulösen und eine angemessene Ausrüstung unserer Bundeswehr sicherzustellen.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Ja, weil es zu wenig war!)

Das liegt vor allem an den Problemen bei der Beschaffung, aber leider auch an Wahlkreisinteressen, die eben nicht immer deckungsgleich sind mit den Interessen der Bundeswehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ein besonderes Negativbeispiel stellen die beiden Marinetankschiffe dar. Da scheint es eine ganze Reihe von Fehlern gegeben zu haben, die wir jetzt teuer bezahlen. Klar ist: Wir müssen diese militärischen Tanker schnellstmöglich erneuern, damit wir die Umweltschutzvorgaben einhalten und die Modelle aus den 70er-Jahren endlich abwracken können. Erhalt industrieller Kernfähigkeit darf nicht bedeuten, dass die Kosten nicht zu beachten sind; wir gehen hier ja bekanntlich mit Steuergeld um, das uns die Bürgerinnen und Bürger anvertrauen. Entsprechend groß ist unsere Verantwortung, gerade bei den Summen, um die es in diesem Einzelplan geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Fehlende Mittel sind also nur eine Seite der Medaille. Wir brauchen jetzt zeitgemäße Strukturen in der Beschaffung, aber auch in der Bundeswehr selbst. Verantwortlichkeiten müssen klar sein; Entscheidungen dürfen nicht permanent zentralisiert werden, sondern müssen wieder viel stärker auch dezentral getroffen werden können.

Der russische Angriffskrieg zeigt, wie zentral heute auch die Cyberabwehr für eine Armee und die Landesverteidigung sein kann. Es ist bedauerlich, dass das Sondervermögen nicht genutzt werden kann, um damit auch die dringend notwendigen Investitionen im Bereich der Cybersicherheit und beim Zivilschutz abzusichern. Diese Investitionen müssen jetzt an anderer Stelle im Bundeshaushalt finanziert werden.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Können Sie doch machen! – Nina Warken [CDU/CSU]: Ja, können Sie doch machen!)

Im Haushaltsverfahren haben wir beschlossen, dass die Reform des Beschaffungswesens jetzt zügig angegangen werden muss. Über die Beschleunigung der Vergabeverfahren hinaus geht es, zur schnellen Stärkung unserer Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit, darum, marktverfügbare Systeme bei der Beschaffung zu priorisieren. Es geht aber genauso darum, die gemeinsame europäische Zusammenarbeit zu suchen und möglichst gemeinsam zu bestellen. Und nicht zuletzt geht es darum, den Mut zu haben, die Strukturen und Prozesse in der Beschaffung zu vereinfachen. Insbesondere dafür muss auch das Beschaffungsamt endlich ausreichend Personal und Expertise erhalten.

Der Haushaltsausschuss erwartet Quartalsberichte zu den Fortschritten bei den Reformen. Der Bundesrechnungshof wird das eng begleiten. Wir setzen auch darauf, dass die bisherigen Maßnahmen noch mal genau beleuchtet werden: die leichtere Auftragsvergabe, die Anhebung der Vergabegrenze von 1 000 auf 5 000 Euro und auch die Erhöhung des Handgelds für die Kommandeure, die wir im Haushaltsausschuss beschlossen haben. Die Umsetzung effizienterer Beschaffungsstrukturen ist eine große Aufgabe für das Verteidigungsministerium. Wir werden am Erfolg auch die Arbeit der Frau Ministerin messen. Eine reine Beschleunigung des Vergabeverfahrens reicht dafür nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich will hier bewusst nicht mehr über die Vergangenheit sprechen; das hilft uns nicht weiter. Die alte Bundesregierung hat zumindest in den letzten beiden Jahren schon kleine Korrekturen bei den Investitionen vorgenommen.

Mit dem nun zu beschließenden Haushalt 2022 und dem Sondervermögen werden wir die Fähigkeitslücken der Bundeswehr im Rahmen der internationalen Bündnisfähigkeit zügig schließen. Wir stellen die Mittel zur Verfügung für eine zeitgemäße, aufgabenorientierte Ausstattung für unsere Soldatinnen und Soldaten und die Bundeswehr. Die Bundeswehr wird jetzt, anders als die Union, im 21. Jahrhundert ankommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben in einem Eilverfahren Mittel zur Verfügung gestellt, um eine persönliche Vollausstattung aller Soldatinnen und Soldaten sicherzustellen. Ihrem potenziell sehr gefährlichen Auftrag müssen unsere Soldatinnen und Soldaten bestmöglich geschützt nachkommen können. Das sind wir unserer Parlamentsarmee schuldig.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Die nächste Rednerin in der Debatte: Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)