Foto von Steffi Lemke MdB
16.11.2023

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern war ohne Zweifel kein gewöhnlicher Tag für die Bundesregierung und für die Politik in unserem Land. Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes selbstverständlich beachten und die erforderlichen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Was wir aber nicht tun sollten, ist, die Augen davor zu verschließen, welche wichtigen Projekte von der Bundesregierung und vom Parlament für die Finanzierung über den beklagten KTF vorgesehen sind, nämlich wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen für den Industriestandort Deutschland. Ich kann Ihnen zu meinem Bundesland Sachsen-Anhalt klipp und klar sagen: Die Förderung für eine Chipfabrik in Sachsen-Anhalt soll auch über den KTF finanziert werden. Das heißt, wir sollten nicht so tun, als ob es hier um irgendwelche Projekte einzelner Parteien oder einzelner Regierungsfraktionen ginge. Vielmehr sind die Projekte, die über den KTF finanziert werden sollen, für den Industriestandort Deutschland von entscheidender Bedeutung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Nee, überhaupt nicht!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sollten außerdem die Augen nicht davor verschließen, dass wir inmitten einer Klimakrise leben und wir alle gemeinsam in der Verantwortung stehen, deren Ausmaß und Folgen zu begrenzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir müssen wieder zum Grundkonsens zurückkommen, dass wir die Menschen in unserem Land vor den dramatischen Folgen der Klimakrise schützen müssen und dass das eine deutlich prioritärere Aufgabe ist als das Verbieten des Gendersternchens.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])

Wir haben es alle deutlich wahrgenommen: Der vergangene Oktober war der wärmste, der jemals gemessen wurde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

(Stephan Brandner [AfD]: Seit 125 000 Jahren, habe ich gelesen!)

2023 wird wahrscheinlich zum wärmsten Jahr seit Beginn der Messungen.

(Stephan Brandner [AfD]: Was sagten denn die Wetterdienste vor 125 000 Jahren aus?)

Und die Klimakrise verändert die Welt grundlegend. Im Moment können im Panamakanal über 100 Schiffe nicht weiterfahren. Sie liegen fest aufgrund der Tatsache, dass sich dort die Regensaison verschoben hat, was zu Wassermangel in den Schleusen des Panamakanals führt.

Wir befinden uns vielleicht im Jahr vier oder fünf, in dem wir die Folgen der Klimakrise wirklich sehen und spüren und auch unsere Wirtschaft diese Folgen spürt. Ich kann Ihnen nur sagen: Eines ist klar: Wir haben noch viele dieser Jahre vor uns, und deshalb ist Klimaanpassung essenziell.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das heißt, wir müssen Klimaschutzpolitik betreiben und diese selbstverständlich auch mit ausreichend finanziellen Mitteln hinterlegen. Das gilt für den technischen Klimaschutz durch Nutzung von Solar- und Windenergie, E-Autos und Gebäudedämmung genauso wie für den natürlichen Klimaschutz durch Moore, Auen, Flüsse und Wälder. Gerade der natürliche Klimaschutz schafft Mehrwert weit über den Klimanutzen hinaus. Er stärkt die Natur und hilft uns, uns an die Veränderungen durch die Klimakrise anzupassen. Das ist genauso wichtig wie der Klimaschutz selbst, das heißt die Vorsorge für und die Anpassungen an die Veränderungen durch die Klimakrise, die von vorherigen Bundesregierungen jahrelang ignoriert wurden, sodass diese Aufgabe immer drängender und auch immer komplexer wurde. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem heutigen Tag erstmals ein Gesetz dazu haben, das deutsche Klimaanpassungsgesetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich bin überzeugt, dass wir Klimaanpassung so gestalten können, dass wir daraus zusätzlichen Nutzen für die Menschen in unserem Land ziehen können: durch schattige Parks oder begrünte Fassaden – das bedeutet Klimaanpassung in der Stadt –

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das kann man heute alles schon bauen!)

oder durch naturnahe Flussauen, die uns vor Hochwasser, vor den Folgen von Starkregenereignissen schützen.

(Zuruf von der AfD)

Klimavorsorge bedeutet oft auch eine Aufwertung des öffentlichen Raums. Sie schafft Lebensqualität für unsere Menschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Was heißt Anpassung und Vorsorge ganz konkret? Für Unternehmen bedeutet das, die Logistikketten zu überprüfen und sich vorzubereiten auf die Klimaveränderungen, von denen wir heute schon sicher wissen, dass sie eintreten. Für Landwirte bedeutet das, die Bewirtschaftung anzupassen an diese erwartbaren Veränderungen. Für Krankenhäuser bedeutet das, Hitzeaktionspläne aufzustellen, und für Bürgerinnen und Bürger bedeutet das, über einen geeigneten Versicherungsschutz nachzudenken.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber diese Maßnahmen sind nicht verankert im Gesetz!)

Bei vielen Maßnahmen vor Ort spielen die Kommunen die entscheidende Rolle. Und mit dem Gesetz werden wir sie dabei unterstützen, ihre konkreten Risiken zu identifizieren; denn die sind ja in jeder Kommune anders. Zugleich verpflichten wir uns als Bundesregierung mit diesem Gesetz, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen zu verfolgen. Dabei ist eines ganz klar: Über die konkreten Maßnahmen muss vor Ort entschieden werden. Deshalb hat das Bundesumweltministerium einen ganz breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess gestartet. Neben den Fachleuten sind die Bürgerinnen und Bürger vor Ort gefragt. Wir machen das online und vor Ort in fünf Regionen, von der Ostseeküste bis zum Bayerischen Wald.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Klimaanpassungsgesetz setzen wir erstmals einen strategischen Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassung auf allen Ebenen in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und auch hier liegt die Krux in der Finanzierung. Klimaschutz und Klimavorsorge verursachen Kosten. Aber wenn wir das unterlassen würden, wären die Kosten um ein Vielfaches höher. Die Klimakrise lässt uns nicht die Wahl, sie zu ignorieren, zumindest dann nicht, wenn wir unserer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir haben keine Wahl, wenn es um die Realisierung von Gegenmaßnahmen geht.

(Stephan Brandner [AfD]: Alternativlos!)

Deshalb: Wir stehen vor großen Aufgaben. Lassen Sie uns diese gemeinsam angehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Der nächste Redner ist Steffen Bilger für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)