Rede von Katharina Beck Inflation

Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

12.05.2022

Katharina Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und bei diesem so wichtigen Thema für uns alle in diesem Land auch: Liebe Bürgerinnen und Bürger!

(Stephan Brandner [AfD]: Sonst nicht?)

– Immer. – Manchmal ist das hier einfach ein Debattenraum, um uns über unsere Gesetzesvorhaben auszutauschen. Aber dieses Thema geht wirklich alle an. Danke auch an Sie von der CDU/CSU-Fraktion, dass Sie dieses Thema zu dieser prominenten Uhrzeit aufgesetzt haben.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr macht es ja nicht!)

7,4 Prozent – das ist eine relativ abstrakt wirkende Zahl.

(Stephan Brandner [AfD]: 7,5 erst recht!)

Diese Zahl materialisiert sich gerade bei uns allen im Alltag. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern, wie Aline Abboud in den „Tagesthemen“ anhand eines Pausenbrötchens gezeigt hat, dass die Preise für einzelne Produkte wie Gurken und Tomaten sogar um über 40 Prozent gestiegen waren, wodurch klar wurde, wie teuer alles geworden ist. Im Alltag der Menschen ist diese Inflation unfassbar real, unfassbar hoch. Gestern habe ich mit einigen jungen Eltern gesprochen, die nach der Coronakrise endlich in den Urlaub fahren wollen und die sich das Ferienhäuschen oder sogar den Zeltplatz an der Ostsee gar nicht leisten können.

Wir haben schon super lange – und das ist auch ein essenzieller Teil des Punktes, den ich heute machen möchte – strukturelle Probleme. Das sieht man beispielsweise auch im Immobilien- und im Wohnbereich. Die Preise dort sind schon lange hoch. Im Energiebereich – das haben wir gerade eben besprochen – ist das Thema wirklich groß.

(Marc Bernhard [AfD]: Ihr macht es doch immer teurer!)

Wir sehen es jetzt an den Zapfsäulen, und wir sehen es spätestens im nächsten Jahr auch auf unseren Heizkostenabrechnungen. Wir haben wirklich akute Probleme, aber wir müssen auch strukturell an die Probleme rangehen. Da greift Ihre Problemanalyse der reinen Geldpolitik einfach zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ja, die Zentralbank sollte agieren. Sie hat aber richtigerweise eine rechtlich verbriefte Unabhängigkeit. Die Zentralbank ist für Preisstabilität da. Aber – und ich wundere mich manchmal, weil Sie sich ja als Wirtschaftspartei darstellen – Preise entstehen doch durch Angebot und Nachfrage – das wissen wir.

(Stephan Brandner [AfD]: Und durch Subventionen!)

Wir haben wirklich große Probleme, die jetzt auch noch als externe Schocks hinzukommen. Wir haben beispielsweise den Krieg in der Ukraine, den Sie überhaupt nicht erwähnen. Wir haben damit zusammenhängende Energie- und Ernährungsprobleme. Diese Energieprobleme sind doch strukturell. Ich weiß nicht, in welchem Wirtschaftsbereich Sie unterwegs sind, aber wir waren zu 55 Prozent abhängig von einem einzigen Lieferanten. Ich bin ja Finanzpolitikerin.

(Stephan Brandner [AfD]: Merkt man gar nicht!)

Wenn ich einen Fonds gestalten würde, wo ein Titel 55 Prozent ausmachen würde, dann würde der überhaupt nicht gekauft werden, weil das Risikoprofil so schlecht wäre. Das haben Sie uns aber leider vererbt, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich bin dieser Regierung in ihrer Gänze sehr dankbar, dass sie diese kluge Wirtschafts- und Energiepolitik mitträgt. Wir müssen jetzt mit aller Kraft das Angebot bei der Energie diversifizieren. Wir haben es schon geschafft, von 55 Prozent auf 35 Prozent bei der Abhängigkeit vom Gas runterzukommen – in einer Kraftanstrengung. Sie dagegen haben es in Ihren 16 Jahren hinbekommen, die Abhängigkeit um ein Drittel zu erhöhen. Das ist doch keine kluge Wirtschaftspolitik. Wir aber legen hier in den ersten Monaten schon eine wirklich kluge Energie- und Wirtschaftspolitik vor, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Das Thema Ernährung hängt sehr stark mit den Lieferketten, aber auch mit der Energie zusammen. Der größte Preistreiber sind nicht irgendwelche Flächenprozente, sondern der größte Treiber für die gestiegenen Preise bei Getreide und Lebensmitteln sind gerade die Energiekosten, und deswegen ist dieses Thema so wichtig.

(Marc Bernhard [AfD]: Es ist deswegen so wichtig, weil Sie es immer teurer machen!)

Wir müssen in der Wirtschaftspolitik endlich auch mal darüber sprechen, was Resilienz eigentlich zu bedeuten hat. Globale Strukturen sind wichtig, aber auch regionale und lokale Strukturen; das sehen wir doch jetzt so nachdrücklich. Deswegen ist es gut, dass wir mit unserer Fortschrittskoalition genau diese Kreislaufwirtschaft global, lokal und regional – auch in Europa – denken und uns da zukunftsfähig aufstellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Gerade liegen vor den Küsten der Ukraine große Schiffe voll mit Getreide, die nicht losfahren dürfen. Wir haben ein riesiges Lieferkettenproblem, auch in Schanghai, einem der größten Umschlagplätze der Welt. Das heißt, es ist wichtig, hier klug auszubalancieren, wie wir „global“ und „regional“ zusammendenken.

Leider hinterlassen Sie uns in einigen Branchen auch dysfunktionale Märkte. Ich nehme noch einmal das Beispiel der Energie. Wir haben dort leider oligopolistische Marktstrukturen. Es ist komplett unsicher, ob das alles, was wir dort gerade drehen, überhaupt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden kann. Und auch hier: Wir stärken das Kartellamt. Ich bin wirklich für Wettbewerb, aber für guten Wettbewerb mit guten Rahmenbedingungen. Das wird diese Ampelkoalition nach 16 Jahren endlich umsetzen, weil Sie es nicht geschafft haben und uns dysfunktionale Märkte hinterlassen haben.

Wir haben – Frau Hubertz hatte es schon gesagt – die Entlastungspakete; denn wir haben ein großes Problem, dass sich Menschen gerade etwas nicht leisten können. Ich rede da vom Kindersofortzuschlag,

(Stephan Brandner [AfD]: Menschen können sich die Grünen nicht leisten, Frau Beck! Das ist das Problem!)

dass man sich vielleicht auch einmal ein Kinoticket leisten kann. Dann rede ich auch von der Energiepreispauschale, auch vom 9‑Euro-Ticket, damit man überhaupt an die Ostsee fahren kann. Das alles bringen wir auf den Weg. Wir machen Wirtschaftshilfen. Wir gehen aber auch die strukturellen Probleme an. Das ist unfassbar wichtig sowohl für die Wirtschaft unseres Landes als auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Kontinents, der mit guten Wertschöpfungsketten in eine klimaneutrale und soziale Zukunft gehen kann. Und wir wollen es trotzdem gemeinsam schaffen, die Angebots- und Nachfragestrukturen in funktionierenden Märkten hinzubekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Somit liegt die Zukunft nicht nur darin, jetzt akut abzufedern und aufzupassen, dass wir nicht neue Inflationsspiralen – Sie hatten es angesprochen – ankurbeln, sondern dass wir tatsächlich die Rahmenbedingungen dieses einen Planeten, auf dem wir zusammen leben, berücksichtigen, dass wir gute Wertschöpfungskreisläufe entwickeln, dass wir gleichzeitig mitdenken und die Balance schaffen, die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen mit großen Wirtschafts- und Finanzhilfen zu unterstützen.

Ich bin sehr dankbar, dass diese innovative Dreierkoalition jeweils bei ihren Herzensthemen durchaus auch belastbar ist. Wir kaufen gerade Energie ein, auch da, wo wir es nicht unbedingt gewollt hätten, aber wir tun das zum Wohle dieses Volkes, dieser Gesellschaft und Europas. Auf diesen klugen Weg, auch mit der Inflation umzugehen, freue ich mich in den nächsten Jahren.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Frau Dr. Sahra Wagenknecht.

(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Ist die noch in der Linkspartei?)