Dr. Till Steffen
24.11.2022

Dr. Till Steffen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Buschmann! Meine Damen und Herren! Ich möchte über den Pakt für den Rechtsstaat sprechen. Tatsächlich ist es so: Wir haben im Koalitionsvertrag zweierlei vereinbart, nämlich den Pakt für den Rechtsstaat zu verstetigen und ihn um einen Digitalpakt für die Justiz zu erweitern.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aha!)

Wir haben im vorliegenden Haushalt die Voraussetzungen für den Einstieg in den Digitalpakt für die Justiz geschaffen. Ein Pakt setzt natürlich voraus, dass man vernünftige Vereinbarungen trifft. Das gilt für beide Seiten. Insoweit ist es auch richtig, genau hinzugucken, was dahin gehend länderseitig gemacht wird. Voraussetzung ist, dass man vernünftig vereinbart. Der zweite Teil – die Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat – ist ein Vorhaben im Koalitionsvertrag, das seiner Umsetzung noch harrt und das wir natürlich dringend angehen müssen.

(Beifall des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und ja, wenn man sich diesem Thema widmet, wird natürlich auch ein Pakt für den Rechtsstaat, der nicht notwendigerweise eins zu eins so zu sein hat, wie es in der Vergangenheit war, sich stark mit Themen der Digitalisierung beschäftigen müssen. Das ist auch notwendig. Es ist eine vielbeachtete Studie der Bucerius Law School veröffentlicht worden. Da hat man verglichen und geschaut, wo wir bei der Digitalisierung der Justiz stehen. Tatsächlich war das Ergebnis – und das ist der Ausgangspunkt für diese Koalition –, dass Deutschland anderen Staaten, die sich schon länger bemühen, 10 bis 15 Jahre bei der Digitalisierung hinterherhinkt.

Wenn wir jetzt modernisieren, dann ist das allein natürlich nicht ausreichend, weil es darauf ankommt, dass wir den Rückstand aufholen. Das heißt, wir müssen in Sachen Innovation schneller werden und dürfen den Abstand nicht größer werden lassen. Deswegen müssen wir natürlich eine andere Form von Innovation an den Tag legen. Gerade deswegen brauchen wir große Ressourcen von Bund und Ländern, um das als gemeinsamen Prozess hinzukriegen. Das muss tatsächlich in vertrauensvoller Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das klingt ja schon besser!)

Das ist wichtig, weil es auch um die Frage geht, ob die Lebensrealität der Menschen noch irgendetwas mit der Realität bei Gericht zu tun hat; denn wenn das zu weit auseinanderfällt, dann leidet die Akzeptanz des Rechts. Das wäre ein Angriff auf die Resilienz des Rechtsstaates, weil die Leute ihre Probleme dann vielleicht anders lösen. An dieser Stelle muss ich ganz klar sagen: Wer in diesen Debatten mit Schuldzuweisungen arbeitet, ist Teil des Problems. Wir müssen das gemeinsam hinkriegen.

Deswegen ist es nicht ausreichend, zu sagen: Es ist super, dass wir so weit sind, dass bei den Bundesgerichten die E‑Akte eingeführt ist. – Natürlich können wir erst zufrieden sein, wenn wir sagen können: Alle Gerichte bei Bund und Ländern sind so weit. – Der Bund muss ein Auge darauf haben, dass das am Ende gelingt.

Die E‑Akte ist nur die Voraussetzung für eine effektive Digitalisierung. Die E‑Akte ist nur ein Schritt, der schon längst hätte erfolgen müssen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Verabredung über den nächsten Schritt. Wie kommen wir zu einer wirklich durchgreifenden Digitalisierung? Zwei Voraussetzungen dafür will ich nennen:

Erstens. Es reicht nicht aus, einfach analoge Prozesse, die entstanden sind, weil wir in der Vergangenheit mit Papier gearbeitet haben, ins Digitale zu übertragen, sondern wir müssen auch die Prozesse verändern. Bislang übertragen wir tatsächlich nur diese analogen Prozesse ins Digitale. Da müssen wir zu einem ganz anderen Digitalisierungsansatz kommen.

Zweitens. Wir müssen Prozesse von Anfang bis Ende denken. Ich will nur ein kleines Beispiel geben: In Hamburg haben die Gerichtsvollzieher die elektronische Akte zur Verfügung und sind jetzt durch wundersame Fügung zuständig für alle Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, die bei der Postbank einzureichen sind, bundesweit. Das führt dazu, dass das elektronisch beim Gerichtsvollzieher eingeht, dort aber alles ausgedruckt werden muss und jeden Tag ein Lieferwagen zur Niederlassung der Postbank fährt. – Das funktioniert nicht. Ich sehe das Bundesjustizministerium in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass solche Prozesse von Anfang bis Ende digitalisiert stattfinden, auch wenn Player aus anderen Zuständigkeitsbereichen einen Beitrag leisten müssen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Abgeordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)