Rede von Gerhard Zickenheiner Haushalt - Einzelplan Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
Gerhard Zickenheiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Schulze! Über zehn Jahre hat es gedauert, erster Anlauf im Frühjahr kläglich gescheitert, aber: Wir haben ein Klimagesetz. Dieses Sammelsurium an unkoordinierten Einzelmaßnahmen und die fast schon zynischen 10 Euro pro Tonne CO verkaufen Sie uns nun als die Steinchen der Weisen. Das war für die 1,4 Millionen Menschen bei Fridays for Future am 20. September 2019 und alle anderen, die sich halbwegs ernsthaft mit unserem Klima und unserer Umwelt auseinandersetzen, ein Schlag ins Gesicht.
(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Ein Schlag ins Gesicht der Grünen!)
Es muss Sie doch erschrecken, dass die Fachwelt Ihr Klimapäckchen geschlossen ablehnt und aussagt, dass damit das 1,5- oder 2-Grad-Ziel nicht zu erreichen ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse [AfD]: Wundert nicht! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr merkwürdig! Sonst hören Sie auch nicht auf die Wissenschaft!)
Mit so viel Ablehnung aus der Wissenschaft müssen sich ja sonst nur notorische Klimaleugner von rechts außen herumschlagen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karsten Hilse [AfD]: 100 Prozent sind der Meinung!)
54 Milliarden Euro soll es geben; leider sind im Haushalt nur rund 25 Milliarden zu finden. Der Rest ist seit Jahren im Energie- und Klimafonds eingeplant gewesen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Wenn Sie gleichzeitig knausern wollen und Klima retten, dann gibt es einen sinnvollen Weg, und der heißt: Bauen Sie endlich die 57 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen ab,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und wenn Sie clever sein wollen, dann reinvestieren Sie dieses Geld in den Umweltschutz!
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Aha!)
Erlauben Sie mir einen Satz zur Düngemittelverordnung, zum Aktionsprogramm Insektenschutz und zu den Traktoren in Berlin. Man muss den betroffenen Landwirten auch realistische und wirtschaftliche Wege aufzeigen, wie sie zu Umwelt- und Klimaschutz beitragen können.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das würde bedeuten:
(Karsten Hilse [AfD]: Verbieten!)
weniger ökologisch unwirksames Geld für Flächenzahlungen, aber deutlich mehr Geld für ökologische Leistungen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das käme den Landwirten und der Allgemeinheit zugute. Reden Sie mit Frau Klöckner! Was sie in der EU bei den GAP-Verhandlungen durchsetzen will, verlängert sonst nämlich dieses elende Ausspielen der Umwelt gegen die Landwirtschaft um weitere sieben Jahre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Leistungsträger in Sachen Klima, Artenschutz und Umwelt finden sich statt beim Bund eher bei den Ländern und insbesondere bei den Kommunen. Ihre eigenen Parteigänger, Stadt- und Kreisräte sind ja schon oft mit dabei, wenn Bäche revitalisiert werden, Klimakonzepte und Radverkehrspläne geschmiedet werden mit den spärlichen Mitteln, die Sie ihnen zur Verfügung stellen. Ihre Leute vor Ort überholen Sie, ohne dass Sie es merken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die kapitulieren vor dem staatlichen Nichthandeln und sagen sich: „Wir müssen es selber versuchen“, und rufen auf einmal mit uns Grünen zusammen den Klimanotstand aus. Ich rede von Ihrer Basis. Da, wo die Menschen leben – in den Kommunen, in den Dörfern –, zeigt sich nämlich am deutlichsten, dass das, was Sie hier tun, nirgends hinreicht und zudem Verlierer zurücklässt.
Wir müssten zwei- bis dreimal so viele Busse in die Dörfer schicken, um den Menschen dort berechtigte Hoffnung zu machen, dass es irgendwann auch einmal ohne Auto geht oder zumindest mit einem. Wir müssten vier- oder fünfmal so viele Bestandsgebäude jährlich dämmen, um überhaupt die Teilziele von Paris in dem Segment zu erreichen. Stattdessen fördert Herr Scheuer hauptsächlich Elektroautos, am stärksten die Modelle, die definitiv nicht umweltfreundlich sind: die großen und schweren Boliden,
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
frei nach dem Motto: Wir verbrennen jetzt Geld statt Diesel; das stinkt dann weniger, wenn wir morgens wieder alle im gleichen Stau sitzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das wird Antriebswende und nicht Mobilitätswende.
In Klimaschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sehen Sie auf der Regierungsbank immer noch die Bedrohung Ihres Wertesystems. Dabei liegt genau darin – und zwar untrennbar damit zusammenhängend – die Antwort auf die Bedrohung dieses Planeten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:
Der nächste Redner: für die SPD-Fraktion der Kollege Michael Thews.
(Beifall bei der SPD)