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18.12.2019

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In letzter Zeit haben wir hier im Bundestag viel über die Sanktionen geredet, und unsere grüne Position ist eindeutig: Wir wollen die Sanktionen abschaffen. Das reicht aber nicht. Deshalb wollen wir bei Hartz IV auch die gesetzlichen Grundlagen im Bereich der Arbeitsförderung verändern; denn diese Grundlagen werden weder den Langzeitarbeitslosen noch der engagierten Arbeit der Jobcenterbeschäftigten gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Menschen sind aus ganz unterschiedlichen Gründen langzeitarbeitslos. Manche haben keine Ausbildung, andere haben gesundheitliche Probleme, und manchmal ist es einfach nur das Alter. Auf diese unterschiedlichen Problemlagen aber hat die Arbeitsförderung heute immer die gleiche Antwort, und die heißt: Aktivierung – Aktivierung durch verschiedene Maßnahmen, Aktivierung hinein in Jobs, egal ob sie prekär oder nur von kurzer Dauer sind. Und genau diese Logik wollen wir verändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Denn Langzeitarbeitslosigkeit ist kein rein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem, weil unsere Arbeitswelt nicht inklusiv ist. Und deshalb brauchen Menschen, die lange arbeitslos sind, Beratung auf Augenhöhe, individuelle Unterstützung, und das alles mit Respekt und Wertschätzung. Dafür braucht es im SGB II einen Perspektivwechsel. Nötig sind auch bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Jobcentern. Und genau das fordern wir mit unserem Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Drei Punkte möchte ich kurz ansprechen:

Erstens. Wir brauchen Freiwilligkeit in der Arbeitsförderung. Es muss Schluss sein mit den standardisierten Eingliederungsvereinbarungen, mit seitenlanger Rechtsfolgenbelehrung. Die Jobcenterbeschäftigten und Erwerbslosen sollen stattdessen realistische Ziele und Teilschritte vereinbaren, und zwar gemeinsam, auf Augenhöhe. Denn nur dann, wenn die Arbeitslosen einzelne Integrationsschritte nachvollziehen können, wenn die Angebote für die Menschen Sinn machen, wenn sie Chancen und Perspektiven eröffnen, entsteht Motivation für den schwierigen Weg zurück in die Arbeitswelt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zweitens. Der Vermittlungsvorrang muss abgeschafft werden; denn die Vermittlung in Arbeit funktioniert nicht für alle in einem Schritt und auf direktem Weg. Und es entmutigt auch, wenn die Jobaufnahme immer wieder scheitert. Deshalb brauchen viele langzeitarbeitslose Menschen Zwischenschritte und geschützte Räume, in denen sie sich ausprobieren und gute Erfahrungen sammeln können. Andere hingegen brauchen echte Qualifizierung, beispielsweise eine Berufsausbildung. Dafür braucht es Anreize. Wir wollen ein Weiterbildungsgeld, das über dem Arbeitslosengeld II liegt. Grundlage dafür ist ein Recht auf Qualifizierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Drittens wollen wir auch die Jobcenter stärken. Sie müssen mehr Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten bekommen; denn die Jobcenter sollen ja die Arbeitslosen individuell entsprechend ihren Stärken und Schwächen unterstützen. Das geht eben nicht mit bundesweiten Maßnahmen von der Stange. Notwendig sind Angebote, die regional entwickelt und ausgeschrieben werden und dann zu den Menschen passen, damit Integration tatsächlich gelingen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen Hartz IV überwinden. Dabei geht es um die Sanktionen, um einen Regelsatz, der vor Armut schützt, und mit diesem Antrag auch um einen Perspektivwechsel bei der Arbeitsförderung. Das ist unser Gesamtkonzept. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Es wird bestimmt spannend und auch kontrovers.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abg. Jessica Tatti [DIE LINKE])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Professor Dr. Matthias Zimmer.

(Beifall bei der CDU/CSU)