Rede von Tabea Rößner Meinungsfreiheit im Internet

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28.01.2021

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die AfD von Meinungsfreiheit spricht, meint sie eigentlich nur Meinungsfreiheit für sich selbst.

(Zuruf von der FDP: Genau! – Gegenruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])

Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch all ihre Reden. Wir mussten es ja gerade eben wieder ertragen, dass Sie Ihre Meinung hier ganz frei äußern können, wobei Lüge eben nicht unter die Meinungsfreiheit fällt.

(Zuruf von der AfD: Das ist Hetze!)

Aber das Recht auf freie Meinungsäußerung genießen auch Feinde des Rechtsstaates. Das ist Demokratie „at its best“, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Uwe Witt [AfD])

Polen ist sicher kein gutes Beispiel für Demokratie; denn dort wurden die Mediengesetze geändert, und die Regierung nimmt massiv Einfluss auf die Berichterstattung. Dass Sie dieses Beispiel anführen, wundert mich nicht, weil es das ist, was Sie eigentlich wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist Meinungsfreiheit ein so hohes Gut? – Sie ist elementar für die Demokratie.

(Zuruf von der AfD)

Die Vielfalt von Meinungen gewährleistet erst den freiheitlichen Meinungsbildungsprozess. Dieser verlagert sich immer mehr ins Netz. Deshalb müssen auch dort die demokratischen Prinzipien für soziale Netzwerke gelten, und zwar gerade für die Netzwerke, die besonders hohe Nutzerzahlen haben und dadurch eine große Macht entwickeln. Mit dieser Macht haben die Internetkonzerne eine Steuergewalt über den öffentlichen Raum, und das darf nicht sein.

Deshalb müssen auch Plattformen kommunikative Chancengerechtigkeit gewährleisten. Das ist aber eben oft nicht der Fall; das wurde schon erwähnt. Was radikaler, krasser, polarisierender ist, erhält mehr Klicks, generiert mehr Werbeeinnahmen und wird von Algorithmen prominenter an die Nutzerinnen und Nutzer ausgespielt. Davon hat Twitter übrigens beim ehemaligen US-Präsidenten massiv profitiert.

Wirtschaftliche Interessen bestimmen, was jemand zu sehen bekommt. Darunter leiden die Meinungsvielfalt und damit der Meinungsbildungsprozess. Wir brauchen dafür dringend klare Regelungen. Die Profite von Internetkonzernen dürfen nicht über dem Schutz der Grundrechte stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das gilt auch, wenn die Plattform willkürlich Accounts sperrt. Deshalb braucht es gesetzliche Regeln, die gewährleisten, dass sich mächtige Plattformen an die demokratischen Prinzipien halten. Dazu gehört auch die Einhaltung allgemeiner Gesetze, wenn illegale Inhalte verbreitet werden, wenn Menschenwürde verletzt wird oder Volksverhetzung stattfindet.

Für die Durchsetzung dieser Gesetze gibt es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dieses muss dringend verbessert werden; denn im Moment ist es für viele Menschen immer noch zu kompliziert, Inhalte zu melden, und gleichzeitig wird das Gesetz missbraucht. So müssen sich Menschen, die sich zum Beispiel auf Twitter gegen Rassismus äußern, nicht nur Hasskommentaren aussetzen. Ihre Tweets werden oft ohne genauere Prüfung gelöscht oder ihre Accounts gesperrt, weil rechtsradikale Aktivisten sie melden. Meist dauert es dann viele Tage oder Wochen, bis Twitter die Sperrung aufhebt. Die AfD und ihre Anhänger, die sich gerne als Opfer inszenieren und ihre Meinungsfreiheit durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eingeschränkt sehen, sind in Wahrheit diejenigen, die die Meldefunktion der Plattform missbrauchen, um ihnen missliebige Meinungen aus dem Diskurs zu drängen.

(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)

Wie absurd, wie hässlich ist das denn eigentlich?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Wir stehen also vor verschiedenen Herausforderungen, um die freie Meinungsbildung im Netz zu gewährleisten. Erstens müssen wir Hass und Hetze wirksam bekämpfen. Opfer von Hasskriminalität dürfen nicht aus dem öffentlichen Diskurs gedrängt werden; denn das hat wirklich Folgen für die Meinungsvielfalt.

(Uwe Witt [AfD]: Das machen Sie doch mit uns jeden Tag!)

Zweitens brauchen wir klare Regelungen dort, wo Algorithmen und Geschäftsmodelle sozialer Medien den Meinungsbildungsprozess beeinflussen, weil bestimmte Inhalte bevorzugt ausgespielt werden. Der Digital Services Act, der deshalb auf der EU-Ebene verhandelt wird, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drittens müssen wir Regelungen immer daraufhin überprüfen, ob die Teilnahme am Meinungsbildungsprozess gewährleistet ist. Ich denke da sowohl an Uploadfilter, die uns jetzt auch im Zuge der Urheberrechtsreform drohen könnten, als auch an die Gefahr des Overblockings beim NetzDG. Was wir brauchen, ist eine staatsfern organisierte Aufsicht und ganz sicher kein Wahrheitsministerium. Das ist ja das, was die AfD eigentlich will.

(Manuel Höferlin [FDP]: Richtig! – Uwe Witt [AfD]: Hätte man längst einführen können!)

Und wir brauchen eine wirksame Selbstregulierung, damit strafbare Inhalte effektiv und trotzdem grundrechtswahrend entfernt werden und ein Overblocking vermieden wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD])

Plattformen müssen transparent machen, was wie und warum gelöscht oder gesperrt wird, und Betroffenen muss es unbürokratisch möglich sein, Beschwerde einzulegen, damit fälschlicherweise gesperrte Inhalte schnell wiederhergestellt werden.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wir sprechen beim Digital Services Act genau über diese Punkte. An dieser Stelle müssen wir uns ins Gesetzgebungsverfahren einbringen und konstruktive Vorschläge machen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat die Staatsministerin Dorothee Bär.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])