Rede von Harald Ebner Lehren aus der Flutkatastrophe 2021

07.07.2022

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau sechs Jahren habe ich an diesem Pult zur Flutkatastrophe in Braunsbach bei Schwäbisch Hall in meinem Wahlkreis gesprochen. Die Bilder damals waren erschreckend. Viele hätten nicht gedacht, dass das alles nur fünf Jahre später um ein derart Vielfaches übertroffen werden könnte, wie es vor einem Jahr im Ahrtal geschehen ist. Das Leid der Betroffenen und der Angehörigen der Todesopfer ist unermesslich.

Heute müssen wir nicht nur dem Leid und den milliardenschweren Schäden ins Auge schauen, sondern auch der Tatsache, dass Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit solcher Extremwetterereignisse zunehmen und dann zur Katastrophe werden, wenn sie, wie im Ahrtal, auf geografische Besonderheiten, wassergesättigte Böden und unmittelbare Bebauung in Flussnähe treffen. Es ist gut, dass wir heute den Katastrophenschutz auf den Prüfstand stellen und stärken. Prognosemodelle, Katastrophenmanagement und Hilfe sind unerlässlich. Aber wir dürfen uns nicht weiter vor einer ehrlichen Analyse drücken. Wir müssen uns auch die Frage stellen: Wie sorgen wir künftig nicht nur für den Katastrophenfall vor, sondern wie entschärfen wir bereits dessen Entstehung? Mehr Klimaschutz, mehr erneuerbare Energien sind dafür zwingend, und das haben wir vorhin endlich beschlossen und auf den Weg gebracht. Dafür ganz herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Aber wir müssen jetzt auch Maßnahmen zur Klimaanpassung umsetzen. Wie muss Landnutzung unter veränderten Klimabedingungen aussehen? Wie müssen Böden, Vegetation und Wälder beschaffen sein, um möglichst viel Wasser möglichst lange speichern zu können? Die wissenschaftlichen Empfehlungen liegen auf dem Tisch: mehr Raum für Flüsse durch angepasste Landnutzung. Schaffung von Überschwemmungsflächen. Hochwasser- und klimaresilientes Bauen mit mehr Grün und Blau als Grau in der Stadt. Eine Schwammstadt, die Folgen der Klimakrise durch Wasserspeicherung abmildern kann, ist eine Win-win-Situation für Klimaschutz und Klimavorsorge.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Wasser ist Quelle allen Lebens auf diesem wunderbaren Planeten, aber oft auch Ursache für unermessliches Leid, weil es oft entweder zu wenig oder zu viel davon gibt. Wir müssen beides in den Blick nehmen. Beides wird verschärft durch die Klimakrise. Das heißt, zusätzlich zu den Klimaschutzbemühungen brauchen wir neben einer Klimaanpassungsstrategie für dieses Land auch eine nationale Wasserstrategie, und zwar, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich um sowohl Wassermangel als auch Wasserüberschuss mit den gleichen Maßnahmen zu entschärfen.

Dazu müssen wir endlich aufhören, gegen biologische Prozesse zu arbeiten, die sich in Abermillionen Jahren an den Umgang mit Wasser angepasst haben. Warum nutzen wir nicht endlich das biologische Potenzial, Wasser zu speichern und langsam wieder abzugeben? Lassen Sie uns nicht nur in Beton und Stahl denken, den wir selbstverständlich auch brauchen, wo es nicht anders geht. Aber das darf nicht unsere alleinige Antwort sein. Wenn wir es nicht schaffen, in Böden, Vegetation und Landschaften die biologischen Potenziale zur Wasseraufnahme zu nutzen, bauen wir uns zu Tode, ohne am Ende erfolgreich zu sein.

Dafür haben wir den natürlichen Klimaschutz auf den Weg gebracht, der zum Beispiel mit der Renaturierung von Mooren und Gewässersystemen den richtigen Weg einschlägt. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, sind die 4 Milliarden Euro, die die Bundesregierung für den natürlichen Klimaschutz zur Verfügung stellt, gut investiertes Geld.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Wir müssen all diese Dinge jetzt anpacken, wir dürfen die Menschen in diesen Regionen nicht vergessen, und wir müssen den Wiederaufbau intensiv begleiten. Dabei müssen wir aber die Gefahr immer mitdenken. In die Gefahr hineinzubauen, ist schlicht nicht vernünftig. Zum vorsorgenden Katastrophenschutz gehört zwingend auch die Katastrophenvorbeugung, und die muss Klimaanpassungsstrategien in Landbau, Landnutzung, Landschaftsgestaltung, Städtebau und Wasserhaushalt umfassend einbeziehen. Nur dann kommen wir unserer Verantwortung für die Menschen in diesem Land wirklich nach.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:

Vielen Dank. – Zum Abschluss dieser Debatte erhält Sebastian Hartmann für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)