Nina Stahr
09.11.2023

Nina Stahr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, vielen Dank. – Ich nehme an, das gilt auch für Rednerinnen. Ich gebe mir also größte Mühe, das jetzt umzusetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen habe ich in meinem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf in Berlin die Kita „Augustastrolche“ besucht. Dort gibt es das Projekt „Kinderrepublik Deutschland“, an dem ich teilnehme. Kinder treffen Politiker/-innen und machen sie zu Botschafter/-innen für ihre Anliegen.

(Beatrix von Storch [AfD]: Anlieg/-innen!)

Wir saßen also im Morgenkreis zusammen, und die Kinder haben mir beschrieben, was sie stört und was sie sich wünschen. Abgesehen vielleicht von dem Schwimmbad, das sie gerne im Kitagarten haben wollen, waren das alles sehr vernünftige Punkte. Beispielsweise finden sie, dass zu viel Müll auf den Straßen liegt, und sie wollen, dass er weggeräumt wird. Warum sind da so viele Autos, die die Straßen zuparken, sodass die Kinder kaum rüberkommen? Oder aber: Warum fahren die Autos so schnell in den Wohngebieten, dass die Kinder sich nicht über die Straßen trauen?

(Martin Reichardt [AfD]: Da haben Sie ja ganz schön viele Suggestivfragen gestellt!)

– Ich habe gar keine Suggestivfragen gestellt. Das habe ich gar nicht nötig; denn Kinder können selber denken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE] – Martin Reichardt [AfD]: Besser als Sie auf jeden Fall! – Gegenruf von der SPD: Das war jetzt eine Beleidigung!)

Ich habe den Kindern erklärt, was wir als Politik da machen können: dass wir zum Beispiel mit dem Straßenverkehrsgesetz den Leuten, die das vor Ort entscheiden, mehr Möglichkeiten geben, den Verkehr zu regeln. Und zum Schwimmbad im Garten haben wir uns dann darauf geeinigt, dass es vielleicht auch ein Planschbecken im Sommer tun würde.

Warum erzähle ich das hier alles? Weil es zeigt, dass Kinder schon sehr, sehr früh viel verstehen, dass sie sehr früh schon eine eigene Meinung haben und durchaus in der Lage sind, Diskussionen zu führen, und welche wichtige Rolle dabei die frühkindliche Bildung in der Kita spielt. Die Erzieher/-innen in dieser Kita in meinem Wahlkreis, aber auch in den vielen anderen Kitas und Kinderläden in diesem Land machen hier genauso wie die vielen Tageseltern einen unfassbar wichtigen Job, und zwar nicht nur für die persönliche Entwicklung dieser Kinder, sondern auch für die Demokratie in unserem Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kinder, die früh lernen, dass ihre Stimme etwas zählt, werden sich auch im späteren Leben anders in unsere Gesellschaft einbringen können. Und: Gute frühkindliche Bildung ist ein Schlüssel für die Bekämpfung der Bildungskrise unseres Landes.

Es ist immer wieder beeindruckend, mit wie viel Einsatz und Fachwissen die Erzieher/-innen vor Ort die frühkindliche Bildung gestalten. Der Job, den Erzieher/-innen und Tageseltern machen, ist von so unglaublich großem Wert für unsere Gesellschaft – dafür gebührt ihnen allen unser herzlicher Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und dennoch steht die frühkindliche Bildung gerade massiv unter Druck.

Nicht nur die derzeitige Erkältungswelle macht die Situation vor Ort für Kitaleitungen, Fachkräfte, Eltern und Kinder besonders herausfordernd. Auch ohne Krankheitsausfälle arbeiten Erzieher/-innen am Limit, weil die Kitas personell häufig unterbesetzt sind. Der Fachkräftebedarf ist groß, und das, obwohl heute bereits 55 Prozent mehr Erzieher/-innen in Kitas arbeiten als 2012 und obwohl wir bereits 7 300 zusätzliche Kitas haben und sich auch der Fachkräfteschlüssel bereits verbessert hat. Das zeigt das Fachkräftebarometer des Deutschen Jugendinstituts.

Weil wir sowohl um die schwierige Situation in Kitas wissen als auch um den Zusammenhang von guter frühkindlicher Bildung, sozialer Herkunft und Bildungserfolg, unterstützen wir als Ampelkoalition die Länder, indem wir in den Dreiklang aus Infrastruktur, Fachkräften und Qualität investieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das sind Punkte, die auch Die Linke in ihrem Antrag fordert. Viele Forderungen in diesem Antrag sind wichtig und richtig. Deswegen setzen wir als Ampelkoalition davon auch schon sehr viel um. Hier gilt wie so oft: Auch wir würden, wie die Linken, gerne von allem noch mehr machen. Doch trotz der schwierigen haushalterischen Bedingungen haben wir schon viel erreicht und noch mehr angeschoben: das KiTa-Qualitätsgesetz, das Startchancen-Programm, die Kindergrundsicherung, den Ganztagsausbau, die Fachkräftestrategie, das Chancen-Aufenthaltsrecht – um hier nur einige zu nennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Mit diesem gut gefüllten Werkzeugkasten an umfangreichen Reformen kümmern wir uns um gute Bedingungen in den Kitas für die Erzieher/-innen, für die Eltern und natürlich vor allem für die Kinder – und damit übrigens auch für die Wirtschaft, die ebenfalls auf eine gute Betreuungssituation und auf gute Fachkräfte angewiesen ist, und zwar genauso auf die Fachkräfte, die heute ihre Kinder in den Kitas haben, wie auf die künftigen Fachkräfte, die heute als Kinder in den Kitas ihre ersten Schritte auf ihrem Bildungsweg gehen.

Damit die Fachkräfte in den Kitas ihren Job in Zukunft wieder unter besseren Voraussetzungen machen können, damit alle Kinder eine so tolle Atmosphäre auf Augenhöhe erleben, wie es bei den „Augustastrolchen“ in meinem Wahlkreis ist, kann ich Ihnen zum Abschluss versprechen: Wir als Bündnisgrüne arbeiten weiterhin daran, dass die Priorität, finanziell unterlegt, noch stärker auf Familien, Bildung und vor allem Kinder gelegt wird. Damit unterstützen wir nicht nur gute Arbeitsbedingungen vor Ort, sondern vor allem Bildungs- und Chancengerechtigkeit von Anfang an.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Stahr. Vorbildlich! – Ich wollte nur darauf hinweisen, bevor ich wieder in einen falschen Verdacht gerate: Ich habe nicht meinerseits auf die weibliche Form verzichtet, sondern ich habe § 35 Absatz 3 der Geschäftsordnung lediglich zitiert.

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das weiß ich! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Und das auswendig!)

– Habe ich lange dran gearbeitet, Herr Kollege Frei.

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Respekt!)

Nächster Redner ist der Kollege Gereon Bollmann für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)