Rede von Markus Tressel Ländliche Räume

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11.06.2021

Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Pandemie da vielleicht ein wenig entgegengewirkt hat, ist die Entwicklung der vergangenen Jahre klar: Die

Lebenswelten vieler Menschen driften auseinander, abhängig davon, wo sie in unserem Land leben. Auf der einen Seite haben wir boomende Städte, wo es immer mehr Menschen hinzieht und die auch

mit den Folgen des Zuzugs zu kämpfen haben. Auf der anderen Seite haben wir Regionen, aus denen die Menschen verschwinden und mit ganz anderen Problemen umgegangen werden muss. Deshalb ist das

Thema „gleichwertige Lebensverhältnisse“ nicht nur für die Prosperität der betroffenen Regionen extrem wichtig, es ist auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im ganzen Land von großer

Bedeutung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mancherorts hat sich das Gefühl eingestellt, nicht gehört und nicht wahrgenommen zu werden. Wir haben als Grüne-Bundestagsfraktion deshalb vor anderthalb Jahren das Projekt

„Stadt-Land-Zukunft“ gestartet. Wir wollten den Menschen in den strukturschwachen Regionen noch intensiver zuhören und mit ihnen über ihre Wünsche und Bedürfnisse sprechen. Wir haben eine

Reihe von Regionalkonferenzen durchgeführt. Viele Menschen aus den Regionen sind dabei zu Wort gekommen, haben diskutiert und sich vernetzt. In diesem Diskussionsprozess ist einmal mehr sehr

deutlich geworden, dass gerade die Frage der Mobilität eines der drängendsten Themen ist. Gerade mit dem ÖPNV, mit der Alltagsmobilität sind Menschen in ländlichen, in strukturschwachen Räumen

extrem unzufrieden. Hier ist der Handlungsbedarf am dringlichsten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade im Mobilitätssektor werden die Unterschiede zwischen Stadt und Land für die Menschen unmittelbar erfahrbar. Während in Städten neue, meist gut digitalisierte

Mobilitätsdienste an den Start gehen und das Angebot bei Bussen und Bahnen ausgebaut wird, hat in vielen ländlichen Regionen über Jahre und Jahrzehnte ein Rückzug des Angebots und im Übrigen

auch der öffentlichen Hand stattgefunden: Bahnstrecken wurden stillgelegt. Busverkehre wurden oft auf den Schülerverkehr reduziert. Unter all dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, leidet die

Attraktivität der Regionen. Der Trend zur Abwanderung verstärkt sich.

Wir brauchen – das ist das Fazit – endlich zeitgemäße Antworten auf diese Mobilitätsmisere in vielen strukturschwachen ländlichen Räumen. Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für

den ländlichen Raum. Alle Menschen sollen Zugang zu einem zuverlässigen und attraktiven ÖPNV-Angebot bekommen. Bund, Länder und Kommunen müssen dafür eine ÖPNV-Strategie mit Mindeststandards

für das ÖPNV-Angebot entwickeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht darum, jetzt überall rund um die Uhr große Gefäße fahren zu lassen. Vielmehr müssen wir das Nahverkehrssystem so umbauen, dass starke Buslinien zwischen den Zentren

durch ein Netz neuer Mobilitätsangebote für die letzte Meile ergänzt werden. Die Bahn muss wieder zurück in den ländlichen Raum. Dazu müssen stillgelegte Schienenwege wieder reaktiviert

werden, und alle Oberzentren müssen auch wieder an den Fernverkehr angeschlossen werden. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch den Fuß- und Radverkehr im ländlichen Raum

attraktiver und vor allem sicherer machen. Mehr und bessere Radwege sind das Gebot der Stunde, gerade für den Alltagsradverkehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns ist aber auch klar, dass das Auto im ländlichen Raum weiter eine wichtige Rolle spielen wird. Deshalb wollen wir den Ausbau der Elektromobilität im ländlichen Raum

vorantreiben und auch auf dem Land ein flächendeckendes Ladesäulennetz, aber auch Sharingangebote in der Fläche fördern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Erfahrung der Coronakrise haben ländliche Räume tatsächlich wieder an Attraktivität gewonnen. Dieser Trend wird sich aber nur

verstetigen, wenn sich die Lebensverhältnisse gerade in strukturschwachen ländlichen Räumen langfristig verbessern. Dazu gehört neben anderen Aspekten auch eine Verbesserung der

Mobilitätsverhältnisse. Wir müssen deshalb die Mobilitätswende auch auf dem Land angehen, damit in ländlichen Räumen neue Perspektiven entstehen. Das wird eine der großen Aufgaben für die

nächste Legislaturperiode, und dafür haben wir heute auch einen Plan vorgelegt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir zum Schluss meiner Rede ein paar Sätze in eigener Sache. Die Präsidentin hat es eben gesagt: Dies war mutmaßlich meine letzte

Rede an diesem Pult. Ich habe mich nach zwölf Jahren Zugehörigkeit zu diesem Hohen Haus entschlossen, nicht wieder zu kandidieren und auch und vor allem mehr Zeit für meine Familie zu haben,

die in den vergangenen Jahren oft das Nachsehen hatte. Noch freuen die sich sehr, dass ich jetzt mehr Zeit für sie habe, ich bin gespannt, ob es so bleibt.

(Heiterkeit)

Es ist und war immer eine große Ehre für mich, diesem Deutschen Bundestag, unserem Parlament anzugehören. Ich habe viele großartige Menschen innerhalb und außerhalb dieses Hauses

kennenlernen, ich habe an tollen Themen und Projekten arbeiten dürfen. Deshalb möchte ich allen danken, mit denen ich im Interesse unseres Landes zusammenarbeiten durfte, auch – das möchte ich

betonen – über Parteigrenzen hinweg. Herzlichen Dank für das kollegiale Miteinander und für die gemeinsame Suche nach Lösungen. Das war nicht immer einfach. Herzlichen Dank aber auch und vor

allem an die vielen guten Geister – das muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen –, die meistens unsichtbar diesen Betrieb hier ermöglichen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)

Die vergangenen Jahre, insbesondere die vergangenen vier Jahre, waren geprägt von großen Herausforderungen, auch und gerade für die Demokratie. Ich fürchte, die Herausforderungen

werden in den kommenden Jahren nicht weniger werden. Die Klimakrise, die Transformation der Wirtschaft, die Bewältigung der Coronakrise, das werden Mammutaufgaben für Jahrzehnte werden; dessen

bin ich mir sicher. Diese Aufgaben brauchen den vollen Einsatz des Parlamentes, gerade auch im Interesse unserer Kinder und Enkel.

Ich wünsche allen, die künftig hier in diesem Hause daran mitarbeiten werden, vieles zum Guten zu entwickeln, viel Kraft und Durchsetzungsvermögen. Ich wünsche dem ganzen Haus

vor allem eine glückliche Hand dabei, diese Schritte auch gut zu kommunizieren.

Alles Gute und herzlichen Dank für die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Die Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen erheben sich)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler:

Lieber Kollege Tressel, herzlichen Dank vom Hohen Hause, wie Sie uns genannt haben, und alles Gute für Ihre Zukunft. Sie sind ein junger Mann; genießen Sie die Familienphase.

Ihnen natürlich auch beruflich viel Erfolg und noch einmal alles Gute!

Das Wort geht an Torsten Schweiger von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)