Rede von Lisa Paus Information über Schwangerschaftsabbrüche

24.06.2022

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauende! Heute ist ein großartiger Tag,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

für die Ärztinnen und Ärzte, aber vor allen Dingen für alle Frauen in diesem Land. Ein Tag, an dem ich voller Empathie auch an all die Frauen denke, die jahrzehntelang – exakt 89 Jahre lang – an den Folgen dieses Gesetzes gelitten haben und bis heute unter den schweren Folgen des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche leiden,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

allein weil sie nicht den Zugang zu den Informationen erhalten haben, auf die sie ein Recht haben, nämlich das Recht auf ärztliche Auskunft, wie sie unter dem Schutz ihrer Gesundheit eine ungewollte Schwangerschaft beenden können.

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Es gibt kein Recht auf Werbung zum Töten von Kindern!)

Ausgerechnet dieses Recht hat der § 219a vereitelt.

Um Werbung allerdings, wie es dieser Paragraf formuliert, ging es eben nie, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ungewollt schwangere Frauen suchten vielmehr Rat, und Ärztinnen und Ärzte wollten aufklären über verschiedene Methoden und Medikamente, über Vorzüge, über Risiken und auch über Komplikationen – je nach körperlicher und seelischer Verfassung der Schwangeren.

Der § 219a hat stattdessen erstens ein zutiefst menschliches Ereignis, nämlich eine ungewollte Schwangerschaft, unmenschlich sanktioniert und bestraft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Zweitens hat er sich gezielt über wissenschaftliche Forschung und über medizinische Standards erhoben. Auch Juristinnen und Juristen halten den § 219a schon lange für überkommen; aber sie müssen bis zum heutigen Tage dieses Recht anwenden. Drittens hat dieser Paragraf der guten medizinischen Beratung und Versorgung von Schwangeren eben auch unnötig Steine in den Weg gelegt. Mit alldem wird nun endlich Schluss sein, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Mit der Abschaffung des § 219a endet endlich die jahrzehntelange Stigmatisierung und Kriminalisierung von Ärztinnen und Ärzten. Das Signal an sie lautet heute: Sie können endlich beraten und aufklären, wie sie es für richtig und wie sie es für geboten halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Gesundheit und Selbstbestimmung von Frauen sind Menschenrechte. Wir machen heute genau dafür den Weg frei.

Und ja, ich finde, im Jahr 2022 muss man auch über den § 218 reden. Deswegen wird diese Bundesregierung eine Kommission dafür einrichten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Darum geht es! Das hat Herr Buschmann aber anders gesagt!)

Im Übrigen halte ich es nur für folgerichtig, dass im Medizinstudium künftig auch die Methoden eines Abbruchs gelehrt werden – medizintechnisch und medikamentös.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Denn frauenärztliche Versorgung ist mehr als Ultraschall, als Kreißsaal und als Krebsvorsorge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, wir haben gemeinsam für die Abschaffung des § 219a gestritten, auch gemeinsam mit Gästen heute auf der Tribüne. Ein ganz großes Dankeschön an die Bündnisse von Pro Choice, an die Ärztinnen und Ärzte, an pro familia, an die AWO, an den djb und an viele andere. Sie haben über Jahre gekämpft. Sie haben sich anfeinden und bedrohen lassen. Sie mussten Prozesse führen. Doch immer haben sie an der Seite der Frauen gestanden, die den Weg zu ihnen gesucht haben.

(Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Sie haben allen Parteien Druck gemacht, und dank ihres bewundernswerten Einsatzes dürfen sich Frauen künftig darauf verlassen, endlich sachkundig beraten und unterstützt zu werden. Ein großes Dankeschön!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Ich freue mich aus tiefstem Herzen, dass die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nun den Weg frei macht für sie, für ihre Patientinnen und für alle Frauen in Deutschland.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Heidi Reichinnek.

(Beifall bei der LINKEN)