Rede von Lisa Badum Klimaschutzgesetz

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22.09.2023

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei mir in der Region hat sich neulich Ungewöhnliches ereignet: Die „New York Times“ war zu Gast im Hopfenanbaugebiet in Spalt in Mittelfranken. Das kommt bei uns nicht alle Tage vor. Der Anlass dafür waren nicht malerische Fachwerkhäuser, sondern tatsächlich die Trockenheit in diesem Gebiet. Der Anlass dafür war, dass schlechte Ernten mittlerweile keine Ausnahme mehr sind, sondern der Normalfall. Der Anlass dafür war, dass eine Hopfenwirtschaft, die 1 000 Jahre existiert hat, mittlerweile nicht mehr ohne Tröpfchenbewässerung und ohne zusätzliches Grundwasser auskommt. Das ist die Realität von Landwirtinnen und Landwirten in diesem Land, meine Damen und Herren. Die Klimakrise ist existenzgefährdend.

(Beifall der Abg. Katrin Zschau [SPD])

Deswegen sind das Klimaschutzgesetz und unsere Klimaziele unser aller Lebensversicherung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Und deswegen wird das Klimaschutzgesetz jetzt aufgeweicht! Das war eine Steilvorlage!)

– Ich komme noch dazu, Frau Weisgerber.

Ich frage mich manchmal: Was sagt denn ein bayerischer Wirtschaftsminister, der sich selber eine besondere Nähe zu der Berufsgruppe der Landwirtinnen und Landwirte attestiert, denen? Dazu bin ich auf seinem Tweet-Kanal fündig geworden – das ist eher ein Wetterkanal –, wo er im Juli zum Beispiel schrieb:

„Der im Frühjahr vorausgesagte … Hitzesommer … ist bisher ausgeblieben. Die letzten Tage vermehrt trüb/Regen. … Also: systematisch an den Klimaherausforderungen arbeiten, aber keine Panik verbreiten!“

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Was hat das jetzt mit dem Klimaschutzgesetz zu tun?)

Das ist Klimaleugnung light, meine Damen und Herren. Das ist massive Realitätsverweigerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mich beunruhigt es zutiefst – und das sollte Sie auch beunruhigen, Frau Weisgerber –, dass so ein Mensch in einem Bundesland Regierungsverantwortung hat.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Aber es geht doch um das Klimaschutzgesetz, das Sie hier aufweichen! – Andreas Jung [CDU/CSU]: Es geht doch jetzt hier um das Klimaschutzgesetz!)

Wir sind uns sicher einig, dass solche Menschen nicht geeignet sind, unsere demokratischen und ökologischen Lebensgrundlagen zu verteidigen, weil sie verantwortungslos sind.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Demokratische Politikerinnen und Politiker müssen es anders machen. Wenn ich an unsere letzte Debatte zum Klimaschutzgesetz hier im Hohen Haus zurückdenke, habe ich noch die Worte von Andreas Jung im Ohr: Beim Klimaschutzgesetz geht es um eine gemeinsame Vision, da geht es nicht um Parteipolitik, sondern um die gesamte Gesellschaft. – Dazu sage ich: Ja, Sie haben vollkommen recht. Aber ich zweifle daran, dass Ihre Partei das ernst gemeint hat und so mitträgt. Denn wenn ich mir den klimapolitischen Scherbenhaufen anschaue, den Sie uns hinterlassen haben: Das ist ein absoluter Wahnsinn.

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Zur Sache! Zur Sache, Kollegin! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir haben 2020 das Klimaziel erreicht!)

Behinderung der Erneuerbaren, Scheuer-Maut, finanzielle Förderung von Öl- und Gasheizungen!

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Also, wir haben zum Beispiel dieses Klimaschutzgesetz hinterlassen! Das soll jetzt aufgeweicht werden!)

Gut, Sie hätten jetzt in dieser neuen Legislatur eine zweite Chance gehabt; vielleicht sind sie nur mit dem falschen Bein aufgestanden. Aber Sie machen genauso weiter. Was haben Sie die letzten Monate gemacht?

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Bitte nicht ablenken von der Debatte!)

Schauen Sie zurück! Die letzten Monate haben Sie versucht, die Wärmewende auszubremsen und CO-Einsparungen zu blockieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Angriff ist nicht die beste Verteidigung! – Andreas Jung [CDU/CSU]: Bitte zur Sache! Es geht um die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes heute, die Entkernung des Klimaschutzgesetzes!)

Sie haben sich auch nicht entblödet – das muss man leider sagen – mit Ihrer gefloppten Kampagne „#fair heizen“ Lügen und Fake News zu verbreiten. Das werfe ich Ihnen vor: dass Sie Seit an Seit mit Aiwanger schreiten und so das Debattenklima in diesem Land vergiften. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Andreas Jung [CDU/CSU]: Bitte zur Sache! Aufweichung des Klimaschutzgesetzes! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Hier geht es um das Klimaschutzgesetz! Mich würde mal interessieren, warum das aufgeweicht wird! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Och!)

Deswegen – ja, ich habe das in der Presse schon lesen können –: Wenn Sie uns jetzt für diesen Entwurf kritisieren – und ich erwarte, dass das jetzt von Ihnen kommt –,

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Die Grünen würden demonstrieren!)

dann ist das zutiefst verlogen, weil Sie in der Summe jahrzehntelang Klimaschutz verschleppt haben und Millionen Tonnen CO wegen Ihnen nicht eingespart wurden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Was? Wovon reden Sie denn? – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir haben das Sofortprogramm vorgelegt 2020!)

Deswegen sind das Krokodilstränen, die Sie heute wahrscheinlich vergießen werden.

Wir als Ampel haben die Klimalücke um 80 Prozent verkleinert mit dem Turbo für die Erneuerbaren, mit den Klimaschutzverträgen und mit dem Einstieg in den Gasausstieg im Gebäudeenergiegesetz.

(Andreas Jung [CDU/CSU]: Zur Sache! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir haben 2020 das Klimaziel erreicht!)

Schauen wir uns nun – ich komme dazu – den Kabinettsentwurf der Änderung des Klimaschutzgesetzes an, die Stärkung des Expertenrates – das, finde ich, ist ein sehr interessanter Aspekt –, die Projektionen, die Vorausschau in die Zukunft, wir schauen also nicht mehr zurück. Gleichzeitig wurde im Kabinettsentwurf – und das ist gravierend – der bisherige Mechanismus bei Verfehlung der Klimaziele in den Sektoren verändert.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Genau! Aufgeweicht!)

Meine Meinung dazu ist: Wir müssen die Sorgen der Verbände zu diesem Punkt sehr ernst nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

So schreibt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft in seiner Stellungnahme:

„Es muss … sichergestellt werden, dass insbesondere die Sektoren, die ihre Ziele bislang nicht erreichen, tatsächlich effektive und dauerhaft wirksame Maßnahmen ergreifen. Es darf nicht passieren, dass die, die heute schon liefern, …“

– in Klammern: die Sektoren „Industrie“ und „Energiewirtschaft“ –

„… die Last der anderen mittragen müssen.“

Wer trägt am Ende die Verantwortung für das Klimaschutzprogramm? Ist es zum Beispiel der Bundeskanzler? Das ist eine der offenen Fragen, die wir gemeinsam klären und in der Beratung aufgreifen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)

Ich möchte jetzt noch was zur SPD sagen.

(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Ja, da hören wir gespannt drauf!)

Es ist die älteste Partei Deutschlands, und wir verdanken ihr viele Errungenschaften.

(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Ja?)

Ich als Klimapolitikerin möchte jetzt besonders zwei nennen. Zum einen: Ohne sie – Matthias Miersch wird auch gleich noch sprechen – wäre das Klimaschutzgesetz im Bundestag nicht verabschiedet worden.

(Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Ohne uns übrigens auch nicht!)

Und die andere Errungenschaft ist das Struck’sche Gesetz; auch das verdanken wir der SPD. Dieses besagt, dass kaum ein Gesetz so aus dem Parlament herausgeht, wie es reingekommen ist.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Deswegen: Wir sind starke und selbstbewusste Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Ich freue mich, dass wir hier gemeinsam und in aller Gründlichkeit darum ringen, mit welchem Klimaschutz und mit welchen Maßnahmen wir zusammen unsere Klimaziele 2030 erreichen können angesichts der lebensbedrohlichen Klimakrise. Ich denke, das ist unser verantwortungsvoller Beitrag zu einer Politik, die die Realitäten anerkennt. Das ist unsere Pflicht nicht nur gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten, sondern gegenüber allen Menschen in diesem Land.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Olaf in der Beek [FDP])

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort die Kollegin Dr. Anja Weisgerber.

(Beifall bei der CDU/CSU)