Zur Darstellung dieses Videos speichert Youtube Daten in einem Cookie und verarbeitet auch Nutzungsdaten außerhalb der EU. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

13.02.2020

Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Islamismus und Rechtsextremismus zählen zweifellos zu den größten Bedrohungen für die innere Sicherheit. Das untermauern die Berichte des Verfassungsschutzes, das zeigen uns journalistische, aber auch wissenschaftliche Arbeiten, und das wird natürlich auch durch die Anschläge der letzten zehn Jahre mehr als deutlich, sowohl durch die geplanten und die erfolgreich verhinderten als auch durch die tatsächlich durchgeführten, leider mit vielen Verletzten und auch Toten. Daher ist es wichtig und richtig, dass entsprechende Bestrebungen wirklich eingehend analysiert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Grüne haben wiederholt und immer wieder auf die zum Teil gravierenden Defizite in diesem Bereich hingewiesen, die wir dringend anpacken müssen. Was wir aber ganz sicher nicht brauchen, ist ein weiterer Heuchelantrag der AfD,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

ein Antrag, in dem Sie Dinge fordern, die zum Teil schon Realität sind, zum Beispiel die Beobachtung der Muslimbrüder, ein Antrag, in dem Sie Ihren Ausländerhass mit scheinbarer Religionskritik wenn auch nur sehr schlecht zu überdecken versuchen.

(Martin Hess [AfD]: Das ist doch Quatsch! Lesen Sie doch den Antrag richtig!)

Dann kommt auch noch gerade aus Ihrer Feder die Idee einer bilateralen Sicherheitskooperation mit Israel. Ja, wahrscheinlich hat Herr Gauland genau davon geträumt, als er im Deutschen Bundestag bei der Rede des Präsidenten Rivlin hier im Plenarsaal eingeschlafen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist eine Lüge!)

Nein, meine Damen und Herren, es ist genau ein solches Verhalten, es ist genau dieses Verhalten wie das von Ihnen zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, das uns allen zeigt, wie Sie in Wirklichkeit zu Israel und der historischen Verantwortung Deutschlands stehen, nämlich gar nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich ist der gewaltorientierte Islamismus ein virulentes Problem in unserer Gesellschaft; dem müssen wir allerdings mit ernsthaften Initiativen begegnen. Wir als Grüne haben in der Vergangenheit immer wieder auf den Handlungsbedarf hingewiesen. Unsere Vorschläge liegen seit Langem auf dem Tisch. Wir brauchen endlich ein bundesweites Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir hatten dazu in der letzten Wahlperiode auch eine große Anhörung im Innenausschuss. Die Experten haben uns allesamt in unseren Forderungen bestätigt; nur leider hat die Bundesregierung diese Impulse nicht aufgenommen. Deswegen haben wir weiterhin nur Stückwerk und einen riesengroßen Flickenteppich. Wir brauchen bei der Prävention aber endlich ein vernetztes Vorgehen von Bund, Ländern, Kommunen und auch der Zivilgesellschaft, damit wir überall gleichmäßig hohe Standards haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Wir müssen die Radikalisierung effektiv da bekämpfen, wo sie ihren Ausgang nimmt, Herr Thomae; das sehen wir ganz genauso wie Sie, und hier müssen wir endlich entscheidend vorankommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Auch drängen wir seit Langem darauf, dass wir mit Blick auf die vielen Hundert deutschen IS-Kämpfer im Ausland keine Laissez-faire-Politik betreiben dürfen, nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Wir sind nach der vorläufigen militärischen Niederlage des IS für die deutschen Staatsbürger in Syrien und im Irak verantwortlich. Wir müssen endlich eine geordnete Rückkehr nach Deutschland organisieren, damit radikalisierte Menschen nicht völlig unkontrolliert nach Deutschland einreisen und möglicherweise unter dem Radar der Sicherheitsbehörden hier Anschläge begehen. Aussitzen ist hier keine Lösung. Die Rückkehr muss geordnet organisiert werden, damit deutsche IS-Kämpfer hier in Deutschland garantiert der Strafverfolgung zugeführt werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])

Denn auch die Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen bleibt trotz einer gewissen Beruhigung im letzten Jahr unverändert hoch.

Die parlamentarische Aufklärung des Anschlags auf dem Breitscheidplatz zeigt, dass es einen dringenden Reformbedarf bei der föderalen Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden gibt. Landes- und Bundespolizeien sowie die Verfassungsschutzbehörden arbeiten viel zu häufig aneinander vorbei. Sie tauschen sich lose im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum aus, für das es im Übrigen immer noch keine einheitliche Rechtsgrundlage gibt. Außerdem gibt es immer noch keine klaren Verantwortlichkeiten für länderübergreifende Fälle.

Aber die Bundesregierung geht die dringend notwendigen Reformen in diesem Bereich einfach nicht an, sondern bleibt bei ihrem verheerenden Ansatz einer rein situativen Sicherheitspolitik. Anstatt über effektive Problemlösungen zu diskutieren, haben wir hier monatelang über die Fußfessel für Gefährder geredet. Wohin solche sicherheitspolitischen Blindflüge führen, zeigt die Arbeit unseres Untersuchungsausschusses Woche für Woche.

Gleich nach dieser Debatte hier geht es übrigens genau dort in diesem Untersuchungsausschuss weiter, und ich bin ziemlich gespannt, wen die AfD heute in den Untersuchungsausschuss schickt. – Sie sind zwar physisch anwesend, aber wenn wir einmal ganz ehrlich sind, das Arbeiten dort haben Sie jetzt nicht gerade erfunden,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

und Frau von Storch hat den Ausschuss ja schon früh aus purer Lustlosigkeit verlassen.

Wenn es Ihnen mit der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wirklich ernst ist, ja, dann machen Sie doch im Untersuchungsausschuss einmal richtig mit und schicken nicht jede Woche einen anderen Abgeordneten zu den Sitzungen. Legen Sie einmal Ihre geistige Vollverschleierung ab und lesen Sie die Akten!

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann sind Sie vielleicht auch in der Lage, den Zeugen ein paar kluge Fragen zu stellen und etwas zur Aufklärung beizutragen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

In diesem Untersuchungsausschuss hätten Sie längst zeigen können, dass es Ihnen beim Thema Islamismus ernst ist. Aber dafür interessieren Sie sich nicht, und das zeigt wieder einmal Ihre tiefe Missachtung parlamentarischer Arbeit. Wir alle wissen das nicht erst seit den Vorgängen in Thüringen letzte Woche: Die parlamentarische Demokratie ist für Sie nur Mittel zum Zweck, unsere verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Daher werden Sie zu Recht vom Verfassungsschutz untersucht,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nicht wir!)

übrigens genau wie die in Ihrem Antrag genannten Organisationen auch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Müller, ich erteile Ihnen als nächstem Redner das Wort.