Rede von Katja Keul Internationaler Strafgerichtshof

28.06.2018

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Verabschiedung des Römischen Statuts vor 20 Jahren, am 17. Juli 1998, war definitiv ein historischer Schritt. 45 Jahre nach den Nürnberger Prozessen konnte sich endlich die Idee eines ständigen Strafgerichtshofs durchsetzen, der bei Völkermord, schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit tätig werden sollte.

123 Staaten haben den Internationalen Gerichtshof bis heute anerkannt. Die Freude darüber wird nur geschmälert durch die Tatsache, dass ausgerechnet die drei großen Vetomächte im Sicherheitsrat, Russland, China und die USA, die Römischen Verträge bis heute nicht ratifiziert haben.

Deswegen wollen wir hier im Bundestag den 20. Jahrestag noch mal nutzen, um fraktionsübergreifend deutlich zu machen, dass eine Gerichtsbarkeit davon lebt, dass sie von allen gleichermaßen anerkannt wird und Kriegsverbrechen von allen gleichermaßen verfolgt werden können.

Wir appellieren daher an USA, China und Russland, das Weltrechtsprinzip zu unterstützen, die Verträge zu ratifizieren und sich der Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.

Ja – die Zeiten sehen nicht danach aus. Wir erleben eine Abkehr aus internationalen Verträgen, seien es Abrüstungsverträge, Klimaverträge oder der UN-Menschenrechtsrat. Jeder will nur noch an sich selbst denken. Aber deswegen ist es erst recht wichtig, die bestehenden Institutionen zu verteidigen, ihre Bedeutung zu erklären und für sie zu werben.

Trotz der Verweigerung durch die Großmächte leistet der internationale Strafgerichtshof seit seiner Einsetzung einen wichtigen Beitrag gegen die Straflosigkeit schwerster Kriegsverbrechen.

23 Fälle aus zehn verschiedenen bewaffneten Konflikten wurden bislang vom ICC befasst. In vier Fällen wurde der Fall von einem Vertragsstaat selbst unterbreitet, in zwei Fällen hat der Sicherheitsrat die Fälle überwiesen, und in drei Fällen wurde der ICC von Amts wegen tätig.

Die Aufarbeitung krankt aber oft an vielen Problemen.

So wurde gerade erst Kongos Ex-Vizepräsident ­Bemba zehn Jahre nach seiner Verhaftung in zweiter Instanz wegen Verfahrensmängeln freigesprochen. „Die ernsthaften Fehler der ersten Instanz machen die strafrechtliche Verantwortung nichtig“, begründete die Berufungsrichterin ihre Entscheidung.

Bei allem Verständnis für die Komplexität solcher internationaler Verfahren ist ein solcher Verfahrensablauf nicht geeignet die Aktzeptanz des Gerichtshofs zu erhöhen. Wir wollen daher untersuchen, wie wir den Gerichtshof weiter stärken und die Verfahren effizienter gestalten können.

Dazu gehört auch die finanzielle Stärkung des Opferschutzfonds, über den Reparationsleistungen an die Opfer gezahlt wird.

Doch zu allererst braucht es immer den politischen Willen zur Aufklärung. Wie es aussieht, wenn dieser fehlt, erleben wir seit Jahr und Tag in Syrien. Da Syrien kein Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs ist, kann die Zuständigkeit des Strafgerichtshofes nur über einen Beschluss des Sicherheitsrates herbeigeführt werden. Eine solche Resolution ist aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage im Sicherheitsrat leider gescheitert.

Der UN-Menschenrechtsrat hatte dafür bereits 2011 eine Untersuchungskommission für Syrien eingesetzt. Letztes Jahr hat die ehemalige Chefanklägerin des ICC, Carla del Ponte, den Vorsitz dieser Untersuchungskommission entnervt hingeschmissen. In Syrien hätten inzwischen alle Beteiligten Kriegsverbrechen begangen, und sie hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, alle Verbrechen zu untersuchen, egal von wem sie begangen wurden. Doch jede Seite will nur die Verbrechen des anderen untersucht wissen. Leider gilt das sogar für die Koalition der Willigen, an denen auch die Bundesrepublik militärisch beteiligt ist.

Die rücksichtslose Bombardierung von dicht bewohnten Stadtteilen in Rakka mit unpräzisen Waffen hat im letzten Jahr über 1 000 Zivilisten das Leben gekostet. Amnesty ist in seinem Bericht zu dem Ergebnis gekommen, diese Angriffe könnten als Kriegsverbrechen gewertet werden.

Wir dürfen bei der Aufarbeitung keinesfalls mit zweierlei Maß messen. Auch diese Vorfälle müssen untersucht und gegebenenfalls geahndet werden. Nur so können wir dem Recht Geltung verschaffen.

Lassen Sie uns das 20-jährige Bestehen des Römischen Statuts in Demut feiern und weiter beständig an der Durchsetzung des Weltrechtsprinzips arbeiten. Wir stehen immer noch am Anfang.