Rede von Maria Klein-Schmeink Krankenversicherungsbeiträge für Betriebsrenten 

11.10.2018

Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt und vorweg: Es gibt in der Tat eine Gerechtigkeitslücke in der Behandlung der verschiedensten Formen der Altersvorsorge hier in der Bundesrepublik Deutschland, steuerrechtlich und beitragsrechtlich. Ganz besonders gibt es sie für die Gruppe, die tatsächlich schon vor 2004 Verträge abgeschlossen hatte in der Annahme, dass keine weiteren Beiträge fällig werden würden. Hier ist in bestehende Verträge eingegriffen worden. Ich finde, das muss man eindeutig und klar sagen und auch zugestehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Markus Herbrand [FDP])

Wir können aber – das ist der nächste Punkt – das Heilen dieses Missstandes, dieser Gerechtigkeitslücke nicht daran festmachen, dass wir wesentliche Eckpfeiler unserer Krankenversicherung einfach infrage stellen und aushöhlen und wichtige Prinzipien elementar verletzen. Das hat damit zu tun, dass wir bei der Ermittlung der Beiträge zur Krankenversicherung ganz klar dem Prinzip folgen, dass das Einkommen, das man zu einer bestimmten Zeit hat, als Grundlage für die Entscheidung genommen wird, ob ich leistungsfähig bin bzw. wie hoch meine Belastung prozentual ausfällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann ist es natürlich so, dass derjenige, der mehr Einnahmen hat, mehr beiträgt als derjenige, der weniger Einnahmen hat. Das ist ganz klar.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn er privat versichert ist, eben leider nicht!)

Ein zweites zentrales Prinzip ist, dass bei der Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner der vollständige Beitragssatz fällig wird, aber – das haben wir als Gesetzgeber beschlossen – über Steuern die Hälfte des Beitrags im Wesentlichen refinanziert wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt: Wenn Sie hier als Lösung vorschlagen, die Doppelverbeitragung aufzulösen, beschreiten Sie damit einen katastrophalen Irrweg. Sie irren sich grundsätzlich; denn wir haben keine Doppelverbeitragung oder den Ausschluss der Doppelverbeitragung als Prinzip in der Krankenversicherung der älteren Menschen im Bereich der Altersversorgung. Wir haben vielmehr das Prinzip, dass die Belastung durch Steuermittel reduziert und insofern sozial ausgestaltet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre jetzt die Aufgabe. Sie als Regierungsparteien haben also die Aufgabe, die Frage zu beantworten, wo wir die Mittel herholen, die für die Refinanzierung über Steuermittel notwendig sind, wenn wir alle Alterseinkünfte gleich behandeln wollen. Damit haben Sie jetzt eine Aufgabe. In der aktuellen Situation stehen Haushaltsmittel in einem Maße zur Verfügung, wie das früher nicht der Fall war.

Man muss aber als Nächstes auch sagen: Wir haben nicht nur eine Gerechtigkeitslücke im Bereich der Beitragsbemessung, sondern wir haben auch andere Formen der Mehrbelastung. Schauen Sie sich an, was bei den sonstigen freiwillig gesetzlich Versicherten passiert: Da wird grundsätzlich und immer jede Einkunftsart bis zur Beitragsbemessungsgrenze verbeitragt. Auch das wird in der Folge Gerechtigkeitsfragen aufwerfen. Diese Fragen werden an dieser Stelle nicht gelöst; das muss man ganz klar sagen. Insofern ist, auch wenn eine Seite dieses Hauses das nicht so gerne hört, die Bürgerversicherung die Lösung all dieser Probleme,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

weil wir dann tatsächlich alle Einkunftsarten zur Grundlage für die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung heranziehen würden. Damit würde der Leistungsfähigere die Krankenversicherung für den Ärmeren solidarisch mitfinanzieren.

Ich will Ihnen von der Linken einmal sagen: In Ihrem Antrag steht nicht, dass Steuermittel zur Refinanzierung genutzt werden sollen, sondern Sie verweisen auf die Möglichkeit der Bürgerversicherung. Das heißt, die Versichertengemeinschaft würde diese Einzellösung finanzieren müssen. Das würde bedeuten, dass auch die Pflegehilfskraft, die einen Mindestlohn von – was habe ich gerade gesehen? – 10,55 Euro bezieht, das mitfinanzieren muss, obwohl es um Betriebsrentner geht, die wahrscheinlich ein erheblich höheres Einkommen haben als diese Pflegehilfskraft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel zahlt die denn im Monat? Sagen Sie bitte mal genau, wie viel die mehr zahlen muss! Das wissen Sie nämlich gar nicht! Noch nicht einmal 1 Euro!)

Deshalb verbietet es sich aus meiner Sicht, aus unserer Sicht, diesen Weg zu wählen.

Wir müssen eine Lösung finden, und wir müssen vor allen Dingen für diejenigen eine Lösung finden, die rückwirkend belastet worden sind, weil das unfair und nicht nachvollziehbar ist. Aber wir müssen eine Lösung finden, die über das Steueraufkommen läuft und nicht über die Versichertengemeinschaft. Das wäre zutiefst unfair. Mit Verlaub, Herr Birkwald, ich verstehe nicht, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsbereich diesen Weg überhaupt akzeptieren können. Wenn wir von einer Doppelverbeitragung reden, dann haben wir das wesentliche Element, das heute die Krankenversicherung für die Rentner ausmacht, nicht wirklich begriffen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Dann schauen wir einmal in den Einzelplan 15 hinein! Steuerzuschuss!)

Wir würden das gefährden, und das kann auf keinen Fall der Weg sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir sind kompromissfähig! Wir verhandeln gern mit Ihnen!)

Ich bin froh, wenn wir in den Beratungen weiterkommen. Sie werden eine Lösung vorlegen müssen – das sehen auch wir so –, aber sie kann nicht so aussehen wie der Vorschlag in dem Antrag der Linken.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)