Rede von Hanna Steinmüller Haushalt 2023: Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Epl. 25
Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Haushaltsreden werden ja traditionell relativ viele Zahlen genannt. Ich werde an die Tradition anknüpfen, aber ich verspreche Ihnen, ohne Fußballfeldvergleiche und ohne Vergleiche mit dem Saarland.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der Abg. Verena Hubertz [SPD])
In der Zuständigkeit dieses Ministeriums liegt ja relativ viel. Ich werde mich auf die Wohnungspolitik fokussieren; denn 82 Millionen Menschen in Deutschland, also alle, wohnen. Von daher ist es ein Thema, das uns alle beschäftigen sollte. Dazu eine kurze Bestandsaufnahme mit fünf Punkten:
Erstens: Sozialwohnungen. Es ist heute schon ein paarmal angesprochen worden: Die Zahl der verfügbaren Sozialwohnungen ist in den letzten Jahren stark gesunken. 2006 hatten wir noch über 2 Millionen Sozialwohnungen. Letztes Jahr, als wir die Regierung übernommen haben, waren es nur noch knapp 1,1 Millionen Sozialwohnungen.
Zweitens: Mietbelastungen. Dazu hat Caren Lay schon einiges gesagt. Letztes Jahr galten 12,8 Prozent der Bevölkerung in Mieterhaushalten als überbelastet, das heißt, sie haben mehr als 40 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufbringen müssen. Diese Zahl wird vermutlich steigen. Darauf müssen wir Antworten finden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dritte Herausforderung: die Energiepreise. Durch die Abhängigkeit von russischem Gas und durch Putins Angriff auf die Ukraine sind die Gaspreise explodiert. Allein in der letzten Heizperiode haben sich die Kosten für das Heizen mit Gas verdoppelt.
Vierte Herausforderung – das ist heute noch nicht angesprochen worden –: die Barrierefreiheit. Unsere Gesellschaft wird älter. Trotzdem sind nur 1 bis 2 Prozent der Wohnungen aktuell barrierearm.
Fünftens – auch das ist leider noch nicht angesprochen worden; trotzdem ist es ein wichtiges Thema –: die Wohnungslosigkeit. In Deutschland sind knapp 180 000 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Sie leben entweder in Notunterkünften oder in Gemeinschaftsunterkünften. Darüber hinaus gibt es Menschen, die völlig ohne Obdach sind und auf der Straße leben. Dagegen müssen wir etwas tun.
Die gute Nachricht ist: Der Haushaltsentwurf für 2023 findet auf viele dieser Herausforderungen Antworten. Der soziale Wohnungsbau wird gestärkt: 2023 kommen, wie versprochen, 2,5 Milliarden Euro dazu. Das Wohngeld wird ausgebaut; darüber wird heute viel gesprochen. Herr Kießling, natürlich wäre es schöner, wenn weniger Menschen Wohngeld brauchen würden – das stimmt; deswegen haben wir den Mindestlohn erhöht und viele weitere Maßnahmen ergriffen –, aber in einer akuten Krise zu sagen: „Es wäre besser, wenn die Menschen kein Wohngeld brauchen“, finde ich relativ zynisch. Klar ist: Man muss reagieren und gerade in einer Zeit, in der viele Menschen Bedarf haben, kurzfristig etwas ändern.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das Wohngeld erhöht und dynamisiert haben wir zusammen mit der SPD!)
Deswegen ist es gut, dass der Empfängerkreis beim Wohngeld auf 2 Millionen Menschen ausgeweitet wird.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Mit dem KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ fördern wir Maßnahmen zum Zwecke der alters- und behindertengerechten Anpassung von Wohngebäuden. 2023 werden gemäß dem Haushaltsentwurf 63 Millionen Euro dafür bereitstehen.
Um den Herausforderungen zu begegnen, fordern wir vielfältige Wohnformen. Das ist gerade uns Grünen besonders wichtig. Mit dem neuen KfW-Programm zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen senken wir für Menschen mit wenig Startkapital die Hürden, sich an Genossenschaften zu beteiligen. Dieses Programm läuft gerade an, und wir werden es in den kommenden Jahren weiter ausbauen und die entsprechenden Mittel bereitstellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Was fehlt angesichts der Herausforderungen noch? Wir brauchen eine langfristige Veränderung am Wohnungsmarkt. Wir dürfen die Wohnungen nicht für Investoren bauen, sondern wir müssen sie für die Menschen bauen, die darin wohnen. Wir brauchen mehr dauerhaft bezahlbaren Wohnraum. Deswegen ist es so wichtig, dass wir eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen, die dafür sorgt, dass Wohnungen dauerhaft unter dem Niveau des Mietspiegels vermietet werden. Dafür fehlt noch ein Bekenntnis im Bundeshaushalt. Aber es heißt ja Haushaltsberatungen und auch Haushaltsverhandlungen. Deswegen bin ich schwer optimistisch, dass wir noch etwas verändern können.
Ein weiterer Punkt ist ein nationaler Aktionsplan gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir bis 2030 – das ist in acht Jahren – Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland überwinden. Die Zeit läuft also. Von daher erwarte ich, dass wir in den Haushaltsverhandlungen dafür sorgen, dass hierfür Geld eingestellt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind groß. Ich freue mich nun auf die Verhandlungen und hoffe, dass wir Antworten auf die verschiedenen Fragen des Wohnens finden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Münzenmaier, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)