Rede von Katja Keul Rüstungsexporte an Saudi-Arabien

04.04.2019

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die französische Botschafterin hat in einem längeren Beitrag für die Bundesakademie für Sicherheitspolitik die Position ihrer Regierung begründet. Trotz aller Widersprüche hat sie an einem Punkt recht: Das deutsche Exportkontrollsystem ist nicht restriktiv, sondern unberechenbar. Die Bundesregierung beschließt Grundsätze, an die sie sich nicht hält. Sie begründet ihre einzelnen Entscheidungen nicht und versucht, sich bei diesem unbeliebten Thema schlicht wegzuducken. Am Ende genehmigt sie genauso viele Exporte wie Frankreich, aber nicht mal die Unternehmen wissen, wann, warum und wohin.

Wir Grünen hingegen fordern seit Jahren eine gesetzliche Regelung mit klaren Kriterien, einer Begründungspflicht und einer gerichtlichen Überprüfbarkeit. Dann wüssten alle Beteiligten von vornherein, woran sie sind.

Jetzt hat die Koalition das Exportmoratorium für Saudi-Arabien wieder für einige Monate verlängert, aber immer noch keine finale Entscheidung über den Widerruf getroffen. Am 30. September geht die Eierei dann wieder von vorne los.

Positiv ist, dass die ausstehenden 48 Eurofighter bis zum Jahresende nicht ausgeliefert werden. Aber noch besser wäre es, wenn auch keine Ersatzteile aus diesem Gemeinschaftsprogramm mehr nach Saudi-Arabien geliefert würden. Dann stünden die bereits gelieferten Eurofighter ganz schnell am Boden und könnten nicht mehr zur Bombardierung des Nachbarlandes eingesetzt werden. Leider kommt es anders, und die Bombardierungen gehen weiter, und zwar immer noch mit deutscher Munition von Rheinmetall.

Die französische Botschafterin hat noch an einem weiteren Punkt recht: Sie bezweifelt, dass das deutsche Kontrollsystem strenger sei als das französische. Frankreich achte ganz besonders darauf, dass seine Waffenausfuhrkontrollinstrumente nicht durch ausländische Niederlassungen französischer Unternehmen umgangen werden. Dieser Hinweis zielt treffsicher auf den Umgang mit den ausländischen Niederlassungen von Rheinmetall, die Munition aus Italien und Südafrika für den Jemen-Krieg liefern, ohne dass die Bundesregierung dazu bisher auch nur ein kritisches Wort verloren oder gar die Lücke im Gesetz endlich geschlossen hätte.

Dass darüber hinaus ein Rheinmetall-Manager wie Andreas Schwer einfach in den staatlichen saudischen Rüstungskonzern SAMI wechselt und sein Know-how dort zu Markte trägt, wäre bei einem amerikanischen oder französischen Rüstungsmanager nicht denkbar.

Diese Gesetzeslücken zu schließen, dient nicht nur dazu, den ethischen oder moralischen Bedenken Rechnung zu tragen, sondern betrifft unser aller Sicherheitsinteresse.

Aber gerade wenn es um unser europäisches Sicherheitsinteresse geht, kann ich die französische und die britische Position wirklich nicht verstehen. Wir wollen doch im Rüstungsbereich mehr zusammenarbeiten, um unabhängiger von den USA zu werden. Die Botschafterin spricht von der Autonomie Europas. Dann macht es aber sicherheitspolitisch keinen Sinn, sich künftig von der arabischen Halbinsel abhängig zu machen.

Die Behauptung, gemeinsame Waffensystem seien nur dann wirtschaftlich möglich, wenn von vornherein klar sei, dass sie auch exportiert würden, um die Stückzahl zu erhöhen, ist nicht zu halten. Seien wir mal ehrlich: Wer auf der Welt könnte sich den Kauf eines neuentwickelten europäischen Kampflugzeugs oder eines Kampfpanzers leisten? Es geht nicht mal um eine Handvoll Staaten, darunter Katar, Saudi-Arabien und die Emirate.

Souverän macht Europa sich nicht, wenn es seine sicherheitsrelevante Technologie mit diesen Staaten teilt, um die Produktion günstiger zu machen. Bezüglich der Stückzahlen soll es ja gerade dadurch günstiger werden, dass sich die Europäer zusammentun und nur noch ein einziges System anschaffen. Wenn dieser wirtschaftliche Vorteil auch ein sicherheitspolitischer Gewinn sein soll, dann müssen die neuen Waffensysteme ausschließlich für den europäischen Markt bzw. für die Bündnispartner produziert werden – und für niemanden sonst.

In dem geheimen Zusatzannex zum Aachener Vertrag vereinbaren Frankreich und Deutschland, dass es Aufgabe jedes Staates sein soll, seine eigene Ausfuhrpolitik umzusetzen, nach dem Motto: Jeder nach seiner Fasson! Das wird aber bei Gemeinschaftsprojekten gerade nicht gehen. Hier braucht es vorab – schon bei der Planung und der Entwicklung – eine gemeinsame Grundlage, und die haben alle Beteiligten 2008 bereits beschlossen. Danach müssen Exporte abgelehnt werden, wenn sie bewaffnete Konflikte verlängern oder verschärfen. Wer trotz des Jemen-Kriegs Waffen an Saudi-Arabien liefert, verstößt damit schon heute gegen europäisches Recht.