Hanna Steinmüller
12.10.2023

Hanna Steinmüller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Jetzt wissen wir mal wieder, was die AfD alles nicht will.

(Fabian Jacobi [AfD]: Freiheit, Frau Kollegin, Freiheit wollen wir! – Thomas Seitz [AfD]: Abschieben! – Fabian Jacobi [AfD]: Ganz viele tolle Sachen wollen wir!)

Wir wissen, dass Ihnen Mieterinnen und Mieter im Zweifelsfall vollkommen egal sind, dass Sie immer auf der Seite der Vermietenden stehen, aber konkrete Vorschläge, wie Sie die realen Probleme lösen wollen, darauf warten wir immer noch.

(Fabian Jacobi [AfD]: Weniger Sozialismus!)

– Wow, realitätsnahe Lösungen! Gut.

Ich habe meine letzte Rede hier begonnen mit dem Beispiel aus meiner Nachbarschaft im Gesundbrunnen. Ich habe von einem dort errichteten Neubau mit Durchschnittsmieten von ungefähr 25 Euro pro Quadratmeter gesprochen. Konkret bezahlt man für die 40-Quadratmeter-Wohnung 1 200 bis 1 400 Euro, und die 110-Quadratmeter-Wohnung, 3 Zimmer, ist im Gesundbrunnen, ungefähr 15 S-Bahn-Minuten von hier entfernt, für 2 850 Euro vermietet worden. Diese Mieten sind weit jenseits dessen, was sich die meisten Menschen in meiner Nachbarschaft leisten können.

In dieser Diskussion hier gibt es bestimmte Argumente, die, wie bei einer kaputten Schallplatte, immer, immer wieder wiederholt werden. Das eine Argument ist, man bräuchte kein Mietrecht mehr, wenn es ausreichend Wohnungen gäbe; der Markt würde das ganz allein regeln. Das zweite Argument ist, dass ein strenges Mietrecht Neubau verhindere. Ich bin fest überzeugt: Beides ist falsch.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Es reicht nur nicht, wenn man sich das ganz fest wünscht!)

Erstens. Viele mietrechtliche Regelungen gelten nicht für den Neubau. Die Mietpreisbremse nimmt Wohnungen, die nach 2014 gebaut wurden, pauschal aus. Selbst umfassende Modernisierungen führen dazu, dass die Mietpreisbremse nicht angewendet wird. Diese hohen Neubaumieten, von denen ich gerade berichtet habe, sind vollkommen legal. Und wir brauchen Neubau. Wir brauchen Neubau in bestimmten Ballungsgebieten, wo es einen Wohnraummangel gibt. Der Neubau ermöglicht Barrierefreiheit, die im Bestand zu erreichen oft schwierig und trotzdem notwendig ist. Auch Energieeffizienz ist im Neubau oft schneller zu erreichen als im Bestand; und trotzdem muss man auch im Bestand dafür sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Neubau sorgt an sich nicht automatisch für bezahlbare Mieten. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn der Wohnungsmarkt so entspannt wäre, dass Mieterinnen und Mieter auch in angespannten Wohnungsmärkten Auswahl hätten. Aber davon sind wir weit, weit entfernt. Deswegen ist es sinnvoll, dass es Mietenregulierung gibt, um eine Preisexplosion zu verhindern.

Und es stimmt einfach nicht, dass die Mietenregulierung den Neubau ausbremst. Es gibt eine Studie vom DIW im Auftrag des BMJ, die empirisch aufzeigt, dass die Mietpreisbremse im Gegenteil sogar Investitionen angeschoben hat und dass es zu mehr Neubautätigkeit kommt, im Sinne der Mieterinnen und Mieter, aber auch der Investorinnen und Investoren.

Zweitens. Die Diskussion über den Neubau, die wir hier immer führen, lenkt davon ab, dass die allermeisten Menschen im Bestand wohnen. Wenn wir auf den Wohnungsbestand in Deutschland schauen, sehen wir: Es sind seit 2011 3 Prozent mehr Wohnungen dazugekommen, das heißt, die allermeisten leben in Bestandsgebäuden.

(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Ja, geht auch nicht anders!)

Das ist gut, weil es dort günstigere Mieten gibt, es gibt oft eine etablierte, gewachsene soziale Mischung, und sie bieten vielen Menschen ein Zuhause.

Es gibt im Mietrecht aus guten Gründen eine Unterscheidung zwischen den normalen Wohnungsmärkten und den angespannten Wohnungsmärkten. 15 von 16 Bundesländern, nur das Saarland nicht, weisen diese angespannten Wohnungsmärkte auf. Wenn Sie mal gucken: Es gibt lange Listen von ganz vielen Kommunen, die offensichtlich ein Problem haben, weswegen es diese Unterscheidung im Mietrecht gibt. Damit es dort nicht zu einer Verdrängung kommt, brauchen wir im Bestand ein starkes Mietrecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn das Problem in den angespannten Wohnungsmärkten ist ja – deswegen heißen sie „angespannt“ –, dass die Mieten in der Regel nicht mehr sinken. Was einmal teuer ist, bleibt teuer. Damit der Anstieg nicht so schnell erfolgt, haben wir die Mietpreisbremse, haben wir Kappungsgrenzen. Und wir wollen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auch noch weitergehen.

Ein letztes Argument. Manchmal wird gesagt: Wer sich hohe Mieten leisten kann, soll sie auch zahlen. – Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass die hohen Mieten, wenn man auf die Kappungsgrenzen verzichtet, wenn die Mietpreisbremse nicht angewendet wird, dazu führen, dass der Mietpreisspiegel steigt und damit die Mieten für alle Menschen, egal ob sie es sich leisten können oder nicht, ansteigen. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Mietpreisregulierung haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen beides: Wir brauchen Neubau in den Gebieten mit Wohnraummangel, und wir brauchen ein starkes Mietrecht zum Schutz der Mieterinnen und Mieter im Bestand, damit jeder und jede ein sicheres Zuhause hat.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Daniel Föst [FDP])

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Vielen Dank, Frau Kollegin Steinmüller. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Hierl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)