Rede von Katrin Göring-Eckardt Long COVID und Chronisches Erschöpfungssyndrom

Foto von Katrin Göring-Eckardt MdB
15.03.2023

Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Faraz, Paulina, Mia, Andreas, Margarete, Sabine, Mila, Sarah, Yvonne, Timo, Martin, Andreas, Carmen, Rembert, Uta, Anna: Wir könnten sehr viele weitere aufzählen, Menschen, die von ME/CFS, von Post-Vac, von Long Covid betroffen sind. Es kommt darauf an, dass wir denen zuhören, die es am besten wissen: den Betroffenen, den Anverwandten, den Forscherinnen und Forschern, den Medizinerinnen und Medizinern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Die gute Nachricht ist: Seit 1955 in etwa kennen wir ME/CFS, das Chronische Fatigue-Syndrom. – Oft wurde es übrigens ignoriert, vielleicht auch, weil es überdurchschnittlich Frauen betraf. Die wurden in die Hysterieecke gesteckt. Meine Kollegin Linda Heitmann hat es vor acht Wochen an genau dieser Stelle gesagt: „Wir hören Sie, und wir hören Ihre Anliegen“. – Dem schließe ich mich ausdrücklich an; denn wir brauchen Forschung, wir brauchen Versorgung, wir brauchen Wissen. Genau darum geht es. Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, dass wir heute diese Debatte hier führen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Worum geht es also?

Erstens. Die Krankenkassen und die Ärztinnen und Ärzte müssen Bescheid wissen. Viele Betroffene finden heute noch nicht einmal einen Hausarzt oder eine Hausärztin. Das ist für sie eine Katastrophe, übrigens auch für die Familien, die pflegen, trösten, telefonieren, beraten, heben, abdunkeln, Freunde informieren, Medikamente besorgen, selber noch arbeiten gehen, Geschwister trösten und, und, und. Es ist eine wahnsinnige Belastung, die diese Familien haben, und ihnen muss geholfen werden – ja, auch durch uns, meine Damen und Herren.

Zweitens. Im Bildungssystem muss Wissen her; denn Kinder und Jugendliche mit eingeschränktem Energielevel können oft nicht am herkömmlichen Unterricht teilnehmen. Welche Formen gibt es also bereits? Wer bezahlt das? Wie geht das? Wie geht das technisch? Und was ist mit den Prüfungen? – Deswegen ist ganz klar: Wir müssen im Bildungssystem mehr Unterstützung leisten für die Kinder, die unter diesen Krankheiten und ihren Folgen leiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Drittens. Wir alle müssen mehr wissen über Long Covid, über ME/CFS, über Post-Vac. ME/CFS ist keine seltene Krankheit; das ist hier gesagt worden. Schon vor der Pandemie waren es übrigens so viele Betroffene, wie unter MS leiden. Wenn man sich dagegen die Versorgungsstrukturen anschaut, muss man sagen: Das ist ein wahnsinniges Ungleichgewicht, das wir uns nicht mehr leisten können.

Das ist ein „Massenbehinderungsereignis“, warnte in der vergangenen Woche eine kanadische Regierungsberaterin; denn die Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung, für die soziale Absicherung und am Ende – Sie haben es gesagt – auch für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt sind bedrohlich. Diese Warnungen müssen wir ernst nehmen, und wir können nicht wegschauen. Was braucht es? Es braucht Wissen, es braucht Versorgung, und ja, es braucht unbedingt mehr Forschung – mehr quantitativ, aber „mehr“ heißt eben auch „für die Zukunft“. Das heißt, wir müssen das dauerhaft machen, weit über dieses Jahr hinaus.

Also, mehr Forschung, stabil, langfristig, umfassend: Das ist unsere Aufgabe. – Let’s go!

Vielen Dank, und Grüße gehen raus an alle Betroffenen und alle, die sich für sie engagieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Göring-Eckardt. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Petra Sitte, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)