Merle Spellerberg
17.01.2024

Merle Spellerberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme den Rat der Präsidentin direkt ernst und ziehe zwei Sachen an den Anfang. Zum Ersten: Der Entschließungsantrag hat mit dem Tagesordnungspunkt eigentlich recht wenig zu tun. Zum Zweiten: Ich möchte den Dank an die Wehrbeauftragte und ihr gesamtes Team gerne auch an den Anfang stellen. Die Arbeit – die schätzen wir hier alle sehr – ist für die Truppe und für uns enorm wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Als wir Ende des letzten Jahres mit dem Verteidigungsminister in Litauen waren, hatten wir die Möglichkeit, gemeinsam mit den Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten vor Ort zu sprechen. Derzeit sind circa 800 deutsche Soldatinnen und Soldaten in Litauen stationiert, jeweils für ein halbes Jahr. Und schon bald werden dort etwa 4 800 deutsche Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten dauerhaft stationiert sein. An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Soldaten, die schon jetzt ihren Beitrag leisten oder auch in der Zukunft, meinen Dank ausrichten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Der Beitrag, der dort geleistet wird, ist ein klares Zeichen an unsere Partner, dass Deutschland Verantwortung für die Bündnisverteidigung übernimmt und die Zeitenwende umsetzt.

Doch auch die Soldatinnen und Soldaten brauchen von uns ein klares Zeichen, nämlich ein Zeichen, dass wir sie bei ihren zunehmenden und herausfordernden Aufgaben unterstützen: mit angemessener materieller Ausstattung, mit einer lückenlosen Versorgung ihrer selbst und ihrer Angehörigen, mit der notwendigen Infrastruktur, wie in Litauen familienfreundlichen Wohnungen, deutschsprachigen Kitas und Schulen sowie der Möglichkeit für Partner/-innen, vor Ort zu arbeiten. In den Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten in Rukla wurde uns neben diesen Bedarfen aber eben auch von Sanitäranlagen aus dem letzten Jahrhundert berichtet, von mangelhafter Verpflegung, von fehlenden Klimaanlagen in Containereinheiten, was zugegebenermaßen bei diesem Wetter nicht ganz so problematisch ist, im Sommer aber eben schon.

Solche Probleme, liebe Kolleginnen und Kollegen – das wissen Sie, und das wissen wir alle, auch dank des Berichtes der Wehrbeauftragten –, gibt es aber nicht nur in Litauen. Auch beim Aufbau des neuen Bundeswehrstandorts in Bernsdorf bei Bautzen etwa muss gewährleistet werden, dass die Soldatinnen und Soldaten zeitgemäße Sanitäranlagen, angemessene Stuben, eine anständige Truppenküche und funktionierendes WLAN haben. Diese Dinge mögen für viele nach Selbstverständlichkeiten klingen – und so sollte es auch sein –, doch der Jahresbericht der Wehrbeauftragten zeigt erneut, dass dies leider noch nicht der Fall ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns in einem Punkt alle einig: Unsere Soldatinnen und Soldaten haben es verdient, dass wir ihnen nicht nur hier im Plenum regelmäßig unseren Dank aussprechen, sondern dass sich unsere Wertschätzung vor allem in ihrer Arbeits- und Lebensrealität widerspiegelt. Was mir beim Jahresbericht besonders wichtig ist, ist die Tatsache, dass der Bericht neben diesen materiellen Mängeln und Defiziten auch auf die verschiedenen schon angesprochenen Personalthemen und Probleme aufmerksam macht. So zeigt der Bericht auf, dass noch immer kaum Frauen in den Führungsebenen der Bundeswehr sind, dass Frauen Alltagssexismus und sexualisierte Gewalt erleben und dass es weiterhin an Unterstützung für Soldatinnen und Soldaten mangelt, die ihre Familie, die Pflege von Angehörigen und ihren Dienst unter einen Hut bekommen müssen. Diese Herausforderungen werden oft als sogenannte softe Personalthemen abgetan. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie kann die Bundeswehr für eine breite und diverse Zielgruppe attraktiv als Arbeitgeberin sein, wenn genau diese Arbeits- und Lebensrealitäten nicht mitgedacht, nicht ausreichend ernst genommen werden? Diese Erkenntnis findet noch nicht ausreichend Raum, wenn wir darüber sprechen, dass wir a) Personal halten und b) zusätzliches Personal gewinnen müssen, insbesondere in Zeiten von mehr Landes- und Bündnisverteidigung, in Zeiten der Zeitenwende, insbesondere wenn wir von unseren Soldatinnen und Soldaten verlangen, über 1 000 Kilometer entfernt umzuziehen, um in Litauen die NATO-Ostflanke zu stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD])

Auch brauchen wir weiterhin eine Militärseelsorge für unsere muslimischen Soldatinnen und Soldaten. Wir brauchen eine Nulltoleranzpolitik bei sexualisierter Gewalt und bei Rechtsextremismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Nur so kann die Bundeswehr ihr Personal halten und als Arbeitgeberin für eine breitere und diverse Zielgruppe attraktiv sein. Und das muss sie, wenn wir die Einsatzbereitschaft und die Verteidigungsfähigkeit auch personell gewährleisten wollen.

Wichtige Schritte in diese Richtung haben wir als Ampel bereits auf den Weg gebracht. Mit der bereits angesprochenen Allgemeinen Regelung „Umgang mit Sexualität und sexualisiertem Fehlverhalten“ verfolgen wir einerseits einen zeitgemäßen Umgang mit Sexualität und andererseits eine Nulltoleranzpolitik bei sexualisiertem Fehlverhalten. Die Ende letzten Jahres verabschiedete Neufassung des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist ein weiterer wichtiger Schritt. Schließlich haben wir mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldatinnen und Soldaten aus der Bundeswehr ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Doch es gibt noch weitere Baustellen auf dem Weg zu einer vielfältigen Bundeswehr. Diese sollten wir entschlossen und mutig gemeinsam angehen. Dazu gehören zum Beispiel auch Kampagnen der Bundeswehr, die gezielt Personen mit Migrationshintergrund ansprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 2023 ist schon viel passiert. Aber wenn wir nicht wollen, dass die nächsten Berichte der Wehrbeauftragten eine Wiederholung sind, bleibt weiterhin viel Arbeit vor uns. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Und damit bin ich fertig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Hannes Gnauck für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)