Rede von Lisa Paus Internationaler Frauentag

Foto von Lisa Paus MdB
17.03.2023

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauende! In der vergangenen Woche war ich zum Weltfrauentag in New York bei der 67. Sitzung der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen. Das Thema dort war „Gleichstellung im digitalen Zeitalter“. Das ist ein hochvirulentes Thema im Rahmen der Gleichstellung. Denn Algorithmen und künstliche Intelligenz beeinflussen schon jetzt unsere Entwicklung und prägen die nächste Generation. Und sie tun das keinesfalls neutral. Algorithmen geben die Wirklichkeiten wieder, mit denen sie gefüttert werden. Aber wenn die Daten, mit denen sie gefüttert werden, die Vergangenheit abbilden, dann können Algorithmen keinen Fortschritt, zum Beispiel bei der Gleichstellung, befördern, sondern dann verfestigen sie die Stereotype und die Ungleichheiten, die da sind. Wenn Digitalisierung aber die Ungleichheiten der Welt immer weiter dupliziert, dann nehmen diese Ungleichheiten sogar zu und nicht ab.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Dabei leben wir bereits in einer hochgradig ungleichen Welt. Rund um den Globus ist Armut überwiegend weiblich, Vermögen dagegen überwiegend männlich. Allein in Deutschland gibt es laut Statista 156 Milliardäre, aber nur 18 Milliardärinnen. Auf der anderen Seite sind 40 Prozent der alleinerziehenden Mütter auf Bürgergeld angewiesen, weil ihr Einkommen nicht reicht.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Aber Kinder zu haben, das darf kein Armutsrisiko sein, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist ein Armutszeugnis für unser Land, und das müssen wir beenden. Deshalb ist es so wichtig, dass diese Regierung endlich die Kindergrundsicherung einführen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb sage ich auch: Solange Vermögen und Möglichkeiten zwischen den Geschlechtern so ungleich verteilt sind, so lange ist das Patriarchat nicht beendet. Es braucht für die echte Gleichstellung von Frauen

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Gleichberechtigung!)

die drei R, das heißt gleiche Rechte,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ja! Aber nicht Gleichstellung!)

Ressourcen und Repräsentanz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Welche Rechte haben denn Frauen nicht? Sagen Sie doch mal!)

Nur eine Gesellschaft, in der sich alle frei entfalten können, ist eine freie Gesellschaft. Wir brauchen nämlich alle Talente.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und wir brauchen sie auch in der Wirtschaft. Selbstverständlich soll jeder Mensch frei entscheiden, ob er, wie er in Teilzeit oder Vollzeit arbeiten möchte. Aber Fakt ist: Viele Frauen wollen mehr arbeiten oder wollen sich aus finanziellen Gründen dafür entscheiden können. Wenn alle Frauen mit Kindern unter sechs Jahren so viel arbeiten könnten, wie sie wollen, dann hätten wir auf einen Schlag 840 000 Arbeitskräfte mehr.

(Martin Reichardt [AfD]: Ja, darum geht es Ihnen! Um die Nutzbarmachung für die Produktion! Es geht Ihnen nicht um die Rechte, es geht Ihnen nur um wirtschaftliche Interessen! – Gegenruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau von Storch geht es auch nicht um die Rechte! Hat sie doch gerade gesagt!)

Derzeit ist das aber eben schwierig. Deswegen investieren wir als Ampel kontinuierlich – Sie können auch einfach zuhören! – in die Betreuungsinfrastruktur, in die Kitaqualität, in den Ausbau der Ganztagsschulen. Wir ermutigen mit einer Elternstartzeit, also mit der Einführung der Partnerfreistellung nach der Geburt, Paare, die Sorgearbeit gleichberechtigt zu teilen. Und: Wir werden die Steuerklasse V abschaffen, weil dadurch das Einkommen von Frauen überproportional hoch besteuert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Wir werden auch das Entgelttransparenzgesetz verbessern, damit Frauen nicht länger für dieselbe Arbeit 7 Prozent weniger Lohn bekommen; insgesamt sind es bei gleichwertiger Arbeit ja sogar 18 Prozent. Und: Wir fördern Gründerinnen durch besseren Zugang zu Wagniskapital. Denn je besser die ökonomische Gleichstellung gelingt, desto besser ist das natürlich für die Frauen, aber auch für die Wirtschaft und die Gesellschaft, für uns alle.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und weil das für alle Politikbereiche gilt, haben wir als Ampel einen Gleichstellungscheck für alle Gesetze vereinbart. Wir brauchen Gleichstellung nämlich in allen Ressorts.

(Martin Reichardt [AfD]: Sie sollten mal einen Braincheck für Ministerämter einführen!)

In einem für Frauen zentralen Bereich, der Selbstbestimmung über den Körper, hat die Ampelkoalition bereits gehandelt. Wir haben den aus der Zeit gefallenen § 219a endlich abgeschafft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Jetzt können Ärztinnen und Ärzte wieder über den Schwangerschaftsabbruch informieren, ohne gegen ein vermeintliches Werbeverbot zu verstoßen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Genau, und als Nächstes kommt der § 218 weg! Kindermord bis zum neunten Monat!)

Und Ende dieses Monats werden wir die Sachverständigenkommission einsetzen, die unabhängig prüfen wird, ob wir den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland noch außerhalb des Strafrechts regeln können und, wenn, dann auch wie. Ich freue mich auf die Arbeit mit der Kommission.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Hat lange genug gedauert!)

Sie sehen also: Als Fortschrittskoalition ist es unser Ziel, dass die Gleichstellung aller Geschlechter endlich Wirklichkeit wird; denn erst dann ist jede und jeder frei, sich zu entfalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Mariana Iris Harder-Kühnel [AfD])

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Das Wort erhält Dorothee Bär für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)