Rede von Dr. Julia Verlinden Klimaschutz

Foto von Julia Verlinden MdB
26.04.2024

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Klimakrise gerät leicht aus dem Blick. Aber wir wissen: Die Klimakrise ist hier, sie ist jetzt, und sie besorgt viele Menschen – zu Recht. Deswegen möchte ich mich bedanken bei denjenigen, die uns als Gesellschaft und uns in der Politik hartnäckig die Gefahr der Klimakrise vor Augen halten – die Gefahr für uns alle, für unseren Planeten, für unser Zuhause –, die nicht müde werden, uns zum Handeln anzutreiben.

(Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ja, ich weiß um das Spannungsverhältnis zwischen den Kompromissen, die die Regierungskoalition finden muss, und den Ansprüchen, den ganz unterschiedlichen Erwartungen in der Gesellschaft. Darüber, wie man Klimaschutz am besten in Gesetzesform gießt, kann man lange diskutieren, so wie wir lange in der Koalition diskutiert haben: Sektor- oder Gesamtverantwortung, rückblickende oder vorausschauende Zielkontrolle? Sind Sofortprogramme überhaupt wirksam? Das alles sind Fragen, bei denen man zu unterschiedlichen Antworten kommen kann. Aber dass Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral sein muss und dass dazu möglichst schnell gehandelt werden muss in Form von Maßnahmen, die die CO2-Emissionen runterbringen, das ist klar; auch wenn andere Themen und akute Krisen uns noch so sehr beschäftigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Heilmann von der CDU/CSU-Fraktion?

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Bitte schön, Herr Heilmann.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das jetzt alles gelesen, Herr Heilmann, die 300 Seiten?)

Thomas Heilmann (CDU/CSU):

Ja, habe ich. – Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Frau Kollegin Verlinden, dass Sie die Frage zulassen.

Ich möchte auf die Zwischenbemerkung Ihres Koalitionskollegen Kubicki zurückkommen. Teilen Sie seine Auffassung, dass man sich an geltendes Recht schon dann nicht mehr halten muss, wenn man lediglich plant, das Gesetz zu verändern?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das habe ich nie gesagt!)

Um den Sachverhalt noch einmal klarzumachen: Das OVG Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung verurteilt, weil sie gegen das Klimaschutzgesetz verstößt. Die Bundesregierung hat dann beschlossen, Revision einzulegen. Deswegen ist das Urteil nicht rechtskräftig. Aber ich teile die Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg.

Die Fragestellung ist: Teilen Sie die Auffassung von Herrn Kubicki, dass man die Klimaschutz-Sofortprogramme nach § 8 Klimaschutzgesetz nicht vorlegen musste, weil man plant, ein geltendes Recht zu verändern? Dass Sie das verändern dürfen, ist klar, aber Sie hatten es bis dahin nicht verändert. Die Frage ist, ob Sie diese rechtsstaatliche Auffassung vom Kollegen Kubicki teilen oder nicht.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Interessante Frage!)

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege Heilmann. – Ich finde es bemerkenswert: Die Union diskutiert darüber, ob ein Rahmen verändert wird, während wir die gewaltige Klimaschutzlücke, die wir von der Union geerbt haben, in den letzten zweieinhalb Jahren geschlossen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das heißt: Wir haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Wir haben das, was Sie nicht auf die Reihe bekommen haben, umgesetzt.

Jetzt geht es darum: Wie erreichen wir die Ziele nach 2030, wie schaffen wir es, klimaneutral zu werden? Darüber diskutieren wir. Wir würden gerne auch über Ihre Vorschläge diskutieren, aber ich kenne keine.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Ich kenne keine Maßnahmen bzw. Vorschläge aus der Union, die wirksam sind, um die Klimaziele zu erreichen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das aktuelle Klimaschutzgesetz ist in Kraft! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wo ist denn jetzt die Antwort?)

Ich würde meine Rede jetzt fortsetzen.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Sie können fortfahren.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich hatte eben gesagt, dass wir in Deutschland spätestens 2045 klimaneutral sein wollen, dass dafür möglichst schnell gehandelt werden muss und dass es um wirkungsvolle Maßnahmen geht, mit denen das zu schaffen ist.

Aus diesem Grund möchte ich noch einmal einen Aspekt des neuen Klimaschutzgesetzes erläutern. Der Gesetzentwurf hatte nämlich eine gravierende Leerstelle. Ab 2030 hätte es keine Konsequenzen gehabt, wenn eine künftige Bundesregierung die Klimaziele verfehlt. Dass wir jetzt erstmalig das sehr ambitionierte Ziel für 2040 scharfgestellt haben, das ist ein wichtiges Ergebnis der parlamentarischen Beratungen. Es wird nun jährlich überprüft, ob wir auf dem Zielpfad sind, ob die bereits beschlossenen Maßnahmen ausreichen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Und wenn das nicht der Fall ist, muss nachgesteuert werden. Und das ist einklagbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Dass wir auf Kurs sind, ist dem Fortschritt beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Verantwortung des grünen Wirtschaftsministeriums zu verdanken.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wie viele andere Dinge auch!)

Robert Habeck würde jetzt ganz bescheiden sagen: Nein, es war der Erfolg des gesamten Parlaments, der gesamten Koalition, dass wir für das Klimazwischenziel 2030 auf Kurs sind und langsamere Sektoren kompensiert werden.

Wir blicken mit Sorge auf den Verkehrssektor, der einen Berg von Klimaschulden auftürmt, der auf Dauer durch die Unterstützung anderer erfolgreicher Sektoren schwer abzutragen sein wird. Damit uns der mangelnde Fortschritt im Verkehrsbereich nicht auf die Füße fällt, muss dringend nachgesteuert werden – das war in verschiedenen Reden Thema –; denn Deutschland hat auch auf der EU-Ebene Sektorziele für die Bereiche Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft zu erfüllen. Hier kann der Energie- und Industriesektor eben nicht aushelfen. Bei Zielverfehlung drohen Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe – darauf haben viele völlig zu Recht hingewiesen –, und genau deswegen werden wir rechtzeitig handeln und weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Warum schaffen Sie es denn in Deutschland ab?)

Denn auch der Verkehrs- und der Finanzminister wissen, dass diese Zahlungen zu vermeiden sind.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und trotzdem schaffen Sie die Verbindlichkeit ab!)

Meine Fraktion und ich werden weiterhin mit Nachdruck darauf drängen, dass die relevanten Maßnahmen auf den Weg gebracht werden; denn wir wollen zusammen mit Bundesländern und Kommunen Menschen ermöglichen, sicher mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, eine funktionierende Bahn zu nutzen, flächendeckende Ladesäulen für Elektromobilität zu finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Abgeordnete, Sie müssen zum Schluss kommen.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Die vielen Menschen, die dabei mitmachen, geben mir Zuversicht, dass das auch gelingt. Denn es gibt so viele, die Klimaschutz machen, jeden Tag, laut oder leise, Menschen, die forschen, grüne Technologien entwickeln, investieren oder in der Bildung aktiv sind, –

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– die unsere Kommunen klimaresilient umbauen, die Wälder und Moore schützen, beruflich oder ehrenamtlich oder im privaten Alltag.

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Jetzt, bitte.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das ist eine wachsende Klimabewegung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Die nächste Rednerin ist Katrin Zschau für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)