Rede von Dr. Janosch Dahmen Medikamentenknappheit

15.06.2023

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in dieser Debatte aus den Ampelfraktionen viele richtige Analysen der Situation gehört, haben gehört, was erforderlich ist und wie wir es in dieser Woche mit einem Gesetz, das die Probleme adressiert, Lösungen beinhaltet, konkret angehen werden, auf den Weg bringen werden. Wir haben auch gehört, wie wir in diese Situation scheibchenweise, stückchenweise über viele Jahre hineingeraten sind.

Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, dass wir uns eigentlich die Frage stellen müssen: Worum geht es in dieser Debatte, bei diesem Zusatzpunkt, über den wir heute miteinander diskutieren, eigentlich? Geht es darum, zu suggerieren, dass es ein Problem gebe, das plötzlich vom Himmel gefallen ist, für das niemand außer die jetzt handelnden Personen, die sich um das Problem kümmern, Verantwortung tragen? Oder geht es darum, den Menschen hier Scheinlösungen zu präsentieren mit irgendwelchen Gipfeln, die keine Lösungen für die eigentlichen Ursachen des Problems bringen?

Ich will Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union: Das Thema ist zu ernst. Es ist tatsächlich so, dass sich viele Menschen dort draußen ängstigen: Wie wird meine Medikamentenversorgung sein? Wie komme ich in meiner Apotheke zukünftig verlässlich an Medikamente? Hier den Eindruck zu erwecken, man könnte einfach mit einem Gipfel dafür sorgen, dass alle Medikamente, die heute fehlen, plötzlich nebenan, vor der Haustür produziert werden, das ist unehrlich; das glauben Sie doch selber nicht, das ist Schaumschlägerei. Ich finde, diesen Anstand sollten Sie haben, solchen Populismus hier nicht weiter an den Tag zu legen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Schauen wir uns die Situation der Apothekerinnen und Apotheker an! Ich will Ihnen sagen, dass die Forderung, die heute in verschiedenen Redebeiträgen aus der Opposition erklang – man müsste nur einfach mehr Geld verteilen, und dann sei das Problem der Apothekerinnen und Apotheker behoben –, einfach Unfug ist. Wir haben Umstände – die 17 Stunden sind genannt worden –, die den Apothekerberuf für viele unattraktiv machen, ihn umständlich machen; sie klagen vor allem über Zettelwirtschaft, über Bürokratie, über übermäßige Kontrollen, umständliche Prozesse. Genau das gehen wir jetzt an. Der Kollege Lindemann hat es angesprochen. Wir werden dieses Thema der übermäßigen Prüfung des falschen Kreuzchens an der falschen Stelle angehen. Wir werden sicherstellen, dass die Apotheken sich in schlankeren Prozessen darauf verlassen können, dass am Ende zählt, dass sie den Patienten den in der Situation richtigen Wirkstoff geben, und nicht das falsche Wort auf der Verpackung an der falschen Stelle sie daran hindert, die Versorgung sicherzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir werden sicherstellen, dass durch Digitalisierung die Abläufe in den Apotheken und bei der Versorgung insgesamt einfacher werden, die Prozesse dann schneller und schlanker sind und vor allem mehr Überblick darüber herrscht, wo, an welcher Stelle und zu welcher Zeit denn der konkrete Mangel herrscht, sodass darauf reagiert werden kann. Wir werden also mit mehr digitalen Verfahren, weniger Bürokratie und vereinfachten Prozessen, die die Arbeit wirklich erleichtern und Not lindern, etwa auch durch Zuschläge für solche Austauschprozesse, für eine Verbesserung der finanziellen Situation der Apotheken ohne bürokratischen Mehraufwand sorgen. Das ist gut, das ist richtig. Das hilft den Apotheken, das löst die Probleme. Das sind Lösungen. Gipfel bringen am Ende niemandem etwas.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn wir uns anschauen, an welchen Standorten Arzneimittel derzeit produziert werden, dann wird klar: Im laufenden Gesetzgebungsverfahren müssen wir Regelungen finden, um Produktionsstätten zurück nach Europa zu holen, indem wir es etwa über Rabattverträge attraktiv machen, Generika wieder in Europa zu produzieren. So sorgen wir dafür, dass die Verfügbarkeit von wichtigen Arzneimitteln in Europa gestärkt wird.

Wir sind dankbar, dass durch die enge Zusammenarbeit von Bundesgesundheitsministerium und Bundeswirtschaftsministerium mit den anderen Ressorts der Bundesregierung und gemeinsam mit den Unternehmen der Pharmaindustrie in Deutschland und in Europa dafür gesorgt wird, dass existenzielle Medikamente, die dringend gebraucht werden, zukünftig wieder besser verfügbar sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das ist wichtig, das ist richtig. Wir brauchen keinen einzelnen Gipfel mit der Pharmaindustrie, auf dem am Ende des Tages nur geredet wird und auf dem man nicht ins Machen kommt und nicht dafür sorgt, dass Lösungen auf den Tisch kommen.

Letzter Punkt. Entscheidende Ursachen, warum wir jetzt keinen Überblick haben und es für die Pharmaindustrie so schwierig ist, neue und gute Medikamente hier in Deutschland zu entwickeln, sind die verschlafene Digitalisierung im Gesundheitswesen und die schlechte Verfügbarkeit von Daten. Nach 16 Jahren unionsgeführter Bundesregierung sind wir in Deutschland in eine Situation geraten, in der die Pharmaindustrie – Sie beschwören das Bild von Deutschland als Apotheke der Welt – in andere Länder abwandert, weil keine Daten zum Forschen verfügbar sind. Wir sind abgehängt, weil es die Gesundheitsminister der Union in den letzten acht Jahren sowie eine Bundeskanzlerin und ein Wirtschaftsminister von der Union nicht vermocht haben, den Pharmastandort, den Wissenschaftsstandort Deutschland mit guter Verfügbarkeit von Daten und guter Digitalisierung gut aufzustellen. Das war ein Riesenfehler.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Alles immer die Union! – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Wie armselig ist das denn?)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Janosch Dahmen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das gehen wir jetzt an.

In diesem Sinne: Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Yvonne Magwas:

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Manfred Todtenhausen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)