Rede von Dr. Jan-Niclas Gesenhues Kunststoffproduktion

Dr. Jan-Niclas Gesenhues
02.03.2023

Dr. Jan-Niclas Gesenhues (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Auch wir vermüllen die Arktis“, schrieb die „FAZ“ vor einigen Tagen mit Bezug auf Forschungen des Alfred-Wegener-Instituts, das sich Kunststoffprodukte in der Arktis angeschaut hat und direkt nachvollziehen konnte, dass diese Kunststoffprodukte aus Deutschland stammten. Auch wir tragen zu diesem Vermüllungsproblem bei, und die Weltmeere sind besorgniserregend mit Plastikmüll belastet. Der Plastikmüll landet in den Mägen von Meeressäugern, von Vögeln, die daran zugrunde gehen, die verhungern – mit vollem Magen, gefüllt mit Plastikmüll. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir unsere Meere behandeln sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Judith Skudelny [FDP])

Meere binden große Mengen von CO2, Meere versorgen uns alle mit der Hälfte des Sauerstoffs, den wir atmen aus der Atmosphäre. Meere liefern uns Grundstoffe für Medikamente, und sie sind auch wegen ihrer Biodiversität ein Schatz. Wir sollten unsere Meere nicht behandeln wie eine Müllkippe, sondern wir sollten unsere Meere behandeln wie Verbündete, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In Deutschland landen jedes Jahr 1 Million Tonnen Einwegplastikprodukte auf dem Markt: Tabakprodukte, Getränkeverpackungen, Lebensmittelverpackungen, Feuchttücher, Luftballons, Feuerwerkskörper und vieles mehr. Neben den Umweltwirkungen, die ich gerade beschrieben habe, sind auch die Klimawirkungen der Kunststoffproduktion nicht aus dem Auge zu verlieren. Durch die globale Plastikproduktion entstehen CO2-Emissionen in derselben Menge wie bei 200 Kohlekraftwerken. Das Problem ist, dass die Kosten der Vermüllung, aber auch die Klimakosten dieser Kunststoffproduktion viel zu lange auf uns als Gesellschaft abgewälzt worden sind und die Herstellerverantwortung nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.

Man kann es auch so formulieren – das ist auch in der Sachverständigenanhörung deutlich geworden –: Hier liegt ein Marktversagen vor, weil die Verursacher eben nicht die Kosten tragen. Diese werden stattdessen der Gesellschaft aufgebürdet. Deswegen ist ein Eingriff notwendig, und den nehmen wir mit dem Einwegkunststofffondsgesetz vor, indem wir eine Abgabe auf Einwegplastik einführen. Damit gehen wir das Vermüllungsproblem an; denn Vermüllung bekommt endlich einen Preis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir korrigieren also dieses Marktversagen, schützen gleichzeitig die Umwelt vor Vermüllung, und – das gefällt mir an diesem Gesetz besonders gut – wir unterstützen damit auch diejenigen, die uns tagtäglich von der Plastikflut in unseren Parks, auf Wegen und in Wäldern befreien, nämlich unsere Kommunen. Die Einnahmen aus der Einwegplastikabgabe fließen in einen Fonds und werden dann an die Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger, die den Kunststoffmüll aus der Umwelt beseitigen, weitergeleitet. Die Kosten, die den Kommunen bei der Beseitigung entstehen, bewegen sich im Bereich zwischen 400 und 700 Millionen Euro pro Jahr.

Wir sorgen jetzt mit diesem Gesetz in einem ersten Schritt dafür, dass 400 Millionen Euro pro Jahr zusammenkommen. Wir gehen also durchaus vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl vor. Diese 400 Millionen Euro werden dann jährlich an die Kommunen weitergeleitet. Für eine mittelgroße Stadt sind das ungefähr 500 000 Euro pro Jahr. Ich finde, das ist eine wichtige Unterstützung für unsere Kommunen, für diejenigen, die uns von dem Plastikmüll in der Umwelt befreien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Mit diesem Gesetz schaffen wir also Kostenwahrheit, und wir unterstützen die Kommunen und schützen unsere Umwelt. Das ist gut so.

Ich möchte an dieser Stelle ganz herzlich Michael Thews und Judith Skudelny als Mitberichterstatter und Mitberichterstatterin für die guten Verhandlungen danken, die wir innerhalb der Koalition dazu geführt haben und durch die wir, wie ich finde, einen guten Gesetzentwurf noch ein Stück weit besser gemacht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir werden dieses Gesetz nämlich schon 2027, ein Jahr früher, evaluieren und uns die Produktpalette noch einmal anschauen und prüfen, ob wir noch zusätzliche Produkte aufnehmen müssen. Wir haben schon jetzt auf den Weg gebracht, dass wir Feuerwerkskörper, also die Plastikteile von Feuerwerkskörpern, in die Abgabepflicht aufnehmen. Ich glaube, alle, die einmal an Neujahr durch unsere Städte gelaufen sind und den ganzen Müll, den ganzen Plastikabfall gesehen haben und realisiert haben, zu welchen Höchstleistungen die Stadtreinigung an Neujahr auflaufen muss, kann nachvollziehen, dass es richtig ist, auch die Feuerwerkskörper mit aufzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir haben auch an einigen Stellen dafür gesorgt, dass Verfahren für die Produzenten vereinfacht worden sind, und wir haben bei der Bürokratie noch einmal einiges abgebaut. Stichwort „Produzenten“: Ich glaube, dass gerade die Produzenten, die hochwertige Kunststoffprodukte herstellen, die wir in der Industrie, für die Transformation brauchen, ein Interesse an diesem Gesetz haben müssen; denn gerade die übertriebene Verwendung von Einwegplastik hat dazu geführt, dass dieser ehrlicherweise gute Werkstoff Kunststoff ein Imageproblem bekommen hat. Indem wir dafür sorgen, dass die Übertreibungen korrigiert werden, unterstützen wir auch diejenigen Produzenten, die hochwertige Produkte im Kunststoffbereich beispielsweise für unsere Industrie produzieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, wir machen heute einen ersten Schritt. Ich hoffe, dass im Rahmen der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie viele weitere Schritte folgen werden, um eine echte Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Jetzt freue ich mich, wenn wir dieses Gesetz mit einer breiten Mehrheit als ersten Schritt verabschieden.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die Unionsfraktion hat das Wort die Kollegin Dr. Anja Weisgerber.

(Beifall bei der CDU/CSU)