Foto von Tabea Rößner MdB
13.10.2023

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Union sorgt sich um die Anschlussfähigkeit Deutschlands. Ja, aus welchem Dornröschenschlaf sind Sie denn erwacht?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

ChatGPT gibt es ja nun schon lange, das ist nicht einfach vom Himmel gefallen; die Foundation Models werden bereits seit über zehn Jahren trainiert.

Europa muss wettbewerbsfähig sein. Deshalb ist es richtig, dass wir KI-Labore und Kompetenzzentren aufbauen, in Forschung und Entwicklung investieren, Bedingungen für Gründerinnen und Gründer verbessern, den Zugang zu Daten ermöglichen und ein Umfeld schaffen, das Innovation befördert. Und dazu gehört auch ein gesetzlicher Rahmen, der Rechtssicherheit schafft. Das fordern auch viele Unternehmen. Denn neben den vielen Chancen gibt es beim Einsatz von KI natürlich auch Risiken; auf die weisen ja selbst die großen Techunternehmen hin wie auch viele Wissenschaftlerinnen und Entwickler, darunter auch der KI-Vordenker Geoffrey Hinton. Insofern sind Forderungen nach Deregulierung anachronistisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Nein! Richtige Regulierung!)

Regulierung und gemeinsame Standards schaffen ja gerade Rechtssicherheit und ein Level Playing Field für Wirtschaft und Innovation. Die KI-Verordnung stellt einen Paradigmenwechsel dar. Erstmals wird nicht eine Technologie reguliert, sondern mit dem risikobasierten Ansatz werden auch zukünftige Technologien mit adressiert. Damit kommen wir endlich in die Vorhand, statt den technischen Entwicklungen immer hinterherzurennen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber für Risiken zeigen Sie ja keinerlei Lösungen auf. Stattdessen will die Union die Grundrechteprüfung streichen, die AfD gar die Klassifizierung von Hochrisikosystemen. Dabei gibt es zahlreiche Beispiele, welches Diskriminierungspotenzial KI hat: Ich denke an die niederländische Kindergeldaffäre, bei der Zehntausende Familien durch KI fälschlicherweise des Betrugs bezichtigt wurden und die einige Menschen in den Selbstmord trieb, oder zweifelhafte KI-Analysen im Personalwesen bis hin zu automatisierten Kündigungen wie in den USA, Chatbots, die Suizidtendenzen bestärken, oder Bonitätsrechnungen, die Männer gegenüber Frauen deutlich bevorzugen. Das sind nur einige Beispiele.

KI wird in vielen öffentlichen und privaten Bereichen bereits eingesetzt: in Forschung und Bildung, Mobilität und Städteplanung, bei Versicherungen und Banken, in Handel und Verwaltung, Arbeitsmarkt und Polizeiarbeit. Umso wichtiger, dass Daten-, Verbraucher- und Grundrechtsschutz gewährleistet sind! Vertrauenswürdige KI „made in Europe“, das muss unsere Marke sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unsicherheit besteht hinsichtlich der Large Language Models. Die Plattform X hat dem Scraping großer Sprachmodelle den Riegel vorgeschoben. OpenAI stoppte die Bing-Integration von ChatGPT wegen der Umgehung von Paywalls. Und Kreative sehen ihre Werke als begehrtes Datenfutter missbraucht und fordern Vergütungen für die Nutzung.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist nur negativ! Die ganze Rede ist nur negativ!)

Für den Datenhunger dieser Systeme braucht es Antworten, lieber Herr Jarzombek.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aber doch nicht, indem man alles nur schlimm findet!)

Wenn es keine neuen kreativen Inhalte im Netz mehr gibt, weil man damit nichts mehr verdienen kann und die Systeme kein frisches Futter mehr bekommen, dann landen wir im Value Lock.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wo?)

Welche Auswirkungen hat das auf den Meinungsbildungsprozess? Genauso wie vermeintlich perfekte ChatGPT-Texte oder Kl-Bilder! Viele Menschen haben ja heute schon Probleme, redaktionelle Inhalte von Werbung oder Falschmeldungen zu unterscheiden.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das liegt auch an den Redaktionen zuweilen!)

Hier geht es um womöglich fundamentale Auswirkungen auf unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das ist nur negativ! Die ganze Rede ist nur negativ!)

– Nein, das ist nicht nur negativ.

Es ist richtig, dass das Europaparlament generative Kl in die Kl-Verordnung mit aufgenommen hat. Und es ist wichtig, dass von Anfang an evaluiert wird und Fehlentwicklungen schnell entgegengesteuert werden kann.

Und zum Schluss: Völlig unverständlich sind Ihre Forderungen, Umweltauflagen zu streichen. Ja, Kl kann viele Effizienzgewinne ermöglichen, aber doch nur dann, wenn sie selbst weniger Ressourcen verbraucht. Wenn aber allein 1 Milliarde Anfragen bei ChatGPT in einem Monat so viel Energie verbraucht wie eine Stadt wie Oldenburg im ganzen Jahr, dann zeigt das doch, dass man dringend auch an den Stromfresser Kl ranmuss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Wir müssen Oldenburg abschalten! Das ist total absurd!)

Wir sind überzeugt: Mit der Kl-Verordnung fördern wir Kl auf Basis der europäischen Werteordnung. Daran werden sich viele andere Länder orientieren. Wir setzen damit Maßstäbe, und zwar weltweit.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsidentin Bärbel Bas:

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Petra Sitte.

(Beifall bei der LINKEN)