Foto von Lisa Paus MdB
21.09.2023

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauende! Gestern war Weltkindertag, und ich freue mich, dass die Union heute ihre Vorschläge für eine Familienpolitik vorstellt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, sonst macht es ja keiner! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wir hatten gestern auch Vorschläge zum Kinderschutz!)

Ich gebe zu: Ich war wirklich neugierig auf Ihren Antrag; denn immerhin hat die Union hier einiges aufzuholen. 16 Jahre CDU-Kanzlerschaft

(Beifall der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Jawoll, 16 Jahre! Endlich! Bullshit-Bingo! Wahnsinn!)

haben genau dahin geführt, wo wir heute sind: in eine verfestigte, strukturelle Kinderarmut in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU – Gegenruf der Abg. Anke Hennig [SPD]: Das können Sie nicht mehr aushalten? Das können Sie wieder so schwer aushalten, ne? – Weiterer Gegenruf der Abg. Katja Mast [SPD]: Hauptsache, Sie können pöbeln!)

Jedes fünfte Kind ist davon betroffen.

(Anke Hennig [SPD]: Genau! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Giffey, Frau Schwesig! Die kann sich genauso wenig erinnern wie der Kanzler!)

Was aus Kindern wird, die in armutsgefährdeten Familien aufwachsen, das war viel zu lange ein Tabu in Deutschland.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut!)

Gestern haben wir noch mal frische Zahlen dazu bekommen, was die Folgen genau dieser Politik sind: Vier von zehn Kindern haben nicht das passende Schulmaterial oder Sportzeug, jedes fünfte Kind nimmt kaum mehr an Schulausflügen teil, und jedes dritte Kind sorgt sich, dass die eigene Familie nicht genug Geld hat.

(Beatrix von Storch [AfD]: Dafür haben wir Geld für die ganze Welt!)

Das ist die Situation heute in Deutschland nach 16 Jahren Kanzlerschaft der Union.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit!)

Und was präsentieren Sie heute? Den zweiten und dritten Aufguss Ihrer bisherigen Politik. Schade, meine Kollegen von der Union!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wann kommt denn was von Ihnen? Wie lange brauchen Sie denn noch mit Ihrem Gesetzentwurf? Sagen Sie das doch mal! – Gegenruf der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]: Da kam doch noch nie was! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wann redet denn Christian Lindner in der Debatte?)

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist richtig und wichtig, dass Familien mit Frühen Hilfen unterstützt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

Es ist entscheidend für mehr Chancengerechtigkeit der Kinder wie auch für bessere Erwerbsmöglichkeiten für Familien, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern investieren, und auch, dass der Rechtsanspruch kommt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: O Gott!)

Aber das ist bereits alles auf den Weg gebracht

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Nadine Schön [CDU/CSU]: Ja, von uns!)

– Von uns.

Es ist auch richtig, Kinder früh zu fördern und Kitas als faszinierende Lernorte für alle Sinne zu etablieren, insbesondere auch hinsichtlich der sprachlichen Bildung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum machen Sie es denn dann nicht?)

Deshalb haben wir die Sprachförderung mit dem KiTa-Qualitätsgesetz

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: … gekürzt und eingestampft! Eingestampft, die Sprach-Kitas!)

bereits als zentrales Handlungsfeld fest verankert und in die Regelfinanzierung überführt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulrike Bahr [SPD])

Wir arbeiten jetzt gemeinsam mit den Ländern an der Entwicklung bundesweiter Qualitätsstandards. Mit 7 Milliarden Euro unterstützen wir die Länder bei der Kitaqualität und beim Ganztagsausbau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ria Schröder [FDP])

Und wir tun noch mehr. Mit dem Startchancen-Programm werden wir 4 000 Schulen bundesweit zusätzlich unterstützen – für mehr Chancengerechtigkeit insbesondere sozial benachteiligter Schüler/-innen in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ab wann denn? – Gegenruf des Abg. Norbert Maria Altenkamp [CDU/CSU]: Deutschlandtempo!)

Denn jedes dieser Kinder, ob klein oder groß, ist uns die ganze Breite an Förderung wert.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: In der nächsten Legislaturperiode! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Aber erst ab 2025!)

Sie wissen, es findet sich im Haushalt 2024.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Tosender Applaus bei der FDP-Fraktion!)

Aber – und da besteht eben doch ein offenbar nach wie vor zentraler Unterschied, liebe Kollegin von der Union – es geht nicht um Geld oder Bildung, es geht nicht um Transferleistungen oder Investitionen in die Bildungsinfrastruktur. Kinder brauchen beides,

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Und Sie machen nichts!)

und wir geben Kindern beides,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Anke Hennig [SPD]: Genau! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Statt beidem gar nichts!)

damit sie in Deutschland gut aufwachsen können, damit sie ihre Chancen bekommen, damit sie ihre Talente entfalten können. Keine Bundesregierung hat so viele Mittel für Kinder und ihre Familien mobilisiert wie diese Bundesregierung.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Darf man hier so was behaupten, auch wenn es nicht stimmt? Das stimmt nicht! – Nadine Schön [CDU/CSU]: Es kommt kein Euro an!)

Schon jetzt sind es 7 Milliarden Euro, darunter die größte Kindergelderhöhung seit den 90er-Jahren. Mit der Kindergrundsicherung werden die Mittel in den nächsten Jahren weiter deutlich auf über 10 Milliarden Euro anwachsen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Mit dem Kindersofortzuschlag, mit der Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags und den neuen Regelsätzen im Bürgergeld steuern wir auf eine Kindergrundsicherung zu, die ihren Namen verdient. Das bedeutet für armutsbedrohte Kinder im Jahr 2025 konkret Leistungen von mindestens 530 Euro für die kleinsten und bis zu 636 Euro für die ältesten Kinder. Das wird es geben. Und ja, mehr Geld hilft eben auch armen Kindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Und wir ändern das System, die Strukturen von der Hol- zur Bringschuld: Künftig wird es eine Stelle für Familien für alle kindbezogenen Leistungen geben, egal welches Einkommen sie haben.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Wir holen damit 1,9 Millionen Kinder aus dem Bürgergeld, und wir erreichen mit dem Zusatzbetrag 5,6 Millionen Kinder zusätzlich. Wir werden einen Kindergrundsicherungscheck einführen und damit die Eltern aktiv und automatisch über ihre möglichen Ansprüche informieren. Zudem werden Berechnung und Auszahlung der Leistungen einfacher. Allein dadurch werden mehr Kinder als bisher mehr Geld erhalten, gerade auch diejenigen in verdeckter Armut, deren Eltern hart arbeiten, aber bei denen es trotzdem nicht reicht.

Ich kann Ihnen versichern: Mit diesem Systemwechsel werden wir auch das Lebensgefühl und das Selbstbild dieser Familien verändern. Wir befreien Eltern und erst recht Kinder von dem Gefühl, Bittsteller zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ja, bei der Kindergrundsicherung geht es auch darum, dass arme Kinder endlich rauskommen können aus dem „Wir haben nix, also bin ich nix, also kann ich auch nix“. Wir beenden genau diese Stigmata mit dem Service aus einer Hand. Wir wollen diesen Familien auch ein Stück Würde zurückgeben, was sie wirklich verdient haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sehr geehrte Zuhörende, laut DeutschlandTrend befürworten 60 Prozent der Menschen in Deutschland die Kindergrundsicherung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Weil sie nicht wissen, was das ist! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die wissen gar nicht, was das ist!)

Dort, wo die Union Verantwortung trägt, lade ich sie ein, mit uns gemeinsam die Situation von Familien strukturell zu verbessern.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ist der schon fertig, der Entwurf?)

Das ist wichtig für die Familien. Sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Das stärkt den sozialen Zusammenhalt und unsere Demokratie. Dazu sollte sich jede demokratische Partei verpflichtet fühlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Heidi Reichinnek.

(Beifall bei der LINKEN)