Lamya Kaddor
25.04.2024

Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Welt hielt in der Nacht auf den 14. April 2024 den Atem an, bangte mit den Menschen in Israel, die in Luftschutzbunkern Schutz suchen mussten. Zum ersten Mal in der Geschichte hat der Iran Israel von seinem Territorium aus direkt angegriffen und damit offenbart, was er seit Jahren öffentlich proklamiert und bisher durch seine Praxis anstrebte: die Zerstörung des Staates Israel. Dieser Angriff hatte das Potenzial, die gesamte Region in Brand zu stecken. Sehr geehrte Damen und Herren, nach dieser Nacht muss wirklich jeder verstanden haben: Das iranische Regime ist zusammen mit seinen Milizen der zentrale Destabilitätsfaktor im Nahen Osten und die größte Gefahr für Israels Sicherheit, für ein friedliches Zusammenleben in der Region und für viele Menschen in denjenigen Ländern, die in seinem Einflussbereich stehen, nicht zuletzt für die Menschen im Iran selbst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kein Zufall ist es, dass ausgerechnet am Tag des iranischen Angriffs auf Israel die sogenannte Sittenpolizei ihre unerträgliche Repression gegen iranische Frauen im öffentlichen Raum unter dem Stichwort „Noor-Plan“ verstärkte. Gestern wurde der iranische Rapper Toomaj Salehi im Iran zum Tode verurteilt, weil er in seiner Musik gegen das Regime aufbegehrte und zum Vorbild für die Protestbewegung geworden ist. Er sang harmlose Zeilen wie diese:

„Jemandes Verbrechen war es, ihr Haar im Wind tanzen zu lassen, jemandes Verbrechen war es, mutig und kritisch zu sein.“

Dieses Regime schlägt nach innen wie nach außen, weil es längst jegliche Legitimation und Stärke verloren hat. Es braucht die proklamierte Feindschaft zu Israel, und es braucht die Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Der notwendige Wandel im Iran muss und kann nur von innen kommen, und er wird von innen kommen. Davon bin ich überzeugt.

Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: Deutschland ist ein wichtiger internationaler Player; aber Deutschland und auch Europa werden dieses Regime mit Sanktionen nicht gänzlich einhegen können, nicht mal zusammen mit den USA. In die Lücken, die wir mit unseren Sanktionen reißen, springen Russland, China und andere aufstrebende Nationen. Die Welt ist breiter geworden, und wir müssen das natürlich zur Kenntnis nehmen. Von der Vorstellung, die Welt ließe sich vom Westen aus nach Belieben dirigieren, sollte sich jeder verabschieden, meine Damen und Herren.

Für uns ist jedoch klar: Diesem nach innen wie nach außen aggressiven iranischen Regime werden wir uns weiter entschlossen entgegenstellen. Die klare Haltung, die mit Annalena Baerbock in die deutsche Iranpolitik eingekehrt ist,

(Alexander Radwan [CDU/CSU]: Haben wir was versäumt?)

zeigt sich in mittlerweile zehn Sanktionspaketen allein seit 2022, in der Einberufung einer Fact-Finding Mission im Menschenrechtsrat, in der mehrfachen Einbestellung des iranischen Botschafters, in der engagierten Diplomatie im Hintergrund sowie im koordinierten und abgestimmten Handeln mit unseren verbündeten Staaten. Damit hat diese Bundesregierung den Kuschelkurs der Merkel-Jahre beendet, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ye-One Rhie [SPD] und Renata Alt [FDP])

Anstatt alte Anträge vorzulegen, werden wir Sanktionen überall dort, wo sie diejenigen treffen, die wir treffen wollen, nämlich die Verantwortlichen im Apparat, weiter kontinuierlich ausbauen. Und ich bin unserer Außenministerin dankbar, dass sie diese Haltung auch in Europa konsequent vertritt. Erst diese Woche haben wir in der EU neue Sanktionen gegen Einzelpersonen bei den Revolutionsgarden und im Verteidigungsministerium beschlossen sowie Irans Drohnen- und Raketenprogramm weiter sanktioniert, mit dem das Regime seine Verbündeten auf der ganzen Welt versorgt, nicht zuletzt Russland.

Die vergangene Woche hat gezeigt, dass gerade ballistische Raketen eine ernste Bedrohung sind und den israelischen Schutzschirm durchbrechen konnten, teilweise wenigstens. Sie sind gleichzeitig auch die notwendige Trägertechnologie für mögliche iranische Atombomben; denn wir müssen leider auch erleben, wie das Regime in Teheran sein Nuklearprogramm weiter vorantreibt. Die Internationale Atomenergiebehörde warnt, dass es insbesondere seit dem vergangenen Oktober zu weiteren Urananreicherungen gekommen ist und internationale Kontrolleure ihren Untersuchungen an iranischen Atomanlagen nicht mehr nachkommen können. Meine Damen und Herren, was ein atomar bewaffneter Iran für die globale Sicherheit bedeuten würde, muss ich nicht ausbuchstabieren. Unser oberstes Ziel muss daher weiter ein atomwaffenfreier Iran sein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das zwingt uns auch dazu, dass wir weiterhin mit diesem Regime werden reden müssen. Wir können die Kanäle nicht vollständig abbrechen, wenn wir das Schlimmste verhindern wollen. In Ihren Anträgen läuft es aber genau darauf hinaus. Kein Wort dazu oder keine Antwort darauf, wie Sie mit der atomaren Gefahr umgehen wollen. Keine Antwort auf die aktuellen Entwicklungen. Keine Antwort, wie wir effektive und zielgerichtete Sanktionen umsetzen können.

Unsere Botschaft an das Regime ist unmissverständlich: Euren schändlichen Einfluss nach innen wie nach außen lassen wir nicht unbeantwortet. Keine Gutgläubigkeit mehr bei den Milizen, beim Raketen- oder Atomprogramm, keine Gutgläubigkeit mehr beim „Wandel durch Handel“. Zugleich aber hat unsere Außenministerin die Zeichen der Zeit erkannt: dass Diplomatie der Weg zu Deeskalation sein kann, dass es jetzt darum geht, ein regionales Anti-Iran-Bündnis zu stärken, das nicht nur dessen destruktiven Einfluss in der Region adressiert, sondern sich auch bei der Lösung des Nahostkonflikts engagiert. Diesen konstruktiven Weg werden wir weiter unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Johann David Wadephul.

(Beifall bei der CDU/CSU)