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11.06.2021

Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja schon ein echter Krimi: Der Wirtschaftsflügel der Union, Bundeskanzlerin Angela Merkel und vor allem

Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben in den letzten Jahren so einiges versucht, um das Lieferkettengesetz zu blockieren und abzuschwächen. Es spricht wirklich Bände, wie sich ein mächtiger

Teil der Union dagegen wehrt, dass Menschenrechte und Klimaschutz in der Wirtschafts- und Handelspolitik endlich die Bedeutung bekommen, die sie verdienen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es geht um den Ausgleich unterschiedlicher Interessen, nicht um

Verhinderung!)

Viele Menschen aus der Zivilgesellschaft, aus den Kirchen, aus den Gewerkschaften, die EU-Kommission, das EU-Parlament und andere Staaten, Minister Müller, Minister Heil, viele

Kolleginnen und Kollegen aus der SPD, aus der Linkspartei und auch wir Grüne haben eine andere Auffassung als große Teile der Union und sind überzeugt: Ausbeutung und Umweltverschmutzung

dürfen kein Wettbewerbsvorteil mehr sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, die Auffassung haben wir auch nicht! Wie kommen Sie darauf?)

So viele Produkte werden längst global hergestellt. Der unmittelbare Blick in den Einkaufskorb offenbart nicht, ob auch Menschenrechtsverletzungen drin liegen. Ein wirksames

Lieferkettengesetz würde hier Abhilfe schaffen. Dabei muss ein Prinzip immer gelten: Wer global herstellt und handelt, darf sich global nicht aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Lieferkettengesetz ist dabei ein sehr wichtiger, wenn auch überfälliger Schritt. Trotzdem bleiben Sie mit diesem Gesetz leider, leider hinter dem zurück, was eigentlich

notwendig wäre. Wenn Sorgfaltspflichten nur für die direkten Zulieferunternehmen gelten, dann bleibt bei vielen komplexeren Produktionen ein Großteil der Lieferkette außen vor, obwohl wir

wissen, dass die gravierendste Ausbeutung oft am Anfang der Lieferkette stattfindet: auf Plantagen und in Minen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch mit Blick auf den Anwendungsbereich und den Umweltschutz bleibt Ihr Gesetz hinter den Erwartungen zurück. Das größte Versäumnis ist aber die fehlende zivilrechtliche

Haftung, die vor allem der Kanzlerin ein Dorn im Auge war. Damit fehlt den Menschen, die unter Ausbeutung oder Umweltzerstörung leiden, die Möglichkeit, besser vor Gericht dagegen vorzugehen.

Aber nur wenn Betroffene eine echte Möglichkeit zur Klage haben, kann ein solches Gesetz seine volle Wirksamkeit entfalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben noch die Möglichkeit, diese Fehler zu korrigieren. Dafür müssen Sie einfach nur unseren vier Änderungsanträgen hier im

Plenum gleich zustimmen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Die meisten Menschen und immer mehr Unternehmen haben längst erkannt: Für eine zukunftsfähige Wirtschaft brauchen wir klare Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte und zum

Schutz der Umwelt. Dabei ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt. Und deshalb stimmen wir trotz der Schwächen als grüne Bundestagsfraktion heute zu. Aber es darf nur ein Einstieg sein. Wir

werden nicht lockerlassen, und wir werden unsere Änderungsvorschläge zu diesem Gesetz nicht in der Schublade verschwinden lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn im Herbst EU-Kommissar Reynders einen Aufschlag für eine EU-weite Regelung machen wird, wollen wir diese und auch alle weiteren Möglichkeiten nutzen, damit es endlich ein

echtes Lieferkettengesetz mit zivilrechtlicher Haftung gibt, damit Menschenrechte und Klimaschutz die Bedeutung bekommen, die sie verdienen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bernd Rützel, SPD, ist der nächste Redner.

(Beifall bei der SPD)