Rede von Marcel Emmerich Internationale Polizeimissionen

Marcel Emmerich MdB
21.06.2023

Marcel Emmerich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nachhaltiger Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Gewalt und Krieg. Was bedeutet dieser an Willy Brandt angelehnte Satz? Es braucht funktionierende staatliche Strukturen, rechtsstaatlich handelnde Sicherheitsbehörden, die Einhaltung von Grund- und Menschenrechten und ein Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat.

Wenn man mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus Europa spricht, dann wird immer wieder ein Schlüssel zum Erfolg genannt, den wir selbst in der Hand haben: unsere Polizei. Unsere Partner in Europa und in den Vereinten Nationen sind voll des Lobes für unsere Polizistinnen und Polizisten in den Auslandsmissionen. Für diese mutige Arbeit unter teils schwierigen Bedingungen in teils sehr gefährlichen Einsätzen möchte ich mich bei der Polizei bedanken. Sie haben unseren Rückhalt, unsere Unterstützung und unseren Respekt. Herzlichen Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie sehen also, Kollege Oster: Es geht mitnichten darum, die Polizei in den Senkel zu stellen. Wir achten die hochqualifizierte Arbeit der Polizistinnen und Polizisten; denn sie sind nicht nur in der operativen Polizeiarbeit vor Ort sehr wichtig, sondern besitzen auch das nötige Know-how und die Erfahrung, um vor Ort nachhaltige Sicherheitsstrukturen mit aufzubauen. Das löst eine ganze Kette von Problemen bzw. beugt Problemen vor. Egal ob im Sahel oder auch auf dem Balkan: Sie leisten tagtäglich in ihren Missionen einen erfolgreichen Beitrag zum Schutz der Zivilbevölkerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Lugk [SPD] und Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP])

Die Realität ist schonungslos. Wir haben internationale Konflikte und Spannungen, gewaltsame Auseinandersetzungen sowie Menschenrechtsverletzungen, unter denen die Bevölkerung vor Ort leidet. In Zeiten, in denen die Herausforderungen über Landesgrenzen hinweg reichen, müssen wir den Mut aufbringen, unsere Verantwortung in internationalen Polizeimissionen stärker wahrzunehmen als momentan. Das ist dringend notwendig.

Wir müssen uns die Zahlen tatsächlich selbstkritisch anschauen; denn sie zeigen, dass wir unsere Zusicherung, die wir im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegeben haben, nämlich bis zu 910 Polizeibeamtinnen und ‑beamte an internationalen Polizeimissionen zu beteiligen bzw. dafür zur Verfügung zu stellen, bei Weitem verfehlen. Stattdessen hangeln wir uns gerade von Jahr zu Jahr von Tiefstand zu Tiefstand. Momentan sind es nicht mal 60 Beamtinnen und Beamte von Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Landespolizeien und Zoll, die in 13 Missionen eingesetzt sind. In einer Zeit, in der eine Krise die andere jagt, kann das nicht unser Anspruch sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In der Vergangenheit ist da auch schon etwas passiert; das will ich nicht unerwähnt lassen. Mit der Bund-Länder-Vereinbarung und auch mit der Einführung des Fachgebiets „Internationale Polizeiliche Beziehungen“ an der Deutschen Hochschule der Polizei ist in den letzten Jahren auch und gerade aufgrund des parlamentarischen Drucks schon etwas in Bewegung gekommen, das wirklich positiv ist. Aber das reicht nicht. Was muss also noch passieren?

Erstens müssen wir Anreize schaffen, die solche Einsätze für die Polizistinnen und Polizisten noch attraktiver machen. Erst vor zwei Wochen hatte ich ein Gespräch mit einem Polizisten bei mir in Ulm. Der hat erzählt, dass er durchaus Interesse an einer Auslandsmission hatte. Aber er hat davon Abstand genommen, nachdem er erfahren hatte, dass das seine Versetzung nach Ulm gefährden würde. Ich kann das verstehen: Bei uns in Ulm ist es sehr schön; da will man unbedingt gerne hin. Aber dass es nach wie vor zu viele Nachteile nach so einem Einsatz gibt, das zeigt vor allem, dass es Handlungsbedarf gibt. Wir müssen dafür sorgen, dass sich dadurch stattdessen positive Karrierechancen ergeben. Das muss sich dann auch in der Personalentwicklungsplanung niederschlagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU])

Zweitens kann man feststellen, dass die Bedingungen für Polizistinnen und Polizisten momentan gar nicht so schlecht sind; denn es gibt eigentlich mehr interessierte Polizistinnen und Polizisten, als es Missionen und Plätze gibt. Deswegen ist es vor allem auch eine Frage der politischen Prioritätensetzung. Es ist ein starkes Zeichen, dass auch in diesem Jahr die drei Minister/-innen Pistorius, Baerbock und Faeser zum Tag des Peacekeeping einladen und damit den Polizistinnen und Polizisten und den Soldatinnen und Soldaten eine Wertschätzung entgegenbringen.

Aber das darf nicht alles sein. Es muss noch mehr daraus entstehen. Das heißt, es braucht ein klares Planziel für Personalzahlen bei Auslandsmissionen, und es braucht einen festen Stellenpool für Polizistinnen und Polizisten, damit das auch wirklich verstärkt werden kann. So zeigen wir unsere Wertschätzung und dass wir das Ganze in die Tat umsetzen und weiter in die Fläche bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Ganze ist natürlich auch ein Thema, das man vor dem Hintergrund der feministischen Außenpolitik bewerten muss. Wir sehen einfach, dass mehr weibliches Personal in Friedensmissionen die Perspektiven verbessert und die Teilhabe von Frauen in Konflikten dafür sorgt, dass es weniger geschlechtsspezifische Gewalt gibt. Das ist wissenschaftlich belegt. Hier will ich die hervorragende Arbeit deutscher Polizistinnen in Führungspositionen innerhalb der EUCAP-Mission in Niger hervorheben. Sie beraten lokale Sicherheitskräfte in Gender- und Menschenrechtsfragen und nehmen eine weibliche Vorbildfunktion ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sebastian Fiedler [SPD] und Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP])

Zum Schluss möchte ich noch auf eine oft unterschätzte innenpolitische Dimension eingehen. Klar ist: Prävention ist nicht nur effektiver, sondern auch besser als die Bewältigung von Krisen und Konflikten im Nachhinein. Deswegen ist es auch richtig, dass in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie ganz klar steht: „Die Bundesregierung ist dem Primat der Prävention von Krisen verpflichtet“ – das Ganze untermauert mit dem Ziel, das polizeiliche Engagement im Ausland auszubauen. Das nehmen wir als Auftrag, daran knüpfen wir an.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Steffen Janich für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)