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16.01.2020

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie – das sind alles keine Randerscheinungen; das wissen wir. Wir wissen allerdings auch, dass es keine ganz neuen Erscheinungen sind. Ich muss das vorausschicken, damit ich auch sagen kann: Ich bin froh, dass wir inzwischen begonnen haben, das Problem des Rechtsextremismus zu erkennen, und auch heute hier darüber reden – obwohl wir viel früher hätten darüber reden sollen. Warum? Es hat schon lange, bevor die, die dafür bezahlt werden, Politik zu machen, Opfer geworden sind, lange bevor wir von Hass, verbaler und tatsächlicher Gewalt und von Angriffen – wie zuletzt der Kollege – betroffen waren, nämlich schon seit Mitte der 90er, neue Strategien im Rechtsextremismus gegeben. Es hat Ermordungen wie die von Amadeu Antonio in Eberswalde kurz nach der Wiedervereinigung gegeben. Denken Sie an die Fußballweltmeisterschaft 2006: Da gab es No-go-Areas. Ausländer, die zu Besuch kamen, People of Colour, wurden quasi aufgefordert: Begebt euch nicht ins Umland. – Hunderte Menschen sind seit damals getötet worden oder haben schwere Gewalt erlebt. Ich finde, wir sollten derer heute respektvoll gedenken und in aller Demut sagen: Wir hätten früher sein können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte auf zwei Ebenen eingehen, meine Damen und Herren, und etwas klarstellen: Es geht um Rechtsextremismus im Netz, der dort organisiert praktiziert wird, aus dem Bürgertum noch unterstützt, damals von Herrn Henkel, von Herrn Sarrazin, von Herrn Gauland. Aber es geht nicht nur um diesen organisierten Rechtsextremismus. Es geht in Wahrheit – neben diesem gezielten Angriff auf unsere Demokratie – auch darum, dass im privaten Bereich immer mehr Hass und Onlinestalking im Netz auftauchen, zum Beispiel, wenn Menschen sich trennen, dass es von ehemaligen Partnern Angriffe auf Frauen gibt, dass dort Stalking und Bedrohung stattfinden.

Wir müssen auch über Cybergrooming reden. Wir müssen das Thema NetzDG in die Debatte aufnehmen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ich bin gespannt, wie die Grünen abstimmen!)

Es geht zum Beispiel um Spiele, die von Kindern gespielt werden, die Möglichkeiten für Anbahnungsversuche bieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist die Antwort der Regierung? Sie führen mehrere Gesetzesverfahren gleichzeitig durch. In Richtung der Ministerin muss ich sagen: Sie kommen mit einer überfälligen Reform des NetzDG, das schon falsch war, als es 2017 verabschiedet wurde. Sie haben dann gesagt: Wir warten die Evaluierung ab. – Nun machen Sie Pressearbeit, rücken aber weder den entsprechenden Gesetzentwurf noch die Ergebnisse der Evaluierung heraus. Wer gegen die Anfeindungen gegenüber unserer Demokratie kämpfen will, der sollte sich ein besseres Verfahren überlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt also zwei Verfahren: zum einen die Überarbeitung des NetzDG – wer auch immer sich die Maßnahmen überlegt hat –, zum anderen gibt es einen Antrag der Grünen aus dem Herbst 2018, Herr Müller, in dem das alles schon drinsteht. Aber eine Debatte darüber vertagen Sie regelmäßig. Dann gibt es Ihr Neun-Punkte-Paket gegen Rechtsextremismus, das eine Meldepflicht und Ähnliches enthält. Ich kann an dieser Stelle nur eines sagen: Wir müssen über die Entwürfe, wenn sie denn irgendwann einmal vorliegen, sehr sorgfältig diskutieren. Warum? Wir müssen darüber diskutieren, weil man die Grundrechte, die Würde, den Respekt und die körperliche Unversehrtheit nicht dadurch wahrt, indem man sie auf der anderen Seite schleift, meine Damen und Herren.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja. – Meinen Kollegen von der FDP sage ich: Man muss sich schon überlegen, ob man das NetzDG abschaffen oder reformieren will. Aber Sie haben noch Zeit.

An die Koalition gerichtet sage ich: Ich möchte die Gesetzentwürfe haben, und ich möchte endlich ein Gesamtpaket, das analog und digital verbindet, das tatsächlich eine Taskforce Rechtsextremismus beinhaltet und das die Institutionen, die Zivilgesellschaft und die Beratungsangebote unterstützt –

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen, bitte.

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

– und nicht nur das Recht ausweitet. Das wird nämlich nicht reichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Alexander Hoffmann.

(Beifall bei der CDU/CSU)