Rede von Helge Limburg Infektionsschutz

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18.03.2022

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Zeulner, eines habe ich nach Ihrer Vorbemerkung nicht verstanden: Den verständlichen Wunsch, dass die Maskenpflicht in Grundschulen fällt, zu begrüßen und anschließend das Gesetz, das die Erfüllung genau dieses Wunsches erst ermöglicht, abzulehnen, passt für mich nicht zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nicht zugehört! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zum Bonus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Menschen möchten endlich ohne Impfnachweis und ohne Maske einkaufen, ohne Maske im Theater oder Kino sitzen oder – Frau Zeulner hat es gesagt – ohne Maske in der Schule sitzen. Dieser Wunsch ist verständlich. Er muss auch nicht gerechtfertigt oder begründet werden. Ein freier, demokratischer Rechtsstaat – darauf hat Herr Köhler zu Recht hingewiesen – muss jede Grundrechtseinschränkung begründen; nicht die Bürgerinnen und Bürger müssen begründen, warum sie keine Maske tragen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Aber genauso verständlich und legitim ist der Wunsch von Menschen, und zwar auch von Menschen mit Vorerkrankungen, von vulnerablen Gruppen und anderen, am sozialen Leben teilhaben zu können, zum Beispiel im Supermarkt und in anderen Geschäften einkaufen zu können, ohne Sorge haben zu müssen, sich dabei mit dem Coronavirus zu infizieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Und was folgt daraus?)

Auch sie können sich auf Pflichten des Staates, nämlich auf Schutzpflichten, berufen.

Natürlich kann es einen Komplettschutz nicht geben. Aber ich kann schon die Leute verstehen, die fragen: Müsst ihr gerade angesichts dieser doch sehr hohen Infektionszahlen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, ja relativ groß ist, solche Lockerungen vornehmen? Insofern ist es kein Geheimnis – Frau Kappert-Gonther und Herr Audretsch haben es gesagt –, dass sich meine Fraktion eine Maskenpflicht in Innenräumen als weiter gehende Maßnahme sehr gut hätte vorstellen können und dass es dazu verschiedene Sichtweisen in der Ampelkoalition gibt.

Aber richtig ist eben auch – darauf ist zu Recht hingewiesen worden –: Es ist nicht so, dass dieser Gesetzentwurf keine Maßnahmen mehr ermöglicht. Die Hotspotregelung, die unter Beteiligung der jeweiligen Landtage – das ist doch beste föderale demokratische Tradition –, also mit Zustimmung der Landtage, geschaffen wird, ermöglicht weiter gehende Maßnahmen, zum Beispiel die von Ihnen geforderte Maskenpflicht auch in Innenräumen.

(Abg. Sepp Müller [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Ich finde es schon sehr wichtig, was der Kollege Wiese gesagt hat.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Limburg, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der CDU/CSU- Fraktion?

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, von denen schon.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Was heißt hier „von denen“?)

– Ich meinte, von der demokratischen Rechten, Herr Sorge.

Sepp Müller (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Limburg, vielen Dank für Ihre Ausführungen zur Hotspotregelung. Wir haben sowohl in der ersten Lesung im Deutschen Bundestag als auch heute unterschiedliche Auffassungen aus der Ampelkoalition zum Thema Hotspots gehört. Es fehlen nur noch die Ausführungen der Grünen.

Der Bundesgesundheitsminister hat gesagt, Hotspots können ganze Länder sein. Auch die Kollegin aus der SPD hat in der ersten Lesung gesagt, Hotspots können ganze Bundesländer wie beispielsweise Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg sein. Die Freien Demokraten sagen, die relevante Gebietskörperschaft ist allein der Landkreis. Jetzt frage ich Sie: Wie sehen Bündnis 90/Die Grünen das bei diesen Inzidenzen, bei dieser Krankheitsbelastung? Wie scharf ist Ihre Abgrenzung von Hotspots? Sind das ganze Bundesländer, Flächenbundesländer, oder sind das lediglich kleine Städte und Landkreise?

Helge Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, lieber Herr Kollege, für die Frage, weil sie es mir ermöglicht, einen wichtigen Aspekt in der Debatte noch einmal näher zu erläutern.

Sie kennen wie ich den Spruch: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Im Gesetz ist in der Tat von Gebietskörperschaften die Rede. Sie wissen, dass Gebietskörperschaften Städte, Gemeinden oder Landkreise sein können, aber dass natürlich auch Länder Gebietskörperschaften sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Das ist für Sie ja nichts Neues. Insofern arbeitet das Gesetz mit den unbestimmten Rechtsbegriffen, die die Kriterien darstellen – es gibt ja nicht nur ein Kriterium, es sind verschiedene Kriterien angelegt – und auf deren Grundlage ein Hotspot festgestellt werden kann.

Natürlich wird es im Regelfall so sein, wenn Sie sich die Inzidenzen, die Krankenhausbelegung und andere Faktoren in unserem Land anschauen, dass Hotspots auf Landkreise oder Regionen begrenzt sind. Aber natürlich ist im Gesetzentwurf nicht ausgeschlossen, wenn Sie insbesondere an die Bundesländer Hamburg, Bremen oder das Saarland und in besonderen Fällen auch an weitere Bundesländer denken, dass ein ganzes Bundesland zum Hotspot erklärt wird. Aber, Herr Kollege, diese Entscheidung – und das finde ich ausdrücklich richtig – obliegt den dafür gewählten Landesparlamenten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir als Deutscher Bundestag und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sollten uns davor hüten, die Arbeit der Landesparlamente geringzuschätzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Ich weiß aus eigener Erfahrung – ich teile diese Ansicht ja mit vielen Kolleginnen und Kollegen hier im Haus –, wie professionell dort gearbeitet wird. Darum ist das dort in den richtigen Händen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es jetzt mehrfach ausgeführt: Wir hätten uns weiter gehende Maßnahmen vorstellen können. Aber Politik ist immer auch die Kunst der Kompromissfindung. Und wir haben hier einen Kompromiss gefunden, der handhabbar und händelbar ist, der den Landtagen viel Verantwortung überträgt, für die sie auch gewählt sind.

Wir haben aber – das ist mir am Ende noch wichtig zu betonen – die klare Vereinbarung in der Ampelkoalition – und es gibt nach der bisherigen Zusammenarbeit auch keinen Zweifel daran, dass diese Vereinbarung gilt –: Wenn wir feststellen – Kollege Köhler hat es auch noch mal gesagt –, dass die heute zu beschließenden Regelungen doch nicht ausreichen, wenn wir feststellen, dass die Sorgen, die viele in der heutigen Debatte geäußert haben und die die Menschen draußen äußern, berechtigt sind, dann werden wir als Ampelkoalition, als gesamter Bundestag natürlich schnell zusammentreten und gegebenenfalls nachbessern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, normalerweise hofft man als Politiker, dass man recht behält. Ich muss Ihnen offen sagen: Heute hoffe ich, dass Kollegin Kappert-Gonther, Kollege Audretsch und ich uns irren und wir mit unseren Befürchtungen und Sorgen nicht recht behalten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])

Aber, wie gesagt, wenn es so ist, dass diese Regelungen nicht ausreichen, dann werden wir hier noch einmal schnell zusammenkommen. Diese Handlungsfähigkeit haben wir in den vergangenen Monaten bewiesen, und wir werden sie auch in den kommenden Monaten an den Tag legen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)