Rede von Nina Stahr Kindertagesbetreuung

Nina Stahr
16.03.2023

Nina Stahr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Eigentlich haben wir es im Bereich der frühkindlichen Bildung mit einer erfreulichen Entwicklung zu tun. Im Vergleich zu 2013, als der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz eingeführt wurde, besuchen heute 40 Prozent mehr Kinder unter drei Jahren eine Kita. Die Zahl der Fachkräfte hat sich seit 2006 nahezu verdoppelt. Im letzten Jahr, 2022, haben 860 000 Fachkräfte in diesem Berufsfeld gearbeitet. Und trotzdem: Wer mit Erzieherinnen und Erziehern spricht, wer mit Kitaleitungen oder ‑trägern oder mit Eltern spricht, hört, wie sie alle davon berichten, wie sehr das System Kita am Limit ist. Eltern verzweifeln, weil trotz Ausbau immer noch nicht überall genug Plätze vorhanden sind. Und die, die einen Platz ergattert haben, können sich nicht darauf verlassen, dass die Betreuungszeiten auch wirklich eingehalten werden, weil die Fachkräfte weiterhin fehlen. Kitaleitungen verzweifeln, weil sie die Lücken im Dienstplan einfach nicht mehr gestopft bekommen. Erzieher/-innen verzweifeln, weil sie den Kindern kaum noch gerecht werden können. Diese Situation wollen wir nicht hinnehmen. Deshalb steuert die Ampel gegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Der Handlungsbedarf ist groß. Es braucht noch mehr Kitaplätze. Es braucht noch mehr Fachkräfte; denn die Kita ist der erste wichtige Bildungsort für ein Kind außerhalb der Familie. Hier stellen wir als Gesellschaft die Weichen für die Entwicklungschancen unserer Kinder. Hierauf müssen wir unseren Fokus richten. Hier müssen wir unsere Ressourcen reinstecken.

Das sage ich ganz bewusst auch im Kontext der aktuellen Verhandlungen um die Eckwerte des Bundeshaushalts: Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung, und das umfasst auch die frühkindliche Bildung. Jeder Cent, den wir in die Bildung unserer Kinder investieren, zahlt sich am Ende mehrfach aus. Also lassen Sie uns nicht bei den Kindern sparen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das gelingt nur, wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung ernst nehmen; denn Kitas sind Länderaufgabe. Als Bund können wir Länder und Kommunen nur unterstützen. Wo das geht, da tun wir genau das. Ich nenne fünf Beispiele:

Erstens. Der Bund unterstützt seit 2008 den Ausbau der Kindertagesbetreuung umfangreich und hat einige Milliarden Euro in den vergangenen Jahren aufgebracht.

Zweitens. Wir haben das Aufstiegs-BAföG reformiert.

Drittens. Umschulungen von Erzieherinnen und Erziehern finanzieren wir nun für drei statt nur für zwei Jahre. Damit machen wir den Quereinstieg leichter.

Viertens. Mit der Fachkräftestrategie der Bundesregierung werden wir ressortübergreifend tätig, und mit Reformen im Einwanderungsrecht holen wir mehr Fachkräfte ins Land.

Fünftens. Genauso wichtig wie der Kitaausbau ist die Qualitätsentwicklung von Kitas. Deshalb stellen wir mit dem KiTa-Qualitätsgesetz den Ländern in diesem und im nächsten Jahr 4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das kann und wird auch für Personalgewinnung und für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie sehen also: Eine gute frühkindliche Bildung ist uns als Ampelkoalition ein zentrales Anliegen. Auch der heute vorliegende Gesetzentwurf zur Verlängerung des Kitainvestitionsprogramms zeigt das. Mit diesem Gesetz ermöglichen wir als Ampelkoalition, dass die Länder die Mittel für den Ausbau der Kindertagesbetreuung ein halbes Jahr länger abrufen können. Das ist bereits die zweite Fristverlängerung. Der Bund kommt damit den Bitten aus den Ländern nach. Das begrüßen wir als bündnisgrüne Bundestagsfraktion, und dem Gesetz stimmen wir natürlich zu.

In der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf am 27. Februar hat die Sachverständige der EU-Kommission ausgeführt, dass die nun geplante Fristverlängerung den europarechtlichen Spielraum komplett ausschöpft und dass eine weitere Fristverlängerung europarechtlich eben nicht möglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Der Änderungsantrag, den die Union hier einbringt, fordert nun eine Fristverlängerung um ein ganzes Jahr und behauptet, das sei europarechtlich möglich. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wie wir bereits gestern im Ausschuss erklärt haben, ist das einfach falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das Bundesfamilienministerium muss bis Mitte 2026 den Bundesabschlussbericht sowie Nachweise und das Ergebnis der Prüfung aller Verwendungsnachweise der Europäischen Kommission geben. Das bedeutet, es muss vorher alle Länderberichte erhalten und ausgewertet haben. Dieser ganze Prozess benötigt natürlich Zeit und muss auch korrekt durchgeführt werden. Würde Deutschland diese Frist reißen, müssten wir auf 500 Millionen Euro aus dem europäischen Fonds verzichten, vom Ansehensverlust innerhalb der EU gar nicht zu reden. Aus diesem Grund lehnen wir den Änderungsantrag der Unionsfraktion ab.

Wir stehen an der Seite der Kommunen, an der Seite der Fachkräfte, an der Seite der Eltern und vor allem – das ist am allerwichtigsten – an der Seite der Kinder. Die Kita ist der erste wichtige Bildungsort außerhalb der Familie. Als Ampelregierung werden wir ihn weiter zentral stärken und damit unseren Kindern nachhaltig gute Startchancen geben.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Ralph Edelhäußer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)